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„Sind eine Dienstleistungswüste im KI-Bereich“

Clemens Wasner beschäftigte sich von 2006 bis 2016 in Asien – unter anderem in Tokio und Beijing – mit der KI-Technologie, gründete nach seiner Rückkehr in Österreich den Verband AI Austria und gemeinsam mit Schulkollegen aus HTL-Zeiten das Unternehmen enliteAI, wo man Kunden wie Raiffeisen, VoestAlpine, Red Bull oder Andritz als Kunden gewinnen konnte.

a3BAU: Sie beschäftigen sich schon seit langem mit der KI-Technologie. Wie steht Österreich?

Clemens Wasner: Generell hinkt Europa beim Thema KI einmal mehr anderen Regionen hinterher. Viele Jahre hat man sich mit dieser Innovation gar nicht auseinandergesetzt. Europa ist stark vom Buch 1984 geprägt. Das hat man bei der DSVGO gemerkt und KI ist jetzt die neue Ausprägung dieser Privacy-Debatte. Dass die Auseinandersetzung mit dem Thema speziell in Österreich so gut wie gar nicht stattfindet, sehe ich als Totalversagen der Politik. Diskussionen zu KI-Themen finden in den meisten europäischen Ländern schon seit 2018 statt. Das fällt uns beim Thema Arbeitskräfte und Ausbildung auf den Kopf, weil wir hier die längsten Vorlaufzeiten haben. Da ist massiv Zeit vergeudet worden.

Was wären aus Ihrer Sicht die nächsten konkreten erforderlichen Schritte?

Die D-A-CH-Region muss sich beim Manufactoring zusammenschließen, denn da hängen gut 15 Millionen Jobs dran. Industrie 4.0 war vom Ansatz her nicht schlecht, weil es eine Reaktion auf die Überalterung und die Pensionswelle war, die jetzt ansteht. Also wie kann ich mehr Output erzeugen, bei gleichzeitig 25 Prozent der Belegschaft, die in Pension geht. Bei der Beschäftigung mit dem Thema KI ist man ist aber falsch abgebogen mit der Fokussierung auf Daten, obwohl das sonst auf der Welt niemanden interessiert. Die Europäische Kommission kann nicht ein Daten-Austauschformat entwickeln und dann darauf hoffen, dass das dann alle verwenden und dies zu mehr Austausch innerhalb und zwischen den Unternehmen führt und die Wirtschaftsleistung ankurbelt. Das ist fünf Schritte zu weit gedacht. Hier wird massiv überschätzt, wie Privatwirtschaft funktioniert. Auf der methodischen Seite könnte man sich da viel stärker einbringen. Die Bauindustrie beispielsweise ist hierzulande ganz anders strukturiert als in Asien oder Nordamerika, nämlich sehr viel build to order, sehr wenige Projekte, wo alles fixfertig vorgefertigt ist, also modulare Bauweise, wo auf der Baustelle nur mehr das finale Assembling stattfindet.

Das erfordert aber ein komplettes Umdenken des herkömmlichen Geschäftsmodells des Bauens, das sich daran orientiert, dass jedes Haus ein Prototyp ist.

Ich glaube nicht, dass modulares Bauen zu zu wenig Diversität im Markt führt. Intern nennt man das Komplexität, zum Markt hin Diversität. Wenn ich es schaffe, wie es etwa Volkswagen gemacht hat mit dem modularen Querbaukasten oder Daimler mit der SFTP-Strategie, wo man möglichst wenig Teile hat, die aber möglichst divers kombinierbar sind, also das Lego-Prinzip. Das hat Vorteile für alle Beteiligten, aber man muss es halt einmal durchplanen. Japan hat, was den Einfamilienhausbau betrifft, genau denselben Wildwuchs wie wir. Da schaut ja kein Haus aus wie das andere, nur anders zusammengestoppelt. Und das sind oft ganz triviale Sachen wie Lampen. Ich bin in Japan extrem oft umgezogen – das läuft dann so, dass man seine Lampe einfach mitnimmt. Die hat ein Drehsystem – die drehe ich im alten Haus raus und dreh sie im neuen Haus rein. Oder: Sich eine Klimaanlage in Tokio installieren zu lassen, kostet inklusive der Klimaanlage zwischen 300 und 400 Euro. Es passiert sehr viel im Bereich Baustellen-Management und Baustellen-Sicherheit, aber der elephant in the room ist meiner Meinung nach build to order und Modularisierung. In Asien ist die meiste Innovation reingeflossen prozessmäßig und technologisch. Die Bauindustrie fällt um diesen Effekt um, wenn sie nicht auf Modularisierung umstellt.

Ihr erster Tipp für den Einsatz von KI in der Bauindustrie?

Logistikoptimierung. Es gibt Branchen, die so ihre 10-12 Themen haben, die sie seit Jahrzehnten herumschleppen. Man startet hier üblicherweise von den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie. Das klingt jetzt nach Binsenweisheit, ist er leider sehr oft nicht der Fall. Der erfolgversprechendste Ansatz bei der Einführung von KI ist, wenn man sich einzelne Prozesse hernimmt und die wirklich end-to-end durchleuchtet. Ein Beispiel für so etwas wäre eine Bestellung: Kunde fragt an, ob Firma A folgendes Produkt herstellen kann. Das kann eine Industrieanlage oder ein Dach sein. Und dann folge ich diesem ganzen Prozess. Wenn Kundenanforderungen hereinkommen – wie wird geprüft, ob die Kundenanforderungen erfüllt werden können? Dem Kunden wird ein Angebot erstellt, wo auch technische Zeichnungen drinnen sind. Wer macht das? Entstehen dort Nadelöhre, weil dort qualifizierteste Mitarbeiter diese erstellen müssen oder ist das automatisiert? Wie werden Stücklisten geprüft? Man geht in diesem Detaillierungsgrad das komplette Unternehmen durch und da findet man mitunter extrem große Potenziale. Wenn Warenmanagement auf Sicht betrieben wird, anstatt größervolumige Bestellungen abzusetzen, dann reden wir von Einkaufseffekten von 40-50 Prozent. Vieles von diesen Prozessoptimierungen, die große börsennotierte Unternehmen machen, kann ich mit KI im Kleinen auch im Mittelstand etablieren.