
Düstere Aussichten für die Fertighausindustrie
Auf die Fertighausindustrie kommen schwierige Zeiten zu. „Der aktuell geringe Baubedarf sowohl in den Städten als auch auf dem Land, die dramatisch gestiegenen Bau- und Materialkosten, steigende Zinsen und überzogen strenge Richtlinien für die Kreditvergabe stellen eine massive Gefährdung für die Branche dar“, betont eine aktuelle Studie der Wiener Unternehmensberatung Advicum Consulting. Die Nachfrage nach Fertighäusern werde unter diesen Bedingungen in den nächsten Jahren mit Sicherheit geringer ausfallen. Lösungsansätze sehen die Unternehmensberater im Einsatz moderner Digitaltechnologie, standardisierter Individualisierung und nicht zuletzt im wachsenden Sanierungsgeschäft bei Fertighäusern.
„Die Folgen des Ukraine-Krieges und die Entwicklungen nach Corona trafen die Fertighausindustrie mitten ins Herz. Rückgänge des Auftragsvolumens von 60 Prozent und mehr sind keine Seltenheit“, berichtet Advicum Equity-Partner Daniel Knuchel. Die Preise für Bauholz seien um rund 70 Prozent gestiegen, für Beton und Ziegel um rund 30 Prozent. Die Zinslast habe sich im letzten Jahr verfünffacht. Für den Bau eines durchschnittlichen 150 m2-Hauses müssen heute um ca. 235.000 Euro mehr bereitgestellt werden als noch vor fünf Jahren, wie ein Rechenbeispiel aus der Studie zeigt. „Wie viele Menschen in unserem Land gibt es, die sich das noch leisten können und wollen?“, fragt Knuchel wohl zu Recht.
Sanierung und energietechnische Modernisierung im Fokus
In Zeiten, da es neben heftig gestiegenen Kosten auch zu Materialengpässen und Beschaffungsverzögerungen bei Neubauten kommt, hat die Sanierung früher Generationen von Fertighäusern erhebliches Potenzial. Die ersten Häuser entstanden noch unter Einsatz veralteter Holzschutzmittel und früher Dämmstoffe, die sich gegen Feuchtigkeit und Schimmel als uneffektiv erwiesen. Im Zuge der Renovierung kann auch gleich eine thermische Sanierung angeboten werden, die die Energieeffizienz verbessert und den Energieverbrauch im Haus senkt. „Generell wird der Fokus auf Ökologie und Nachhaltigkeit im Baubereich weiter zunehmen“, ist Knuchel überzeugt. Das sei auch höchst an der Zeit, denn die Immobilienbranche verursache weltweit 38 Prozent aller energiebedingten CO2-Emissionen. Während Anlageportfolios in Richtung null Treibhausgasemissionen steuern und private Bauherren immer häufiger auf Passiv- und Energieplus-Häuser setzen, gibt es laut Advicum immer noch Marktteilnehmer, die mit „Greenwashing“ über die Runden kommen wollen.
Digitale Individualität
Ein Schlüssel für den Erfolg der Fertighausindustrie wird gerade in schwierigen Zeiten die Kundenzufriedenheit sein, die merkbar steigt, wenn die Häuser personalisierbar und individuell gestaltbar sind. „Standardhäuser werden bald der Vergangenheit angehören, die Nachfrage nach flexiblen Wohnformen und Grundrissen steigt deutlich“, heißt es in der Advicum-Studie. Ein wichtiger Trend sei daher die immer smarter werdende Online-Konfiguration, mit deren Hilfe man bequem von daheim aus Bad, WC, Küche oder Terrasse planen und designen kann. Das Fertighaus der Zukunft werde aber auch Smart Home-Lösungen anbieten, die eine einfachere Steuerung der Wohnung sicherstellen, ebenso wie eine rasche Reaktion, wenn einmal ein Problem auftritt. Ein neuer Trend ist die Online-Immobilienbesichtigung: Mittels Virtual Reality können Interessenten ihr künftiges Haus sogar bereits betrachten, ehe es noch gebaut wird. „Moderne Digitaltechnologie ermöglicht zudem auch den Fertighausanbietern selbst viele Vorteile wie Kostensenkung, Optimierung von Arbeitsprozessen, Produktivitätssteigerungen, Vermeidung von Datenredundanzen und virtuelle Koordination mit Projektpartnern“, erläutert Knuchel.
Neue Wohnbedürfnisse erfordern neue Konzepte
Demographische Entwicklungen und eine im Zuge von Corona neu gestaltete Sicht auf die Work-Life-Balance stellen die Fertighausbranche vor neue Herausforderungen. So rückt die „Silberne Gesellschaft“ die Bedürfnisse von SeniorInnen in den Mittelpunkt, beispielsweise die Themen Barrierefreiheit, betreutes Wohnen und die Nachfrage nach guter Infrastruktur im Nahbereich. Auch der Trend zum Arbeiten im Home Office werde weiter steigen, prognostizieren die Advicum-Experten. Flexible Wohnkonzepte, die eine ideale Verbindung von Arbeit, Freizeit und Familie ermöglichen, seien daher besonders gefragt. Ob sich diese modernen Fertighäuser dann weiterhin vorzugsweise in den „Speckgürteln“ rund um die Großstädte befinden werden, ist momentan noch ungewiss. „Einerseits hängt dies von der Preisentwicklung ab, andererseits von den Infrastrukturmaßnahmen, die in den nächsten Jahren im ländlichen Bereich realisiert werden“, so Knuchel abschließend.