"Der Holzbau funktioniert perfekt"
a3BAU: Die Ausschreibung für den Donaumarina Tower in Wien hat in der Architektenwelt hohe Wellen geschlagen. Sie haben in Partnerschaft mit Foster + Partners beim Wettbewerb teilgenommen und den zweiten Platz erzielt. Wie haben Sie die Abführung des Wettbewerbs erlebt?
Raoul Skrein: Wir haben uns erst in der zweiten Phase beworben. Beim ersten Teil, der unerwartet abgebrochen wurde, waren wir nicht dabei. Beim Gutachterverfahren stand wohl der Gedanke im Vordergrund, ein extrem nachhaltiges Gebäude zu entwerfen. Deswegen wurden wir eingeladen – wir, das heißt Fosters + Partners zusammen mit Skreinstudios. Unser Projekt hat sich in diesem Punkt von den anderen abgehoben.
Aber gewonnen hat Dominique Perrault Architecture … wie zufrieden sind Sie jetzt mit dem Ergebnis?
Eigentlich sind wir sehr zufrieden, weil wir eine extrem nachhaltige Architektur in der Holz-Hybrid-Bauweise vorgeschlagen haben. Damit in Wien einen zweiten Platz zu erreichen ist schon ein Erfolg.
Aber das Projekt wird nicht umgesetzt?
Nein, wird es nicht. Offiziell sind wir zwar Nachrücker, aber in Österreich ist das, wie Sie wissen, relativ unwahrscheinlich. Das Know-how, das man sich während eines Entwurfs aneignet, die ganze Technologie, die wir dabei entwickelt haben, können wir aber weiter verwenden. So ein Wettbewerb ist generell eine Innovationsfabrik. Wir wollen mit dem Projekt zeigen, dass wir nachhaltig bauen können und dass jeder nachhaltig bauen sollte. Wir realisieren Projekte aus Wettbewerben, die nicht gewonnen haben, an anderen Orten. Natürlich nicht 1:1. Unsere Philosophie ist, dass man immer spezifisch für einen Ort baut. Dieser Tower, den wir mit Fosters + Partners entworfen haben, der kann so wirklich nur an diesem Ort stehen.
Sie haben gesagt, Ihr Entwurf ist komplett anders – inwiefern?
Wie schon gesagt, wir wollten etwas richtig Nachhaltiges präsentieren. Wir haben im Vorfeld daher die Nähe zu führenden Holzmanufakturen in Österreich gesucht, waren unter anderem in Bregenz bei Rhomberg. Und haben dann in London bei Foster + Partners für zweieinhalb Monate ein Team aufgebaut, das den Entwurf entwickelt hat.
Viel Aufwand, nicht gewonnen – und Sie sind trotzdem so zuversichtlich …
Ja, weil es ein perfekter Prozess war, ein Zusammenarbeiten für ein gemeinsames Ziel, nämlich ein Holzhochhaus zu bauen, und zwar so nachhaltig wie möglich. Er wäre mit über 100 Meter der höchste Holzturm der Welt und mit Sicherheit der nachhaltigste Office-Tower Europas.
Ist es wirklich ein Holzhochbau? Sie kennen die Diskussion: Außen viel Holz, aber die tragende Struktur ist aus Beton … Was ist per Definition für Sie ein Holzhochhaus?
Das ist es. Wir haben nicht einen Entwurf gemacht und dann überlegt, mit welchem Material wir bauen wollen und uns dann, um es besser vermarkten zu können, für Holz entschieden. Das funktioniert nämlich nicht. Sondern wir haben das Projekt von Anfang an in Holz gedacht und in Holz konstruiert. Man kann zwar jede Form in Holz machen, aber dann braucht man Stahlstützen, Stahlträger etc. – das verkompliziert das Projekt und erhöht den CO2-Verbrauch extrem. Bei unserem Entwurf sieht man an der extremen Schlichtheit des Gebäudes, dass es wirklich von innen heraus in Holz gedacht wurde.
Wie schaut die Konstruktion aus? Wir haben in Österreich Bauvorschriften für den Holzbau, die lassen ein reines Holzhaus mit dieser Geschossanzahl nicht zu. Wie haben Sie das gelöst?
Das ist ein Thema in Österreich, ja. Theoretisch sind Holzgebäude nur bis zu einer Stockwerkzahl erlaubt – ich glaube, in Wien sind es sechs Geschosse. Wir haben für diesen Entwurf deshalb auch mit einem sehr talentierten Brandschutzplaner zusammengearbeitet, der unsere Konstruktion hinsichtlich des Brandschutzes möglich gemacht hat. Der Kern ist aber aus Beton, der Stabilität und Sicherheit wegen.
Welches Büro war das?
Wir haben das Konzept mit dem Büro „Kunz – Die innovativen Brandschutzplaner“ entwickelt. Dabei ging es auch darum, das Verständnis von Holzbau der breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. Dass ein Holzhochhaus mit seiner Holzstruktur nichts mit einer Almhütte zu tun hat, die aus Holzbalken besteht. Sondern dass es sich um ein Hightech-Holzprodukt mit einer gewissen Masse handelt. Würde man die Konstruktion anzünden, dann verkokelt diese nur an der Oberfläche.
Aber die Konstruktion würde nicht lichterloh brennen?
Nein. Wenn Sie ein viel zu großes Scheit Holz in den Kamin legen, dann brennt das auch nicht, sondern wird ein bisschen schwarz außen und hört dann auf zu brennen. Das Konzept sieht dennoch überall Sprinkleranlagen vor, das ist ein Muss. Es gibt ein paar Punkte, die man beachten muss, wenn man so ein hohes Gebäude in Holz macht, aber grundsätzlich ist es möglich.
Das heißt, Ihre Pläne wären, wenn Ihr Entwurf zum Zug gekommen wäre, umsetzbar gewesen hinsichtlich der Bauvorschriften …?
Wir sind uns sicher, ja.
Könnte der Baustoff Holz dennoch mit ein Grund gewesen sein, warum sich der Bauherr bzw. die Jury gegen Ihren Entwurf entschieden hat?
Das müssen Sie die Jury fragen. Aber wie gesagt: Wir sind von Anfang an dieses Risiko eingegangen. Bis zur Halbzeit waren wir uns nicht sicher, ob wir den Entwurf umsetzen können. Es war ein langer Prozess, bis wir (brandschutztechnisch) alles unter Dach und Fach hatten.
Wie sieht das Bürogebäude der Zukunft für Sie aus?
Wir haben uns daran orientiert, wie wir glauben, dass unsere Arbeitsumgebung in Zukunft aussehen wird – eher der Silicon Valley/San Francisco Look oder arbeiten wir gemütlich zusammensitzend wie im Wohnzimmer zu Hause? Wir sind der Meinung, dass wir durch eine extrem flexible Struktur, die mit einem vielfältigen Mix aus öffentlichen Bereichen, kleineren Büros und Meeting-Räumen gefüllt werden kann, eine Architektur generieren können, die die Zeit überstehen wird. Es war uns sehr wichtig, dass das Gebäude, in einer ungewissen Zukunft, den Ansprüchen an die „Bürokultur“ der nächsten Generation entsprechen kann. Das war neben der Nachhaltigkeit unser zweites großes Thema.
In diese Richtung geht auch das Konzept „Cree by Rhomberg“ …
Genau. Dieses Gebäude kann man in späteren Jahren, wenn man es für kleinere oder größere Einheiten oder für einen total anderen Gebrauch benötigt, jederzeit umnutzen. Deswegen haben wir große Stützenabstände gewählt. Alles, was man an Stützen sieht, ist tragend, 80 Zentimeter stark. Wenn man diese Struktur belässt, dann hat man schon den perfekten Arbeitsraum. Die Konstruktion sieht so aus, dass wir Dowel Laminated Timber (DLTs) – das ist Brettstapelholz, das schräg gedübelt ist – quasi als massive Platte überspannend haben.
Wo würden diese Teile hergestellt werden?
Sohm HolzBautechnik im Bregenzerwald könnten sie herstellen. Aber es gibt hierzulande viele tolle Produzenten. In Österreich kann man meiner Meinung nach so ein Gebäude gar nicht nicht aus Holz machen.
Passiert aber in der Regel …
Das ist der Punkt. Wir versuchen, das Gegenteil aufzuzeigen. Deswegen war der zweite Platz für uns so wichtig. Mit dem besten Know-how der Welt in Österreich für Holzbau, warum machen wir nicht mehr daraus? Wir wissen, wie es geht.
Vom Handling her, wie viel Vorfertigung gibt das Konzept her? Die massiven Holzteile haben ja ganz schön Gewicht …
Im Prinzip soll so viel wie möglich vorgefertigt werden. Mit fünf Leuten und zwei Kränen können an einem Tag bis zu 400 Quadratmeter, in zwei Tagen ein ganzes Stockwerk errichtet werden. Bei unserem Entwurf für den Donaumarina Tower haben wir für die 33 Stockwerke eine um 25 Prozent geringere Bauzeit gegenüber herkömmlichen Bauweisen berechnet. Mit Beton kann man nur in der Gleitschalung den Kern hinaufwandern und dann wird jede Platte separat gegossen, die dann abbinden muss. Dieser Prozess dauert lange, weil die Feuchtigkeit erst raus muss. Und: Die Baustelle ist am Ende eines jeden Tages dicht. Im 19. Jahrhundert war die Architektur aus Stahl, im 20. Jahrhundert war es der Stahlbeton. Unserer Meinung nach ist das 21. Jahrhundert das Zeitalter des Holzes. Um die Klimaziele zu erreichen, reicht es nicht aus, bei einem Stahlbetonbau eine Leed-Zertifizierung Platinum zu erzielen. Damit kommen wir nicht vorwärts. Da muss man einen total anderen Ansatz wählen.
Und der sieht wie aus …?
Unser Gebäude ist räumlich und auch technisch ein extrem effizientes Gebäude. Es dringt keine direkte Sonnenstrahlung ein, somit heizt sich das Gebäude nicht auf. Dennoch hat man aber die perfekten Blickwinkel hinaus. Das heißt, wir holen so viel natürliches Sonnenlicht wie möglich herein, ohne die Kühllasten zu erhöhen. Außerdem kommen wir mit der Hälfte der künstlichen Beleuchtung aus. Durch die Optimierung der Betriebsenergie erreichen wir 43 Prozent weniger CO2 im Ausstoß über die ganze Lebensdauer. Aber das Besondere an diesem Projekt ist, dass der Bau selbst die CO2-Emissionen halbiert, weil wir statt 6.500 Tonnen CO2 bei einem herkömmlichen Stahlbetonbau in etwa 3.500 Tonnen produzieren. Wir sparen also 3.000 Tonnen, weil wir das Gebäude aus Holz bauen. Das ist richtig viel.
Werden Sie sich auf den Holzbau spezialisieren? Oder nehmen Sie an Ausschreibungen teil, und wo es geht, wird in Holz geplant?
Wir haben den Fächer offen und setzen Holz ein, wo es wirklich Sinn macht. Zum Beispiel planen wir gerade ein Projekt in Südafrika, in Cape Town, wo wir den Einsatz von Holz prüfen. Es kommt immer auf die Location an und auf das Land, wo man baut. In Mitteleuropa funktioniert der Holzbau perfekt. Die Holzressourcen sind da und ebenso das Know-how. Unsere Holzproduzenten produzieren meist auch CO2-neutral, denn der komplette Lifecycle ist wichtig. Holz als Konzept allein ist zu wenig.