Lehrlinge hören einen Bau-Vortrag
Lehrlinge erfahren mehr zur digitalen Zukunft am Bau.
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Fachkräftemangel: Es fehlt an allen Ecken und Enden | Teil 1

Von einer nach wie vor guten Auftragslage berichten die heimischen Unternehmen in quasi allen Bereichen der Bauwirtschaft – von den Produzenten über das Gewerbe bis hin zur Gebäudeautomation. Umso mehr schmerzt der Fachkräftemangel. Die Situation ist unverändert schlecht und trifft alle Betriebe und Regionen gleichermaßen. In der Lehrlingsrekrutierung gehen einige Unternehmen daher innovative Wege. Text: Sabine Müller-Hofstetter/Reinhard Ebner

Gewerbe und Handwerk klagen schon seit geraumer Zeit über den drückenden Fachkräftemangel. Daran scheint sich nichts zu ändern: „Unsere Betriebe melden einen Personalbedarf von 3,3 Prozent oder 26.000 Personen“, berichtet Renate Scheichelbauer-Schuster. „Drei von vier Betrieben spüren den akuten Fachkräftemangel.“ Die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich kommt aus der Elektrotechnik-Branche, die von diesem Missverhältnis zwischen Personalnachfrage und -angebot besonders hart getroffen wird.

Gleiches gilt für den HLK-Bereich. Laut aktueller Umfrage der KMU Forschung Austria planen 17 Prozent der Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechniker sowie 28 Prozent der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker eine Erhöhung des Personalstands im dritten Quartal 2019. Dem stehen lediglich zwei Prozent gegenüber, die einen  Personalabbau im Sinn haben.

Die geplante Aufstockung liegt an der guten Branchenstimmung und Auftragslage. Die Geschäftslage im zweiten Quartal wurde in der Befragung von einer überwältigenden Mehrheit der Firmen mit „Gut“ oder zumindest „Saisonüblich“ bewertet. Fürs  dritte Quartal erwarten 21 Prozent  steigende Umsätze und Auftragseingänge. Lediglich fünf Prozent der HLK- und neun Prozent der Elektrotechniker rechnen mit Rückgängen. 

Ähnliche Entwicklungen zeigt auch das VÖB-Konjunkturbarometer (Verband Österreichiischer Beton- und Fertigteilwerke): Speziell im Wohnbau sowie im Industrie- und Gewerbebau läuft das Geschäft gut, Auslastung und Umsätze entwickeln sich bislang zufriedenstellend. Sorgen bereitet der Branche jedoch das Thema Ausbildung, so VÖB-Präsident Franz Josef Eder. Es gibt aktuell zu wenige Lehrlinge, was laut VÖB-Konjunkturbarometer unterschiedliche Gründe hat. So gelten andere Branchen als attraktiver, auch gesellschaftliche Erwartungshaltungen spielen eine Rolle.

Zwar stehen derzeit über 100 Lehrlinge in ganz Österreich bei den Betrieben der Branche in der Ausbildung, gleichzeitig sind aber auch Lehrstellen vakant. „Mehr als 40 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sich zu wenige Interessenten auf die offenen Lehrstellen bewerben. Nur 21 Prozent sind mit der Situation zufrieden“, zeigt Franz Josef Eder auf. Besonders alarmierend: 91 Prozent der befragten Unternehmen haben angegeben, aktiv Maßnahmen zu treffen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. „Dass ein Großteil von ihnen dennoch keine Auszubildenden findet, zeigt, dass es an anderer Stelle hakt“, so der VÖB-Präsident weiter. 

Deshalb wurde auch abgefragt, welche Gründe die Mitgliedsunternehmen des VÖB hinter der Lehrlingsflaute vermuten. Eder: „Die Antworten sind sehr aufschlussreich und reichen von Eintönigkeit im Industriebetrieb über zu geringe Aufstiegschancen und hohe Lärmbelastung bis hin zu gesellschaftlichen Gründen.“ Letztere umfassen etwa den gesellschaftlichen Rang von Arbeitern versus Angestellten sowie den Umstand, dass eine höhere schulische Ausbildung in der Gesellschaft mehr zählt als Handwerk. Gleichzeitig zeigt sich die Branche aber auch durchaus selbstkritisch: „Unsere Arbeitsplätze sind attraktiv und werden laufend an aktuelle Entwicklungen angepasst. Das muss auch über Marketing der Öffentlichkeit bzw. potenziellen Mitarbeitern bekannt gemacht werden“, lauten weitere Antworten. 

Pilotprojekt Porr Campus gegen den Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft

Mit der Eröffnung eines Bildungs-Campus setzt die Porr eine gezielte Maßnahme gegen den Fachkräftemangel: „Der Fachkräftemangel ist weiterhin eine der zentralen Herausforderungen für unsere Branche. Der Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter kommt daher eine ganz entscheidende Bedeutung zu“, so Porr-CEO Karl-Heinz Strauss

In der hauseigenen Aus- und Weiterbildungsstätte bietet die Porr jedem Lehrling pro Lehrjahr eine zusätzliche dreiwöchige, praxisnahe Ausbildung. Im Rahmen des Unterrichtsbetriebs stehen Übungsblöcke in den Bereichen Maurerei, Schalungsbau, Tiefbau sowie Pflasterei auf dem Lehrplan. Schulungen und Theoriekurse in den Bereichen Materialkunde oder Sicherheit runden das Aus- und Weiterbildungsangebot ab. Darüber hinaus stehen den Lehrlingen individuelle Kurse zur Vorbereitung der Lehrabschlussprüfung zur Verfügung.

Der Porr-Campus folgt einem modernen Architekturkonzept, das mehr Raum zum vernetzten Arbeiten bietet. Die Schulungsräume sind nicht nur mit smarten Whiteboards ausgestattet, sondern bieten mit leistungsfähigen mobilen Endgeräten darüber hinaus eine optimale Basis für ein ergonomisches und kollaboratives Zusammen arbeiten. Neben mehreren lichtdurchfluteten Schulungsräumen, einer rund 500 m² großen Werkstatthalle und einem umfassenden Maschinenfuhrpark stehen Lehrlingen sowie Gewerblichen ein modernes Wohnheim mit rund 50 Betten und zahlreiche Sport- und Freizeiteinrichtungen zur Verfügung.

Attraktivierung der Baulehre gegen den Fachkräftemangel

Der Facharbeitermangel ist gerade in Zeiten guter Konjunktur ein gravierendes Problem, bestätigt auch Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel. Deswegen setzt die Bauwirtschaft zahlreiche Maßnahmen zur Attraktivierung der Baulehre. „Mit dem Tablet für Baulehrlinge im 2. Lehrjahr erhalten die Lehrlinge ihr digitales Rüstzeug für das 21. Jahrhundert. Das Tablet in Kombination mit den neuen Lehrberufen und der Bau-Kaderlehre wird den Beruf deutlich aufwerten und die Lehrlingszahlen hoffentlich steigen lassen“, so Frömmel.

An den BAUAkademien Vorarlberg, Tirol, Niederösterreich, Steiermark und Salzburg wurden die ersten Geräte bereits an ihre neuen Besitzer übergeben. Die BAUAkademien Wien, Oberösterreich und Kärnten folgen demnächst. Vorfreude und Spannung der Lehrlinge sind dabei unüberhörbar. „Ich freue mich sehr über das Tablet, weil es mir nicht nur das Arbeiten auf der Baustelle erleichtert, sondern auch bei der Vorbereitung für die Lehrabschlussprüfung hilft. Wir hatten gerade eine erste Einschulung und da konnte ich schon sehen, dass es eine tolle Lernhilfe ist“, zeigt sich Adrian Zangerle, Baulehrling aus Tirol, begeistert. „Ich werde das Tablet auf jeden Fall für meinen Bautagesbericht einsetzen: Schreiben, eventuell ein Foto von der erledigten Arbeit machen, der Firma schicken – passt“, freut sich Patrick Winter, Baulehrling aus der Steiermark, auf künftig kürzere Wege.

„Lern-Videos, Baumappe, Wissensplattform, BauMaster App – all diese Hilfsmittel stehen den Lehrlingen mit den neuen Tablets direkt und unmittelbar zur Verfügung. Das hilft ungemein“, erklärt Baumeister Lukas Hundegger anlässlich der Tablet-Übergabe an der BAUAkademie Tirol. „Mit dem Tablet kann der Lehrling den Lehrstoff durchgehen und gleich anschließend Fragen zur Lehrabschlussprüfung testweise beantworten. So weiß der Lehrling immer, wie er mit seinem Wissen abschneiden würde“, so Ausbilder Manfred Paier von der BAUAkademie Steiermark.

Die Tablets verbleiben bis zum Ende der 36-monatigen Tariflaufzeit im Eigentum der Bundesinnung Bau und des Fachverbandes der Bauindustrie und werden den Lehrlingen unentgeltlich zum Gebrauch überlassen. Danach gehen die Tablets in das Eigentum der Nutzer über, sofern der Abschluss einer Baulehre nachgewiesen wird. Diese Maßnahme gilt als wichtiger Baustein des Projekts „Baulehre 2020“. „Das Tablet in Kombination mit den neuen Lehrberufen und der Bau-Kaderlehre wird den Beruf deutlich aufwerten und die Lehrlingszahlen hoffentlich steigen lassen“, erwartet sich Tirols Landesinnungsmeister Anton Rieder.
 

Wie lange dauert eine Lehre am Bau?

Die Standard-Lehrzeit für die meisten Bauberufe beträgt 3 Jahre. Bei einer Kombi-Lehre kann sich Lehrzeit verlängern.

Zu welchen Berufen in der Bauwirtschaft kann ich eine Lehre antreten?

Um aktuelle Informationen zu den zukunftsträchtigen Lehrberufen zu erhalten, verweisen wir auf diese Webseite

Welche Lehrberufe sind bei Mädchen attraktiv?

Laut einer Statistik der WKO aus dem Jahr 2018 machten Mädchen vor allem Lehren im Einzelhandel oder als Bürokauffrau und Friseurin. In der Bauwirtschaft können sich tüchtige Mädchen also durchaus schnell einen Namen machen. Weibliche Fachkräfte in der Baubranche könnten in Zukunft durchaus üblich sein - Die Arbeit für die Fachkräfte dürfte mit der Digitalisierung auch nicht mehr so hart sein.

Welche Lehrberufe sind bei Burschen besonders beliebt?

Selbst bei Burschen ist der Lehrberuf als Maurer laut einer WKO Statistik aus dem Jahr 2018 liegt selbst bei männlichen Lehrlingen die Profession Maurer nur an 6. Stelle bei der Beliebtheit. Das neue Image des Hochbauers soll dies ändern. In Deutschland sieht die Situation ähnlich aus.