Christine Horner BIm a3bau
Christine Horner (Solid Architecture) plädiert in "BIM kompakt" dafür, Teilmodelle zu nutzen
© Kurt Kuball

Interview Christine Horner

Christine Horner ist Geschäftsführerin von Solid architecture und Mitglied des Ausschusses Digitalisierung in der kammer der ZiviltechnikerInnen, ArchitektInnen und IngenieurInnen.

a3BAU: Sie haben kürzlich ein Buch mit dem Titel „BIM kompakt. Teilmodelle verstehen und nutzen“ veröffentlicht. In der Einleitung steht, dass es sich dabei um eine „Quickinfo zu den Grundbegriffen von BIM“ handelt – an wen richtet sich das Buch? Sollten die Planer nicht  über dieses Wissenslevel schon hinaus sein?

Christine Horner: BIM ist vieles – und vieles eben auch nicht. Man muss die Begrifflichkeiten kennen und richtig anwenden, damit man vom selben redet. Die Materie ist ziemlich komplex und füllt mittlerweile schon ganze Lehrgänge. Zum bautechnischen Wissen kommt einiges an softwaretechnischem Wissen dazu – dieses gilt es zu erlernen.

Angeblich gibt es in Österreich derzeit rund 40 Büros, die „BIM können“ ... ist diese Zahl realistisch?

BIM ist nicht gleich BIM. „Little-Closed-BIM“ ist sicherlich schon weiter verbreitet als „Big-Open-BIM“.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden für Planer bei der Umstellung auf den BIM-Prozess?

Die überzogene Erwartungshaltung an das Werkzeug BIM ist aus meiner Sicht das größte Problem. Es gibt zwar mittlerweile diverseste Tools und „Knöpfe“, man benötigt dennoch genau dasselbe Fachwissen, um diese Knöpfe und Tools zum richtigen Zeitpunkt zu drücken und anzuwenden. Ein neu gekauftes Klavier bedeutet nicht, dass man dadurch automatisch Klavierspielen kann. Neue Arbeitsprozesse müssen sich erst im Arbeitsalltag etablieren und einspielen.

Der mündige Bauherr, Stichwort Besteller-Qualität: Kann BIM als Chance verstanden werden, den Bauherrn zu erziehen, gewisse Entscheidungen in einer frühen Phase zu treffen, um damit von der baubegleitenden Planung wegzukommen?

Ein neues Werkzeug wird nicht automatisch bestehende Probleme in den Arbeitsabläufen lösen, aber es kann ein Anlass sein, Schwachstellen neu zu denken und zu verbessern. Arbeitsabläufe sollten generell, unabhängig von der Einführung von BIM, immer wieder überdacht werden.

Was halten Sie davon, BIM als Planungsmethode in der Ausschreibung vorzuschreiben – ist das eventuell ein Weg, um die österreichische Planungslandschaft rascher auf BIM „umzustellen“?

Ich halte nichts von einer forcierten Umstellung. Ist ein Tool bzw. eine Arbeitsmethode gut, so setzt sich diese ganz von alleine durch. Kaum jemand zeichnet heute noch am Reißbrett, auch das Fax ist aus unserem Arbeitsalltag verschwunden. Ebenso musste die E-Mail-Nutzung nicht gesetzlich festgeschrieben und forciert werden. Ziel sollte immer, und das ist ein wesentlicher Punkt, der gerne aufgrund der Technikfaszination vergessen wird, die Qualität des Projekts und der gute Arbeitsablauf sein. Die Arbeitsmethode sollte dem jeweiligen Team überlassen werden.

BIM macht ja vor allem dann Sinn, wenn es von der Planung bis zur Bewirtschaftung einer Immobilie (Stichwort FM) durchgängig ist. Glauben Sie, dass in absehbarer Zukunft der digitale Zwilling bei der Übergabe eines Gebäudes Pflicht, nicht Kür sein wird, weil die Investoren darauf drängen?

Hier treffen meiner Meinung nach wieder einmal die drei Worte  „weniger ist mehr“ zu. Das Richtige zum richtigen Zeitpunkt ist wesentlich sinnvoller als zu vieles auf einmal, mit dem man noch nicht richtig umgehen kann. Die Programme der unterschiedlichen Berufssparten im Bausektor sind noch nicht so gut aufeinander abgestimmt, dass Datensätze intuitiv und vor allem praxistauglich zwischen allen Beteiligten ausgetauscht bzw. miteinander aufgebaut werden können. Vom Bauherrn über den Planer, den Ausführenden bis hin zum Facility Management gehen die Daten durch eine ganze Menge von Händen und Köpfen. Ich sehe hier die Lösung nicht in der durchgängigen und verlustfreien Datenkette (da es diese meiner Meinung nach noch nicht gibt), sondern in klar abgegrenzten Teilmodellen und der Definition des Nutzens, den man aus dem entsprechenden Teilmodell ziehen möchte. Zuerst muss BIM einen Mehrwert im eigenen Büro schaffen (Little-Closed-BIM), erst dann ist ein Mehrwert im Big-Open-BIM-Bereich möglich. Wenn Mehrleistungen einen Mehrwert haben und entsprechend abgegolten werden, so ist sicherlich ein digitaler Zwilling für Investoren nützlich. Es muss klar sein, dass „digitale Zwillinge“ nicht einfach so auf Knopfdruck aus einem Programm generiert werden. Genau wie es in der traditionellen Planung die unterschiedlichsten Pläne gibt (Einreich-, Verkaufs-, Bestands-, Bewährungs-, Abrechnungspläne etc.), auf die gleiche Weise müssen auch digitale Daten in ein Datenmodell erst eingepflegt werden. Das ist immer noch Kopfarbeit. Zum bautechnischen Wissen kommt nun eine ganze Menge an programmtechnischem Wissen hinzu.

Sind die Bauherren (als Auftraggeber) bereit, für diesen Mehrwert zu zahlen?

Wenn alle Beteiligten von einer neuen Arbeitsmethode profitieren, wird sich BIM ganz von alleine durchsetzen. Wenn nur einige wenige oder gar nur der letzte in der Kette davon profitiert, die anderen aber die Entwicklungskosten und die Kosten von etwaigen Fehlschlägen, die das Prototypstadium zwangsläufig mit sich bringt, tragen sollen, so bezweifle ich, dass sich eine neue Arbeitsmethode „von oben“ verordnet erfolgreich etablieren wird. Ein innovativer Prozess ­sollte gemeinschaftlich getragen werden, das betrifft auch die wirtschaftliche Last der Entwicklung.