CEO Strauss Porr
Karl-Heinz Strauss (Porr AG): Setzen auf eigene Fachleute und bilden die Spezialisten von morgen selbst aus.
© Pletterbauer

Fachkräfte gesucht

Der Fachkräftemangel trifft Österreichs Bauwirtschaft in nahezu allen Disziplinen – von der Planung bis zur Ausführung. Eigeninitiativen wirken, der Staat zieht mit Impulsen nach. Im neuen Regierungsprogramm wird deutlich, dass die Brisanz erkannt wird, als erster Schritt soll die Lehre aufgewertet werden.

Die neue Bundesregierung will alles tun, „damit ein gutes Leben für alle in unserem Land erhalten bleibt und von Herausforderungen wie der fortschreitenden Digitalisierung und Klimakrise nicht gefährdet wird.“ – so steht es zumindest im Regierungsprogramm. Geplant ist ein breiter gesellschaftlichen Dialog unter Einbindung aller relevanten Stakeholder (Sozialpartner, Zivilgesellschaft etc.) über die Zukunft der Arbeit und dabei vor allem der Aspekte Digitalisierung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeits- und Lebensqualität.

Das Thema Fachkräfte wird sogar explizit erwähnt: … verstärkter Einsatz in den Bereichen Bildung, Weiterbildung, nachhaltige Qualifikation und berufliche Umorientierung sollen sicherstellen, dass auch in Zukunft ausreichend gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Branchen und Betriebe, bei denen die Digitalisierung oder die Klimakrise eine besondere Rolle spielt, sollen aktiv dabei unterstützt werden. Diese Ansätze betrifft die planende wie auch die ausführende Bauwirtschaft zu gleichen Teilen.

Georg Bursik, Geschäftsführer der Baumit GmbH, sieht positive Impulse im neuen Regierungsprogramm: „Zumindest wurde dem Thema ein eigenes Kapitel ,Fachkräfteoffensive für Österreichs Unternehmen umsetzen´ gewidmet. Ende Jänner wurde dazu auch medienwirksam die PR-Trommel gerührt – gemeinsam mit der WKO. Wir sind schon vor 12 Jahren in Wopfing eigeninitiativ geworden und haben unser Lehrlingsprogramm auf neue Beine gestellt, um geeignete Fachkräfte im Betrieb aufzubauen. Der Erfolg gibt uns recht.“

Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr, bestätigt zwei zentrale Herausforderungen – Digitalisierung und Fachkräftemangel: „Bei beiden Belangen ist es wichtig, Pioniergeist zu zeigen und die notwendigen Schritte und Maßnahmen zu setzen, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden. Technische Innovationen und neue Methoden verändern die gesamte Wertschöpfungskette Bau. Wer heute mutig auf den Einsatz neuer Technologien setzt, gestaltet maßgeblich die Zukunft der Branche mit.“

Der Fachkräftemangel ist Europathema, auch die Planerzunft sieht sich mit dem Problem des Nachwuchses konfrontiert, allerorten fehlt es an Bauingenieuren, Vermessungsingenieuren, Gebäudetechnikern und Architekten. „In diesen Berufskategorien sind insbesondere Themen wie Digitalisierung, Energiewende oder Elektromobilität Treiber der hohen Nachfrage nach Ingenieuren“, warnt auch das Institut der deutschen Wirtschaft.

Die Porr hat Thema selbst in Angriff genommen, der Baukonzern gründete den Porr-Campus, setzt somit auf die eigenen Fachleute und bildet die Spezialisten von morgen selbst aus wie Strauss erläutert: „Bauen ist und bleibt ein People Business. Arbeitsabläufe werden immer komplexer und die interdisziplinäre Zusammenarbeit rückt in den Vordergrund. Um die daraus resultierenden Potenziale und Marktvorteile konsequent zu nutzen und folglich die Produktivität zu steigern, wird hoch qualifiziertes und motiviertes Personal benötigt. Mit unserem Campus wurde die Aus- und Weiterbildung von Lehrlingen und gewerblichen Personal auf ein neues Level gehoben.“

Mangelberuf Maurer

Die Zahlen zu dem tatsächlichen Bedarf an Fachkräften divergieren. Auf der Liste der sogenannten Mangelberufe finden sich Mauerer, Betonbauer Bauwesen-Techniker ebenso wie Dachdecker, Bautischler, Pflasterer und Tiefbauer. 75 Prozent der österreichischen Unternehmen litten laut WKO 2019 unter dem Fachkräftemangel – 60 Prozent geben an, deshalb bereits Umsatz einzubüßen. Der Fachkräftebedarf wird insgesamt auf rund 207.000 Personen geschätzt. Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft geht in einer Studie aus dem Jahr 2018 von einem zusätzlichen Fachkräftebedarf von rund 162.000 Personen aus. Laut einer Studie von Manpower hält die Gruppe der Maurer, Tischler, Schweißer und diverse Facharbeiter nach wie vor den Platz eins in der Liste der am schwierigsten zu besetzenden Jobs.

Als zielführende Maßnahmen, dem Fachkräftemangel wirksam entgegenzutreten, werden einerseits die verstärkte Aus- und Weiterbildung, insbesondere im Bereich der Lehrlingsausbildung, genannt, als auch das bestehende österreichische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen und beispielsweise Frauen speziell in technischen Berufen verstärkt auszubilden oder eben ältere Beschäftigte länger im Arbeitsprozess zu halten.

Die Bauwirtschaft boomt, die Produktionswerte sind im Hochbau gestiegen. Der Arbeitsmarktservice rechnet für den Baubereich bis 2022 mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen und somit mit einer Entspannung in puncto Fachkräfte. Der akute Bedarf an Wohnraum ist ein Grund für den Bauboom wie auch die großvolumigen Tiefbauprojekte wie der U-Bahn-Bau und Großprojekte im Straßenbau.

Thomas Birtel, Vorsitzender des Vorstandes der Strabag, bestätigt den Bauboom und beschreibt zugleich die aktuell außergewöhnliche Situation: „Unsere Bauleistung ist auf Rekordniveau und auch unser Auftragsbestand ist auf einem sehr hohen Level – und das in beinahe all unseren Märkten. Gleichzeitig haben wir begrenzte Ressourcen, um das alles abzuarbeiten, wobei unsere wichtigste Ressource die Menschen sind. Es ist uns zwar gelungen, den Mitarbeiterstand aufzustocken, aber durchschnittlich sind weiterhin mehr als 2.000 Stellen im Konzern ausgeschrieben. Wir suchen nicht nur aktiv nach Fachkräften, z. B. auf unserem Facebook-Kanal, der der erfolgreichste Auftritt in der österreichischen Baubranche ist, sondern wir bilden sie vor allem selbst aus. Ein klares Zeichen setzen wir mit der neuen Konzernlehrwerkstatt in Ybbs, wo wir die bisher auf zwei Standorte aufgeteilte Lehrlingsausbildung zusammenführen und auch neu aufstellen. 250 Lehrlinge werden dort künftig pro Jahr ausgebildet. In Deutschland bilden wir bereits seit 2012 in unserer Konzernlehrwerkstatt in Bebra jedes Jahr 300 Azubis aus, davon knapp 50 Geflüchtete, die im Rahmen des Projekts ´Berufsstart Bau´ der SOKA-Bau in gewerblichen Bauberufen Fuß fassen wollen.“

Duales Erfolgsmodell

Ende 2019 präsentierte die Industriellenvereinigung, IV, eine Studie, die den akuten Fachkräftemangel bestätigte. Das International Center for Migration Policy Development, ICMPD, erstellte die Studie im Auftrag der IV, Fazit daraus ist, dass die Bevölkerungsentwicklung in Österreich bis zum Jahr 2050 qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung sowie die Erhöhung der Teilnahme am Arbeitsmarkt notwendig für den Wirtschaftsstandort ist. Die Austrian Business Agency, Aba, unterstützt seit Ende 2019 österreichische Unternehmen bei der Fachkräftesuche. Die bis dato auf Standortsuche für Unternehmen spezialisierte Agentur wurde weiterentwickelt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Wiens Wirtschaftsrat Peter Hanke, präsentierte vor wenigen Tagen die Fachkräfte-Initiative der Hauptstadt. Wien investiert 77,4 Millionen Euro, um Jobsuchenden neue Chancen zu ermöglichen und die Wirtschaft mit den dringend benötigten Fachkräfte versorgen zu können. „Die Wirtschaft bekommt die Fachkräfte, die sie braucht. Rund 34.000 Menschen werden davon insgesamt in diesem Jahr profitieren“, erläutert Hanke. Er hat auch einen Tipp für die Bundesregierung mit dabei: „In Wien verknüpfen wir erfolgreiche Wirtschafts- und Standortförderung mit einer Arbeitsmarktpolitik, die den Menschen Chancen gibt und ihr berufliches Weiterkommen fördert. Mit seiner Fachkräfteinitiative sorgt der Wiener Arbeitnehmer-Förderungsfond, waff, dafür, dass die Wiener die Beschäftigungschancen auch wahrnehmen können. Wien zeigt also vor, wie es gehen kann. Die Initiative könnten auch für eine erfolgreiche bundesweite Arbeitsmarktpolitik ein Vorbild sein.“

Bundesweit erfolgreich ist das duale Lehrmodell. Ausbildungsformen wie zum Beispiel „Lehre mit Matura“, kombinieren Theorie und Praxis ideal miteinander, ist Bursik überzeugt: „So sind unsere Lehrlinge bestens und breitgefächert ausgebildet und haben die Möglichkeit, sich in den unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen weiterzuentwickeln.“ Die in Österreich noch nicht so etablierte Variante „Lehre mit Studium“ will Baumit zukünftig in der Lehrlingsausbildung anbieten, „da wir hierbei viel Potential für besonders taffe Mitarbeiter sehen“.

Die duale Ausbildung Österreichs Lehrlinge genießt einen guten Ruf, dennoch soll der Stellenwert weiter erhöht werden. Unter anderem soll die Lehre als zweiter Bildungsweg unterstützt werden, die Lehre nach der Matura, als auch die Förderung von Mädchen in technischen Berufen. „Die duale Ausbildung in Österreich ist ein Erfolgsmodell, allerdings hängt dieser Erfolg sehr stark an der Qualität der Pflichtschulausbildung. Gute Kenntnisse in den Grundfächern, aber auch vermehrt in technischen und digitalen Bereichen sind Basis für eine Ausbildung bei Strabag“, so Thomas Birtel.

Attraktivität steigern

Über die Ursachen des Fachkräftemangels gibt es unterschiedliche Erklärungen, Fakt ist, dass die europäische Gesellschaft altert und sich dadurch das Angebot an Arbeitskräften automatisch reduziert. Eine andere Seite, die vor allem die Bauwirtschaft betrifft, ist die Attraktivität der Berufe. Gerade der Bau – trotz der Bemühungen der Bauwirtschaft und Lehrlingsausbildner – gilt immer noch als „anstrengender“ Beruf, der bei Wind und Wetter ausgeübt werden muss. Weitere Gründe sind die fehlende Mobilitätsbereitschaft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch unklare Karrieremöglichkeiten.

Auch hierzu gibt es im Regierungsprogramm Ansätze für Verbesserungen, die vor allem auch den Stellenwert der Lehre betreffen, um Lehrberufe insgesamt attraktiver zu machen. So soll es einen Meistertitel geben so wie ein Bachelor, als auch ein Lehrlingsgehalt – anstelle der Lehrlingsentschädigung. Wenn es hierbei auch nur um Begriffe geht, werden diese sprachlichen Updates mit Sicherheit zu einem besseren Image verhelfen. Zudem soll es weitere Förderungen für Unternehmen geben, die Lehrlinge ausbilden. Die Aufwertung der Lehre sieht auch die seit über zwei Jahren tätige unabhängige und branchenübergreifende Initiative z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich als wichtigste Maßnahme gegen den Fachkräftemangel.

Obwohl die Lehrlingszahlen in den vergangenen Jahren stark rückläufig waren, steigt die Anzahl der Lehrlinge nun wieder leicht an. „Im neuen Regierungsprogramm spricht sich auch die Politik für eine massive Aufwertung der Lehre aus. Das sind erfreuliche Nachrichten und wir fühlen uns in unseren Forderungen bestätigt – dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel“, betont Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich und z.l.ö.-Präsident.

Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer bestätigt: „Bereits heute spüren knapp zwei Drittel der österreichischen Unternehmen den Fachkräftemangel ‚sehr stark‘ oder ‚stark‘. 61,1 Prozent hatten im letzten Jahr Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern mit einem Lehrabschluss. Und das obwohl die vorliegende Analyse zeigt, dass die Lebenseinkommen von Lehrberufen im Vergleich zu einigen akademischen Berufen gleich hoch oder sogar höher ausfallen. So weist beispielsweise der Lehrberuf Systemtechniker mit 1,88 Mio. Euro ein höheres Lebenseinkommen auf als der Beruf des Psychologen mit Universitätsausbildung (1,66 Mio. Euro).

Das aktuelle Regierungsprogramm fordert daher eine Stärkung der Lehre, um die Chancen und Möglichkeiten, die diese berufliche Bildung bietet, in den Vordergrund zu rücken. Dies begrüßt auch Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk: „Handwerk und Gewerbe sind Lehrlingsausbildner Nummer eins in Österreich. Die Bundesregierung ist hier auf dem richtigen Weg.“

Qualität vor Quantität

Bildungsexperten sehen im Fachkräftemangel u. a. wiederum eine Ursache darin, dass die Jugendlichen oft nicht wissen, was sie arbeiten wollen und sich unbedacht für eine Sparte entscheiden. Häufige Berufswechsel sind die Folge. Bursik hat dazu konkrete Wünsche an die Regierung: „Generell müssen Lehrberufe und Fachkräfte vom Image her eine Aufwertung erfahren, schlicht und einfach attraktiver werden. Das bezieht sich nicht nur auf den Image-Stellenwert in der Gesellschaft, sondern auch auf das Einkommen. Konkret könnte schon viel bewegt werden, indem die Lohnnebenkosten gesenkt werden.“

Auch Baumit nimmt das Fachkräfte-Thema längst selbst in die Hand. Seit 12 Jahren bildet das Baustoffunternehmen Lehrlinge in ihrer Lehrwerkstätte nach einem eigens ausgearbeiteten Konzept aus und mehr als 80 Prozent sind noch immer im Unternehmen, einige davon in Führungspositionen. „Mitarbeiter im eigenen Betrieb auszubilden, ist für uns ein klarer Wettbewerbsvorteil und Teil der HR-Strategie. Deshalb freuen wir uns, wenn Lehrlinge nach ihrer Ausbildung im Unternehmen bleiben und ihre Karriere bei uns fortsetzen. Unser Motto in der Ausbildung und im Job lautet ‘Qualität vor Quantität‘. Bei uns haben Lehrlinge höchsten Stellenwert und nach Abschluss der Ausbildung gute Chancen in unserem Unternehmen eine erfolgreiche Berufslaufbahn zu starten“, erklärt Bursik.

Strauss denkt aufgrund der veränderten Bedingungen an branchenweite Gesamtlösungen: „Wirtschaft und Politik müssen teilweise altbewährte Verhaltensmuster und Verfahrensweisen im Schulterschluss neu überdenken. Das Etablieren einheitlicher Standards, moderner Abläufe bei Teil- sowie Generalunternehmer-Ausschreibungen und -Vergaben oder flexible Arbeitszeitmodelle sind dabei Schritte, um der Bauwirtschaft nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und Ertragskraft zu sichern.“ Dies wäre letztlich auch ein Weg, den Wert der Arbeit langfristig zu steigern und die Wirtschaft Österreichs auf ihrem Erfolgskurs zu stärken.