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UVP: Was wird die Novelle tatsächlich bringen?

Große Baustellen sind immer ein Eingriff in die Natur. Am Ende des Tages haben daher die Höchstgerichte abzuwägen, ob das öffentliche Interesse an diesen Infrastrukturprojekten oder Naturschutzinteressen überwiegen. Ob man, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, Gutachten mit tausenden Seiten benötigt ist zu hinterfragen. Das Ziel der UVP-Novelle wäre, mehr Augenmaß bei der Auswahl zu begutachtender Fragen walten zu lassen.

Ein Jubelschrei zieht durch  das Land, von Umweltdachorganisationen über die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler, dem  Wirtschaftsbund bis zur WKÖ und der Industriellenvereinigung, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Grund ist die Ankündigung einer bevorstehenden Novelle zum UVP-Gesetz, die die Verkürzung der Verfahrensdauer zum Ziel hat.

Diese Ankündigung überrascht nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass das UVP-Verfahren  für die 380 KV-Leitung in  der Steiermark fast sieben Jahre gedauert hat, die 380 KV-Leitung  in Salzburg acht Jahre  und das Speicherkraftwerk Kühtei elf Jahre. „Politik und Verwaltung stehen sich oft selbst im Weg“, kritisiert Barbara Schmidt, Generalsekretärin der Interessensvertretung der österreichischen E-Wirtschaft.  Man kann es auch klassisch formulieren: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“. Als vor über 20 Jahren das UVP-Gesetz beschlossen wurde, haben viele laut applaudiert. Nach den bisherigen Erfahrungen darf man aber die Frage stellen, ob nicht übers Ziel geschossen wurde.

Im Grunde genommen ist es sehr einfach. Eine 380 KV-Leitung, ein Speicherkraftwerk, ein Windpark oder eine Flughafenpiste sind immer ein massiver Eingriff in die Natur. Es verwundert daher nicht, dass von den Naturschutz-  und Forstbehörden negative Stellungnahmen im Zuge eines UVP-Verfahrens abgegeben werden. Am Ende des Tages haben die Höchstgerichte abzuwägen, ob das  öffentliche Interesse an großen Infrastrukturprojekten oder Naturschutzinteressen überwiegen. Ob man, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, Gutachten mit tausenden Seiten benötigt ist zu hinterfragen.

Dass Windparks die Landschaft verschandeln und 380 KV-Leitungen ohne die Rodung von Waldflächen nicht möglich sind, bedarf keines Gutachtens. Bei der Erweiterung des Flughafens Schwechat um eine dritte Piste mussten vom Projektwerber aufgrund der behördlichen Vorgaben für die Einreichunterlagen über 20.000 Seiten Papier in 37-facher Ausfertigung produziert werden. Dass die Politik Verfahrensabläufe geschaffen hat, die die Beiziehung  zahlloser Gutachter notwendig macht, ist verständlich, weil es viel einfacher ist,  sich hinter Fachleuten und Pseudofachleuten zu verstecken, als selbst Entscheidungen zu treffen. Es ist natürlich ganz etwas anderes, wenn ein berühmter Universitätsprofessor sagt, dass  Stromleitungen notwendig sind, als ein Politiker.

Es macht einen daher etwas ratlos, wenn man liest, dass im Zuge der Novelle eine Aufstockung des Sachverständigen-Pools als Abhilfe für die lange Verfahrensdauer geplant ist. Das wird schon notwendig sein, weil die Behörden ganz ohne Sachverständige freilich nicht auskommen werden und anscheinend tatsächlich ein akuter Mangel besteht. Augenmaß bei der Auswahl zu begutachtender Fragen wäre das Ziel. Die Behörde muss nicht unbedingt einen Sachverständigen fragen, ob sich eine Trappe durch einen Windpark gestört fühlt. Das scheint auch den Bau einer Orgie von Windrädern in der Parndorfer Heide nicht gehindert zu haben.

Das UVP-Gesetz sieht vor, dass jedermann dazu berechtigt ist, während der öffentlichen Auflage eine Stellungnahme an die zuständige Behörde abzugeben. Dies hat etwa bei der 380 KV „Steiermarkleitung“ zu einem überbordenden Aufwand geführt. Während der sechswöchigen Auflage sind 1.402 Stellungnahmen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung eingetroffen. Jedermann bei hochkomplexen Themen mitreden zu lassen, ist völliger Unfug und falsch verstandene Demokratie. Welchen Mehrwert für ein Verfahren hat es, wenn die Mitzi-Tante in ihrer Stellungahme schreibt, dass die Leitung „schirch“ ist?

Was so eine „Stellungnahme“ im Ergebnis wert ist, kann im 8. UVP-Bericht des Klimaministeriums nachgelesen werden: 80 Prozent der UVP-Anträge wurde seit dem Jahr 2020 genehmigt. Die Stellungnahme der Mitzi-Tante dürfte die Behörden und Höchstgerichte nicht sehr beeindruckt haben.

Nach der Aarhus-Konvention, der auch die EU beigetreten ist, haben die Vertragsstaaten „für angemessene Anerkennung und Unterstützung“ von Umweltorganisationen zu sorgen. Derzeit sind in Österreich ca. 60 NGOS zugelassen, die ein Anfechtungsrecht  bei UVP-Verfahren haben.  Das sollte wohl für einen breiteren Zugang der Öffentlichkeit bei Großprojekten reichen. Dabei will ich mir ohnehin die Frage verkneifen, warum ein Verein mit einigen hundert Mitgliedern besser zur Vertretung der „Öffentlichkeit“ legitimiert sein soll als Politiker, die sich regelmäßig einer Wahl stellen müssen. Eine Eindämmung des Rechtes auf Stellungnahmen durch „Jedermann“ erscheint daher bei einer UVP-Novelle unumgänglich.

Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung berichtet, dass es im Zuge der mündlichen Verhandlung bei der Steiermarkleitung zu 190 Stellungnahmen gekommen ist. Diese Einwendungen befassten sich unter anderem mit Zweifeln am Bedarf, mit Projektalternativen, Auswirkungen auf das Landschaftsbild und der Wertminderung von Grundstücken. Damit schließt sich der Kreis. Bei allen großen Infrastrukturprojekten stellt sich die Frage, ob das öffentliche Interesse überwiegt. Den politisch Verantwortlichen kommt die schwierige Aufgabe zu abzuwägen, ob sie das Florianiprinzip unterstützen wollen oder übergeordnete Interessen. Ganz exemplarisch steht hier das Beispiel Lobautunnel. Dass ein UVP-genehmigtes Projekt mit einem einzigen Federstrich beseitigt werden kann, zeigt, wie schwer sich die Politik mit der Interessensabwägung tut. Dann darf man aber die Frage stellen, wozu man UVP-Verfahren überhaupt beschleunigen möchte.