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Bauverfahren dauern zu lange

Grundsätzlich sollten drei Monate reichen, um ein zuvor besprochenes Verfahren zu beurteilen. Die Ziviltechniker:innen rechnen mit drei Monaten Abklärung mit der Behörde und drei Monaten Beurteilung. Die Kammer der Ziviltechniker:innen Wien, Niederösterreich, Burgenland hat in einer Umfrage erhoben, dass die Genehmigungsphase in Wien deutlich über 11 Monate hinaus geht und damit jährlich 400 Wohnungen verloren gehen.

Die Kammer der Ziviltechniker:innen hat bereits im Jahr 2023 eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durchgeführt, da es vermehrt zu Beschwerden über lange Bauverfahren im Bereich der Länderkammer Wien, Niederösterreich und Burgenland kam – insbesondere in Wien. Damals konnten in Wien immerhin noch 33 % der Projekte innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden. Zum Vergleich: In Niederösterreich waren es 78 % und im Burgenland sogar 89 %.

Nach konstruktiven Gesprächen mit der Stadt Wien und glaubwürdigen Bemühungen, die Situation zu verbessern – was zunächst zu einem Rückgang der Beschwerden führte – nahmen die Beschwerden im Jahr 2024 jedoch wieder zu. Daher wurde im Jahr 2025 erneut eine Umfrage mit denselben Fragen durchgeführt. Die Ergebnisse fielen dramatisch aus: In nahezu allen Bereichen und in allen drei Bundesländern verschlechterte sich die Lage. In Wien konnten nur noch 29 % der Projekte innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden, in Niederösterreich waren es 65 % und im Burgenland 76 %. Besonders alarmierend ist, dass in Wien 33 % der Projekte eine Verfahrensdauer von über einem Jahr aufwiesen. Zum Vergleich: In Niederösterreich waren es lediglich 7 %, im Burgenland sogar nur 6 %.

Bei der Umfrage wurde keine exakte Verfahrensdauer erhoben. Bei der gegenwärtigen Komplexität der Baugesetze und -normen ist es nicht ungewöhnlich, dass Unterlagen nicht vollständig sind oder als nicht vollständig erachtet werden. Es kann daher auch durch Nachforderungen zu gerechtfertigten Verzögerungen kommen. Immerhin gaben die teilnehmenden Kolleg:innen durchaus zu, dass Ergänzungen erforderlich und gerechtfertigt waren, und zwar bis zu 40 % in Wien. Ebenfalls in Wien geben allerdings 20 % der Kolleg:innen in fast allen Planungsfeldern an, dass aus ihrer Sicht der Irrtum bei der Behörde lag. Ein Wert, der in Niederösterreich und im Burgenland besser ausfällt, was aber eventuell mit einer geringeren Prüfdichte und Komplexität der Projekte zu tun hat. Die Kammer kritisiert daher nicht pauschal, dass es projektweise zu längeren Dauern kommen kann, bezweifelt aber, dass immer „ohne unnötigen Aufschub“ vorgegangen wird. Auch ist zu kritisieren, dass 43 % der Architekt:innen in Wien „sehr oft“ mit Aufforderungen zur Nachbesserung konfrontiert sind, die sie als „rein formale Mängel“ betrachten, die aus ihrer Sicht für die Bewilligungsfähigkeit nicht relevant sind.

Warum sind überlange Bauverfahren ein Problem?

Grundsätzlich sollten 3 Monate reichen, um ein zuvor besprochenes Verfahren zu beurteilen. Wir rechnen mit 3 Monaten Abklärung mit der Behörde und 3 Monaten Beurteilung. Die Kammer geht davon aus, dass die Vorgespräche in den Daten nicht erfasst sind und dass jene Projekte, die länger als 12 Monate dauern, teilweise deutlich länger dauern – das zeigt ja auch die steigende Tendenz der Umfrage. Die Genehmigungsphase geht also deutlich über 11 Monate hinaus. Wenn ein Verfahren im Schnitt 12 statt 6 Monate dauert, dann führt das zu folgenden Problemen:

  • Gesellschaftliche Probleme durch fehlgeleiteten Einsatz der Mittel. Für die Berechnung des Aufwands, der durch „überlange“ Verfahren zustande kommt, wurden die Zinsen der Finanzierung des Projekts bis zur Einreichung berechnet. Diese Zinsberechnung ist auch für Bauauftraggeber relevant, die über genug Eigenmittel verfügen. Die Herstellungskosten für Wohngebäude mit normaler Ausstattung wurden in Wien für 2024 mit 3.300 € pro m² Wohnnutzfläche angegeben (www.gerichts-sv.at/herstellungskosten). Diese umfassen noch nicht die Grundstückskosten, die in Wien noch einmal mit sehr vorsichtigen 1.000 € pro m² Wohnnutzfläche zu veranschlagen sind.

    Die Kammer geht davon aus, dass eine verantwortungsvolle Bauwerberin bei Einreichung des Projekts die Finanzierung gesichert hat und daher Zinsen anfallen. Das Eigenkapital wird mit 20 % angenommen. Laut OeNB werden Wohnbaukredite derzeit für ca. 3,5 % vergeben (www.oenb.at/Statistik/Charts/Chart-4.html). Bezogen auf die Gesamterrichtungskosten pro m² Wohnnutzfläche sind das 2,8 %. Die durchschnittlichen Mietkosten für Neubauten in Wien werden im freifinanzierten Bereich mitunter vermutlich zwischen 18 und 37 € pro m² Wohnnutzfläche angegeben (www.immopreise.at/Wien/Wohnung/Miete).

    Die Kammer geht von einem vorsichtigen Wert von 12 € pro m² aus. Das ergibt im Jahr 144 € pro m² – das sind weitere 3,3 % der Gesamterrichtungskosten, die auf der Einnahmenseite verloren gehen, also im Jahr 6,1 %. Bei dieser Rechnung sind Aufwendungen der Bauträgerin nicht berücksichtigt! Dauern Verfahren 6 Monate länger, so hat die Bauwerberin ca. 3 % Finanzierungskosten zu tragen. Diese Kosten sind nicht produktiv und gehen für die Wohnraumschaffung verloren. 2023 wurden 15.894 Wohnungen fertiggestellt (www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/wohnen/baufertigstellungen). 15.894 Wohnungen × 3 % = 489 Wohnungen. Jetzt sind nicht alle Projekte, die lange dauern, gleich groß, und vielleicht werden größere Projekte schneller abgewickelt. Die Größenordnung wird aber stimmen. 400 Wohnungen – das ist der Gegenwert, der durch überlange Verfahrensdauern jedes Jahr verloren geht. Letztlich werden diese Kosten wohl zu den Mieten oder den Kaufpreisen aufgeschlagen. Dabei sind andere Kosten, wie z. B. Mietentgang, Leistungen der zt: Kolleg:innen etc. sowie der Verwaltung, noch gar nicht berücksichtigt. Diese Wohnungen fehlen auf dem Wohnungsmarkt, auch wenn sie nicht in die Kategorie geförderter Wohnbau fallen sollten, denn durch das Fehlen erhöht sich der Druck auf den Wohnungsmarkt und es steigen die Miet-, Kauf- und Grundstückspreise weiter.
     
  • Wirtschaftliche Probleme aufseiten der Planer:innen und Bauwerber:innen. Die meisten Honorarvereinbarungen werden in Österreich in Form von an die Bauwerkskosten gebundenen Honorarsätzen vereinbart, z. B. anhand der von der TU Graz herausgegebenen Leistungs- und Vergütungsmodelle (LM.VM) oder auch anhand der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Diese Leistungs- und Vergütungsmodelle sind aber keineswegs auf diese Art von überlangen Prozessen ausgelegt.

    Es ist wirtschaftlich für die Kolleg:innen kaum zu verkraften, wenn eine Projektphase doppelt so lange dauert wie vorgesehen, das Honorar aber gleich bleibt. Da diese Zeit aber keineswegs produktiv ist, sondern zu einem guten Teil mit dem Beseitigen von Missverständnissen oder Formalfehlern zugebracht wird, ist auch die Auftraggeberseite schwer für eine Erhöhung des Honorars zu gewinnen. Durch lange Verfahrensdauern verringern sich die ohnehin schon knapp bemessenen Honorare der Kolleg:innen.

Was Wien bei Bauverfahren richtig macht

Es ist der Kammer ein Anliegen klarzustellen, dass man bereits nach der ersten Umfrage in einen sehr konstruktiven Dialog mit der Behörde treten konnte. Das ist nicht selbstverständlich. Die Umfrageergebnisse wurden auch sehr ernst genommen und es wurden Schritte unternommen, die zu deutlichen Verbesserungen geführt haben, die sich in den vorliegenden Umfrageergebnissen nicht abbilden. Viele fast stillstehende Projekte konnten durch eine einfache Änderung des Verwaltungsablaufs abgeschlossen werden, und die Bauphysik, die damals ein Nadelöhr war, wurde personell aufgestockt – das lässt sich übrigens auch aus den Umfrageergebnissen ablesen. Die Beschwerden nahmen anfangs rapide ab, haben sich aber danach wieder gehäuft. In der Umfrage nicht abgefragt wurde jene Genehmigungsphase, in der das örtliche Stadtbild beurteilt wird. Auch diese Prozesse waren sehr langwierig und für uns Planer:innen oft schwer nachzuvollziehen.

In einem beispielhaften Prozess, bei dem die Magistratsabteilungen 19, 21, 37, 64 und die Stadtbaudirektion gemeinsam mit der zt: Kammer in mehreren Workshops gemeinsam die Bedeutung des örtlichen Stadtbildes in der Bauordnung analysierten und ein gemeinsames Verständnis für die Ziele der Bauordnung entwickeln konnten, wurde ein Prüfschema entwickelt, von dem die Kammer eine deutliche Verkürzung der Genehmigungsphase und auch eine höhere Qualität der Projekte erwartet. Die Stadt Wien ist äußerst konstruktiv und dialogbereit und hat wiederholt gezeigt, dass sie bereit und fähig ist, Maßnahmen zur Verkürzung der Verfahrensdauern zu setzen.

Es braucht aber eine deutliche Priorisierung des Themas Verfahrensverkürzung bei den politisch Verantwortlichen. Diese Priorisierung wurde uns auch bereits zugesagt. Die zt: Kammer muss aber dafür Sorge tragen, dass die Dringlichkeit dieses Themas im Zuge der Regierungsbildung nicht in den Hintergrund gerät. Es braucht eine klare politische Selbstverpflichtung und -bindung im Regierungsprogramm, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Dauer der Verfahren deutlich zu verkürzen und die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit der Kammer umsetzen zu können. Das ist auch keine einseitige Aufgabe der Administration, die unsererseits jedes Vertrauen genießt. Auch die Planer:innen werden einen Beitrag dazu leisten müssen: durch die Mitarbeit an den Leitfäden oder sonstigen Hilfestellungen und durch die flächendeckende Informationsweitergabe an die Mitglieder der zt: Kammer und auch an Planer:innen außerhalb unseres Kammerbereichs.

Vorschläge der zt: Kammer:
Optimierungspotenzial im Bewilligungsprozess

>> Unterstützung der Prozesse durch Digitalisierung, z. B. durch

  • Digitalisierung des Akts und des Prozesses von Beginn an
  • Einbindung von WUKSEA
  • Versendung der Aktenzahl mit der Eingangsbestätigung, auch beim analogen Verfahren
  • Planung und Kommunizieren der Prozesskoordination und -struktur (Prüfung, Reihenfolge der Einholung der Gutachten der Fachgruppen und Amtssachverständigen, benötigte zusätzliche Beilagen, Gutachten oder Stellungnahmen, auch von indirekt beteiligten Magistratsabteilungen)
  • Versendung des Verfahrenscodes für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Akt auch durch die Bauwerber:innen
  • Protokollierung der Beratungsgespräche und der wesentlichen Kommunikation im digitalen Akt, um Abläufe, Kommunikation, Ablage und Weitergabe zu verbessern und Bauwerber:innen bzw. Planer:innen mehr Teilhabe/Mitarbeit am Prozess zu ermöglichen

>> Einfachen Zugang zu persönlichen Terminen und Projektbesprechungen als Verfahrensbestandteil (digital oder physisch) festigen, denn zielführende Vorbesprechungen führen zu zügig bearbeitbaren Verfahren

>> Kommunikationsform zwischen Planer:innen und Behörde aktualisieren: zeitgerechte Beantwortung von Mails oder per Telefonrückruf, mit klarer Fragestellung und beurteilbaren Grundlagen

>> „Rundum-Service“ als Koordinierungs- und Lösungsfindungsprozess verstehen, um auf effiziente Weise das Projektziel zu erreichen

>> Sensibilisierung und verpflichtende Zusammenarbeit der an den Verfahren beteiligten Magistratsabteilungen (z. B. MA 28, MA 42)

>> Weisungsdatenbank als interne und externe Hilfestellung und im Sinne der Baufreiheit verstehen (Funktionsfähigkeit und Vollständigkeit, Ergänzung der Bauordnung und ihrer Nebengesetze sowie der OIB-Richtlinien)

>> Gegenseitiges Vertrauen stärken

  • Förderung eines positives „Mindsets“ in der Baubehörde (Behörde als Dienstleisterin und unterstützende Instanz)
  • Verfahrenskoordinierungen im Sinne des „Ermöglichens“ und „Unterstützens“
  • Formale/inhaltliche Vollständigkeit – Augenmaß, sinnvolle Vorgangsweise etc. (keine Verfahrensverschleppung, kein taktisches Auffordern)
  • Stärkung der verfahrensleitenden Behörde (MA 37) in Richtung eines strategischen, entscheidungsbefugten und abwägungskompetenten Ermittlungsprozesses

>> „Belebung“ des § 70a, der als Entlastung der Behörde gedacht war. Derzeit herrscht hier Rechtsunsicherheit. Sowohl aufseiten der Bauwerber:innen als auch aufseiten der Behörde gibt es Vorbehalte, und zwar bei der Behörde in Bezug auf den Prüfumfang und die Prüftiefe bei kürzerer Frist und bei den Bauwerber:innen wegen mangelnder Absicherung (kein Bescheid) gegenüber Finanzdienstleister:innen und Kund:innen.

>> Prüfkultur (Fehlersuche oder Projektbeurteilung? Aufforderungen als Aufschub oder als Verbesserungsauftrag?)

>> Erstellung eines Leitfadens für die Inhalte von Einreichplänen (bzw. dessen Erneuerung)

Vorschläge der zt: Kammer:
Verbesserung der Rahmenbedingungen, um die Ziele der Stadt auf effiziente und qualitätsvolle Weise zu erreichen

>> Entlastung der Behörden

  • „Teil-70a“: Gutachten unabhängiger Dritter ersetzen die Prüfung durch die Stadt für Teilbereiche der Einreichung, z. B. die Bauphysik, ähnlich wie beim §70a-Verfahren

>> Verfahren an die Dekarbonisierungs- und Klimaschutz-Zeitschiene anpassen

  • Erleichterung und Förderung von den Bestand erhaltenden Maßnahmen, Umbau, Zubau, intensiverer Nutzung der vorhandenen Infrastruktur („Umbauordnung“), die Dauer der Verfahren ist für bestehende Gebäude noch belastender (Finanzierung des Grundanteils + bestehende Bausubstanz ab Phase null)
  • Verfahrenserleichterungen und -beschleunigung als Förderungsmaßnahme zur Klimawandelanpassung und zum Klimaschutz („Fastline“)
  • Ökologisierung der Bauordnung (neue Bestimmungen ersetzen bestehende Bestimmungen, Berücksichtigung von Kompensationsmöglichkeiten und Abwägungsprozesse sowie Förderung von Innovation)

>> Digitalisierung

  • Schaffung einer Bauordnung, die algorithmisch abgebildet werden kann, womit Verwaltungsabläufe unterstützend automatisiert werden können und Vorprüfungen bürointern stattfinden können

>> Entschlacken und Straffen

  • Vereinfachung und Straffung der Bestimmungen, Vermeiden von Redundanzen und Widersprüchlichkeiten

>> Interpretationsrahmen sollen Qualität und Kreativität zulassen und ermöglichen und nicht zur politischen Einflussmöglichkeit genutzt werden, siehe dazu die Klage von Dr. Heinrich Geuder im Vorwort zur 8. Auflage des Kommentars zum Wiener Baurecht (2022).

>> Bei Novellierungen:

  • Gesetze sollen und können auch nur steuern. In letzter Zeit werden die Symptome, aber nicht die Ursachen bekämpft – dann „poppt“ das nächste Symptom auf …
  • >> Keine Überlagerung von Verantwortungen durch Überstrapazieren der Bauordnung (leistbares Wohnen, Airbnb, heranrückende Wohnbebauung, technischer Klimaschutz …)
  • >> Übergeordnete Ziele aus STEP, Fachkonzepten, Regierungsprogrammen etc. in der gesetzlichen Umsetzung berücksichtigen

>> Zielkonflikte durch klare Entscheidungsstruktur und transparente Abwägungskompetenz im Bereich der Verwaltung bearbeiten

>> Evaluierung der „Werkzeuge“ Bauordnung und Bebauungsplan: Bebauungspläne und Bauordnung (Gebäudehöhe, Bauteile) lassen zeitgemäßes Bauen nicht zu – man muss zuerst „übersetzen“.