Corona Bau Versicherung
Den Versicherungsnehmer trifft rein nach der Gesetzeslage eine Meldepflicht der Gefahrerhöhung
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Corona: Versicherung von Bauprojekten prüfen

Einstellungen von Baustellen können eine Gefahrerhöhung darstellen und sind anzeigepflichtig. Auch bei Unterbrechungen sind gefahrmindernde Maßnahmen zu setzen.

Wenngleich der Baustellenbetrieb nach COVID-19 Gesetz und nachfolgender, im Verordnungswege erlassener Verkehrsbeschränkungen, nicht verboten ist wurden früh einige Fragen laut:

  • Wie können komplexe, oft internationale Lieferketten aufrecht erhalten werden
  • Wie werden Verkehrsbeschränkungen die Mobilität von Arbeitskräften, etwa bei Grenzübertritten, so weit behindern, dass ein geregelter Arbeitsablauf nicht mehr sichergestellt werden kann

Die anfangs vereinzelten Baustopps haben sich spätestens mit 18.03./19.03. zu einem landesweit relevanten Thema entwickelt, nachdem sich zahlreiche führende Baufirmen, darunter Strabag, Habau, Swietelsky, PORR und weitere, entschlossen haben, den Baustellenbetrieb zurückzufahren bzw. einzustellen. Es ist davon auszugehen, dass weitere folgen und sich diese Entwicklung auch unmittelbar auf Zulieferbetriebe auswirkt.

Dieser Schritt wird unter anderem damit gerechtfertigt, dass der vorgeschriebene Mindestabstand von einem Meter zwischen den Dienstnehmern und die Lieferkette von Materialien und Nachunternehmern nicht mehr ausreichend sichergestellt werden könne. Bemängelt wurde auch das Fehlen einer einheitlichen, klaren Regelung im Hinblick auf die Schließungen von Baustellen bzw. dass auch aufgrund dessen insbesondere öffentliche Auftraggeber vermehrt Baustellen von sich aus eingestellt hätten. Große Auftraggeber im Infrastrukturbereich wie etwa die ÖBB sehen nach derzeitiger Rechtslage jedes Projekt als gesondert zu betrachten an. Fragestellungen ergeben sich auch in Arbeitsgemeinschaften (ARGEN), wenn die Partnergesellschaften unterschiedliche Zugänge pflegen.

Neben rechtlichen Fragestellungen im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse der Projektbeteiligten (Fristverlängerungen, Aussetzung von Pönalen, Schadenersatzforderungen) sind auch die diesbezüglichen Versicherungsverträge betroffen.

Zu beachten sind hier jedenfalls gesetzliche Regelungen, als auch spezielle Formulierungen in den jeweiligen Versicherungspolizzen.

Im Hinblick auf das Versicherungsvertragsrecht wird das hauptsächliche Augenmerk auf Einhaltung von Obliegenheiten bzw. einer etwaigen Gefahrenerhöhung liegen.

Obliegenheiten und Gefahrerhöhung

Obliegenheiten sind keine erzwingbaren Verpflichtungen des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, sondern eine Voraussetzung für den Erhalt des Versicherungsschutzes. Für Leistungsfreiheit reicht bereits leichte Fahrlässigkeit, wobei dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis offensteht. Er kann also argumentieren, dass die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluss auf die Leistungspflicht des Versicherers hatte. Als Beispiel hierzu kann die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften in der Sachversicherung genannt werden.

Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn sich nach dem Vertragsabschluss wesentliche Umstände so ändern, dass der Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher beziehungsweise die Schadenhöhe größer wird. Die Vorschriften zur Gefahrenerhöhung gelten auch in der Haftpflichtversicherung (7 Ob 46/85). Obliegenheiten schreiben ein gewisses Verhalten vor, Gefahrerhöhung wirkt jedoch abstrakt. Während bei der Obliegenheit eine einmalige Verletzung relevanter ist, ist bei der Gefahrerhöhung überdies eine gewisse Dauer anzunehmen.

Den Versicherungsnehmer trifft rein nach der Gesetzeslage eine Meldepflicht der Gefahrerhöhung, wobei die konkrete Ausgestaltung auf Grundlage des jeweiligen Versicherungsvertrages festzustellen ist – siehe dazu unten.

Erfolgt diese Meldung nicht und stellt der Versicherer im Schadensfall die Gefahrerhöhung fest ist er leistungsfrei, soweit der Versicherungsnehmer die Verletzung der Meldepflicht verschuldet hat und die Gefahrerhöhung kausal entweder für den Eintritt des Versicherungsfalls oder für den Umfang der Versicherungsentschädigung war. Hier kann auch nur teilweise Leistungsfreiheit vorliegen. Das Wissen des Versicherungsnehmers ist hierbei gleich zu werten wie verschuldetes Nichtwissen.

Entsteht die Gefahrerhöhung durch allgemein bekannte Umstände, ist der Versicherungsnehmer zur Meldung nicht verpflichtet (§27 Abs 3 VersVG). Konkret genannt werden in den Gesetzesmaterialien hierzu Auswirkungen neuer schadenersatzrechtlicher Bestimmungen auf die Haftpflichtversicherung. Eben durch den Umstand, dass es aktuell keine landesweit wirklich einheitlichen Umstand zu allen Bauprojekten bzw. auch in der Sachversicherung allgemein kein homogen geänderter Umstand vorliegt, ist das Erfordernis des Absatz 3, dass sich die Gefahrerhöhung nicht nur auf Risiken bestimmter Versicherungsnehmer auswirkt, wohl nicht gegeben, wobei die Anwendbarkeit im konkreten Einzelfall zu prüfen sein wird.

Grundsätzlich ist nach einer mitgeteilten Gefahrerhöhung dreierlei möglich:

  • Der Versicherer lässt den Vertrag unverändert bestehen
  • Der Versicherer verlang für ein etwaig höheres Risiko eine höhere Prämie
  • Der Versicherer kündigt den Vertrag

Relevant ist hier also jedenfalls, inwiefern sich die Qualität des Risikos ändert bzw. ggf. auch positive Seiten zu berücksichtigen sind. So sind nicht im Betrieb befindliche Geräte und Maschinen einem geringeren Betriebsrisiko ausgesetzt, mögen aber je nach Art und Örtlichkeit der Lagerung anderen Gefahren wie etwa Brand verstärkt ausgesetzt sein.

Der Versicherungswirtschaft wird auch hier die Verantwortung zukommen, die ohnehin gesamtwirtschaftliche Beeinträchtigung nicht weiter zu verschärfen sondern, im Zusammenwirken mit den Versicherungsnehmern, durch Anwendung entsprechend möglicher und sinnvoller Maßnahmen zumindest eine unveränderte Fortführung der Versicherungsverträge sicherzustellen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen und Versicherungsverträge

Die in Österreich überwiegend zur Anwendung gelangenden Versicherungsbedingungen führen als Obliegenheiten explizit an, dass insbesondere Änderungen des Bauzeitplanes sowie eine Unterbrechung der Bauarbeiten unverzüglich schriftlich anzuzeigen sind.

Bestimmungen in den Versicherungsverträgen können diese sehr weitgehenden Bestimmungen ergänzen oder ersetzen. So sind oftmals Unterbrechungen von mehreren Monaten bereits mitversichert. Dabei sind die Formulierungen im Einzelfall zu prüfen, da manche Vertragstexte eine Meldung an den Versicherer gleichwohl, oder aber auch erst nach einer mehrmonatigen Frist, erforderlich machen.

Verzögerungen und Gefahrtragung

Mittels Versicherungsverträgen werden Versicherte, konkret etwa ihr versichertes Interesse an einer Sache oder Bauleistung, geschützt. Wen eine konkrete Gefahr im Rahmen der Leistungserbringung trifft bzw. durch wen sie zu tragen ist, ergibt sich aus Gesetz und Vertrag.

So informiert hierzu etwa die WKO Bundesinnung Bau und Fachverband der Bauindustrie im Rundschreiben 05 vom 13.03.2020. Zu unterscheiden ist, ob es ein Vertragsverhältnis rein auf allgemeingesetzlicher Basis ist (§ 1168) oder etwa die ÖNORM B2110 vereinbart.

Nach ABGB fallen unabwendbare Ereignisse als höhere Gewalt in die neutrale Sphäre, die wiederum dem Auftragnehmer zuzurechnen ist. Dies unter der Voraussetzung, dass der Auftraggeber oder seine Vertreter ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen. Spätestens seit die WHO die Verbreitung des Coronavirus zur Pandemie ausgerufen hat ist davon auszugehen, dass die vorherrschende Definition von höherer Gewalt erfüllt ist.

Die ÖNORM B2110, sofern vertraglich vereinbart, ordnet Ereignisse dem Auftraggeber zu, wenn sie entweder die vertragsgemäße Ausführung der Leistung unmöglich machen oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind.

Die konkrete Anwendung ist wiederum eine Frage des Einzelfalles. Der Link zu einem Dokument einer Rechtsanwaltskanzlei anbei gibt hierzu strukturiert Auskunft und unterscheidet auch die aktuell wichtigen Fälle von Ausfällen auf Auftragnehmerseite bzw. Subunternehmerseite infolge von Personalausfall aus Angst vor Infektion, Zurückweisung an Grenze, Quarantäne und weitere mehr.

Weitere Maßnahmen

Unabhängig von der Klärung dieser spezifischen Fragestellungen ist die Sicherstellung des Versicherungsschutzes geboten. Entfällt der Versicherungsschutz wird eine durch umfangreiche Mehrkostenforderungen bereits fordernde Situation durch einen unversicherten Schaden weiter verschärft.

Das bedeutet konkret:

  • Rechtzeitig Verlängerungen beantragen und ggf. auf Rückfragen seitens des Versicherers vorbereitet sein
  • Wertmeldungen und –grenzen in Versicherungspolizzen prüfen. Sind angesetzte Werte bei regulärem Betrieb passend, kann es durch die geänderten Verhältnisse (Lager, Maschinen) oder auch Änderung von Produktionsprogrammen (durch den erhöhten Bedarf ausgewählter Güter) notwendig sein, festgelegte Werte zu überprüfen und anzupassen
  • Setzung von risikomindernden Maßnahmen.

Die internationale Perspektive

Internationale Versicherungsprogramme werden oftmals durch lokale Versicherungspolizzen umgesetzt, die teilweise oder vollständig in das Programm rückversichert werden. Auch bei Einzeldeckungen zu Projekten kann eine lokale Polizze installiert sein. Unter Einbezug des für die lokale Polizze anwendbaren Rechts sowie der Bestimmungen in der lokalen Polizze können hier abweichende Erfordernisse vorliegen oder Ausschlüsse einschlägig sein.

So enthält etwa das weit verbreitete Bedingungswerk der MunichRe, die Contractor’s All Risk Insurance (CAR) unter den allgemeinen Ausschlüssen Schäden die durch die völlige oder teilweise Einstellung der Arbeiten verursacht oder erhöht wurden. Da dieses standardisierte Bedingungswerk ebenfalls im Kontext lokalen Rechts zu sehen ist, oftmals durch Allgemeine Bedingungen von Versicherern ergänzt wird und auch inhaltlich in Teilen angepasst wird ist jeweils die konkrete Versicherungspolizze zu prüfen.

Zusammenfassung

  • Ein Baueinstellung kann eine Gefahrerhöhung darstellen
  • Je nach konkretem Versicherungsvertrag kann sie für einen gewissen Zeitraum automatisch mitversichert sein
  • Eine Gefahrerhöhung ist anzeigepflichtig. Wiederum gilt, im Versicherungsvertrag kann hierzu abweichendes vereinbart sein
  • Auch bei Stilllegung des Baubetriebs sind gefahrmindernde Maßnahmen zu setzen

Weitere Informationen finden Sie hier: CrECo Website