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Digitalisierung: Die neue Normalität in der Bauwirtschaft?

Die Bauwirtschaft macht 13 Prozent des weltweiten BIP aus. Ein Blick auf die Performance der Branche zeigt ihre Herausforderungen – in wirtschaftlich guten Zeiten, aber vor allem jetzt in Krisenzeiten.

Weltweit steht die Bauwirtschaft anhaltendem Kostendruck gegenüber, der vor allem auf die knappen öffentlichen Haushalte und die Forderung nach leistbarem Wohnbau zurückzuführen ist. Hinzu kommen der anhaltende Mangel an qualifizierten Fachkräften und sich verändernde logistische Prozesse. Auch die Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit nehmen zu. Der Klimawandel führt zusätzlich zu mehr Druck auf die Industrie zur Verringerung der CO2-Emissionen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise vergrößern aktuell die Kosten auf den Baustellen und erhöhen gleichzeitig die Nachfrage nach erschwinglichem Wohnraum.

In den letzten 20 Jahren betrug die Produktivitätssteigerung nur ein Drittel im Vergleich zur Gesamtwirtschaft. McKinsey benennt drei Gründe dafür: Risikoaversion, Fragmentation und Schwierigkeiten in der Anwerbung digitaler Talente bremsen Innovationen, weshalb die Branche praktisch zu den Schlusslichtern in der Digitalisierung zählt.

Verstärkter Einsatz von digitalen Technologien

Die Industrie wird die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie deutlich spüren, das betrifft auch die Bauindustrie. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Krisen immer beschleunigend auf Trends auswirken. Daher ist damit zu rechnen, dass sich die aktuelle Pandemie beschleunigend auf die Digitalisierung auswirkt.

Digitale Technologien ermöglichen eine bessere Zusammenarbeit und Kontrolle der Wertschöpfungskette sowie eine datenbasierte Entscheidungsfindung. Intelligente Gebäude und Infrastrukturen, die das Internet der Dinge (IoT) integrieren ermöglichen effizientere Abläufe und auch neue Geschäftsmodelle. Automatisiertes parametrisches Design und Objektbibliotheken werden die Planung verändern. BIM ist hier nur eine Facette. Veränderungen in den Prozessen betreffen genauso beispielsweise den Handel, Verkauf und das Marketing.

Start-ups treten als neue Marktteilnehmer auf ebenso wie neue Finanzierungstools herkömmliche Modelle ergänzen oder ersetzen.

Eine Umfrage von McKinsey hat ergeben, dass folgende neun Verschiebungen/Veränderungen die Bauindustrie grundlegend verändern werden, wobei mehr als 60 Prozent der Befragten glauben, dass diese Veränderungen in den nächsten fünf Jahren eintreten werden – vor allem im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie, die diese Prozesse beschleunigen wird:

  • 1. Produktorientierter Ansatz
    In Zukunft wird der Anteil an standardisierten Produkten zunehmen. Anpassbare Designs, die von einer Produktgeneration zur nächsten verbessert werden, sind gefragt. Auf die Bauwirtschaft übersetzt bedeutet das modulare Bauweise und vorgefertigte Elemente, die in den Fabriken unter gleichbleibenden Bedingungen und Wiederholgenauigkeit hergestellt und für die Montage auf die Baustelle geliefert werden.
  • 2. Spezialisierung
    Um höhere Margen zu erzielen, muss man sich am Markt unterscheiden können. Unternehmen werden sich daher zunehmend auf Nischen konzentrieren, in denen sie Wettbewerbsvorteile aufbauen können. Das können bestimmte Materialien oder etwa Konstruktionsmethoden sein.
  • 3. Wertschöpfungssteuerung durch Integration mit industrietauglichen Lieferketten
    Unternehmen werden bemüht sein, wichtige Anteile in der Wertschöpfungskette zu übernehmen bzw. zu kontrollieren. Möglich wird dies durch vertikale Integration oder strategische Allianzen. Damit steigen auch die Möglichkeiten zur kollaborativen Zusammenarbeit.  Der BIM-Prozess wird diese Entwicklungen durch Veränderungen in den Prozessen – hin zu frühzeitigerer Entscheidungsfindung – beschleunigen. Fortschrittliches Logistikmanagement und Software-Plattformen für Komplettlösungen im Vertrieb ermöglichen mehr Kontrolle in der Wertschöpfung.
  • 4. Konsolidierung
    Die Spezialisierung und die Bemühungen der Unternehmen, ihre Anteile in den Wertschöpfungsketten zu vergrößern, werden zu einer Konsolidierung in der Branche führen.
  • 5. Kundenorientierung und Branding
    In der Spezialisierung liegt auch die Chance, die Kunden stärker an die eigene Marke zu binden. Wie auch in der Konsumgüterindustrie gelingt dies über die Produkt- und Servicequalität, Einhaltung von Lieferterminen, Serviceangebote und Garantien.
  • 6. Investitionen in Technologie und Fertigung
    Die zunehmende Vorfertigung bedarf Investitionen in neue Anlagen, Fertigungsmaschinen und Ausrüstung, wie beispielsweise in Robotik zur automatisierten Herstellung. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung – beispielweise in der Drohnentechnik – werden steigen.
  • 7. Investitionen ins Personal
    Die Spezialisierung erhöht die Bedeutung von hausinternem Know-how und von Investitionen in die eigene Belegschaft. Dies wird vor dem Hintergrund des Übergang in die Zukunft der Arbeit (Stichwort New Working) noch wichtiger. Die meisten etablierten Unternehmen kämpfen um die besten digitalen Talente, um zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
  • 8. Internationalisierung
    Eine stärkere Standardisierung wird die geografischen Hemmnisse weiter verringern. Lösungen in  Segmenten wie der Infrastruktur werden global zum Einsatz kommen, wiewohl die Covid-19-Pandemie zu einer Verlangsamung dieser Entwicklung beitragen wird.
  • 9. Nachhaltigkeit
    Obwohl Nachhaltigkeit bereits ein wichtiger Entscheidungsfaktor ist, stehen wir erst am Anfang einer immer schnelleren Entwicklung. Die Auswirkungen der Klimakrise sind spürbar, steigen und erfordern ein Handeln. Unternehmen müssen sich mit der Nachhaltigkeit von Produkten, ihrer Erzeugung und/oder Beschaffung sowie deren Resilienz auseinandersetzen und diese optimieren. Das betrifft auch die Arbeitsumgebungen, um das Bauen sicherer zu machen. Kritisch zu hinterfragen sind auch der Wasserverbrauch sowie die Feinstaub, Lärm- und Abfallbelastung.

Quelle: McKinsey& Company-Befragung von 400 Entscheidern im November und Dezember 2019, zusätzlich wurden davon 100 Entscheider im Mai 2020 nochmals befragt. Rund zwei Drittel gaben dabei an, dass sie davon ausgehen, dass die Covid-19-Pandemie die Entwicklungen beschleunigen werden.