Cramo Geschäftsführer
Dirk Schlitzkus und Christian Heigl von Cramo über die vernetzte Baustelle

Die vernetzte Baustelle

Baumaschinen und Baugeräte sind mittlerweile hochtechnisierte Geräte und fügen sich in eine vernetzte Baustelle bestens ein. Dirk Schlitzkus und Christian Heigl sehen darin für Baumaschinenvermieter die Möglichkeit, in die Baustellenlogistik einzusteigen.

a3: Der jüngste Marktbericht der ERA* (European Rental Association) weist für 2015 eine Steigerung von 2,0 Prozent aus, für 2016 wird das durchschnittliche Wachstum auf 2,8, für 2017 auf 1,9 Prozent geschätzt. Können Sie diese Zahlen bestätigen?
Dirk Schlitzkus: Es gibt schon Abweichungen. Gerade in den osteuropäischen Ländern divergiert es ein wenig, aber vom Trend  her stimmen die Zahlen.

a3: Korrelieren die Zahlen mit der Entwicklung bei Cramo?
Schlitzkus: Das ist aktuell schwierig zu sagen, weil wir hier bei der Cramo AG die Segmente erweitert haben. Unser Produktportfolio enthält jetzt nicht nur Baumaschinen, sondern auch Hebebühnen, Tools etc. Unsere Wachstumsrate ist daher etwas höher. Dennoch kann ich bestätigen, dass wir momentan tatsächlich in einem Wachstumsmarkt tätig sind. Die Nachfrage ist sehr gut, und sie ist auch ausgeglichen, weil wir nicht nur Infrastrukturprojekte, sondern auch viel Wohnungsbau haben. Ich spreche jetzt von Zentraleuropa, aber ich glaube, das trifft auch auf Österreich zu.
Christian Heigl: Der Mietmarkt ist schwer einzuschätzen. Aber wenn wir von den zwei Prozent Wachstum für 2015 ausgehen, dann kann man sagen, dass wir als Cramo sicher schneller wachsen als der Markt. Liegt sicherlich auch daran, weil wir etwas aufzuholen hatten und entsprechende Maßnahmen und Strukturen implementiert und gesetzt haben.
Schlitzkus: Die Schwerpunkte bei der Cramo AG liegen ganz klar auf der Miete.

a3: Warum? Ist in der Vermietung mehr zu verdienen?
Schlitzkus: Weil unsere Mutterfirma ihren Schwerpunkt in der Vermietung hat und nur wenig Handelsgeschäft betreibt. Und weil wir darin die Zukunft sehen. Früher war es ja so, dass die Kunden wegen der Finanzierung in die Miete gegangen sind, damit Mittel nicht gebunden sind. Das kann man in einem Umfeld wie jetzt, wo die Zinsen quasi null sind, nicht behaupten. Das ist also nicht mehr der größte Vorteil, sondern es ist die Flexibilität und der Kunde muss sich nicht um die Logistikdienstleistung rundherum kümmern.

a3: Das ist aber ein Gesellschaftstrend, nicht branchenspezifisch …
Schlitzkus: In Deutschland wie auch in Österreich haben wir noch einen starken Hang zum Eigentum. In Finnland und Schweden gibt es das gar nicht oder in England, der stärkste Mietmarkt, da gibt es null Eigentum. Die Anforderungen an die Bauunternehmen verändern sich jedoch, man muss flexibler und schneller reagieren. Und dann stellt sich die Frage, ob man außer den Standardgeräten, die überall eingesetzt werden können, alles anschaffen muss. Die Miete hat heute einfach andere Gründe. Nicht, dass ich die Geräte nicht anschaffen kann, sondern dass ich es nicht will.
Heigl: Es geht um Ressourcenteilung, es geht um Energieeffizienz. Das sind nicht mehr nur Schlagworte. Es geht letztendlich vor allem um Kostenoptimierung. Die Produktpalette im Baumaschinenbereich wird immer breiter, dazu die Anforderungen an die Sicherheit, an die Umweltverträglichkeit, die Änderungen, die ständig mit den neuen Motoren kommen, Sicherheitsfeatures. Wenn man heute auf modernen Baustellen arbeiten möchte, dann sind schon aufgrund der Ausschreibung laufend neue Standards zu erfüllen.

a3: Sie haben die Portfolio-Erweiterungen angesprochen. Ist diese Entwicklung abgeschlossen?
Schlitzkus: Wenn man an Theisen Baumaschinen zurückdenkt, hatten wir die „Baumaschinen“ im Namen.  So wurden wir auch immer wahrgenommen, aber in Cramo steckt viel mehr drin. Wir haben vor drei Jahren die Hebebühnen ins Programm genommen, dieses Segment hat sich sehr gut entwickelt und trägt mittlerweile über 20 Prozent des Umsatzes. Wir haben auch viel in Kleingeräte investiert. Und wo wir uns immer mehr hineinbewegen ist der Bereich „modular space“, also Raummodule aus Holz oder hochwertige Stahlcontainer. Das wird auch in Österreich kommen.
Heigl: In Österreich bieten wir seit vergangenem Jahr auch IPAF-Sicherheitsschulungen für Arbeitsbühnen an. Weitere Schulungen für den Gabelstapler-Schein und die Berechtigung für Teleskoplader, die in Deutschland kommen, das braucht man in Österreich noch nicht. Aber es gibt einen ganz klaren Trend, dass die Unternehmen ihre Leute in Richtung Sicherheit schulen wollen und müssen. Die Anforderungen durch die Regularien steigen und entsprechend auch die Nachfrage nach Schulungen. Andererseits weiß man: Ein gut geschulter Mitarbeiter, der sich in einem sicheren Umfeld bewegt, arbeitet effizienter. Das ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Früher hingegen, hat es geheißen – Sicherheitsschulungen, das sind ja nur Kosten. Im Laufe der Zeit hat man aber gemerkt, dass man damit wirklich etwas herausholen kann.
Schlitzkus: Was aber noch viel wichtiger ist: Wir wollen uns vor allem in der Dienstleistung unterscheiden.

a3: Was genau darf man sich darunter vorstellen?
Schlitzkus: Ob wir jetzt einen 2,5-Tonnen Minibagger von Takeuchi oder Kubota oder Yanmar zur Verfügung stellen, ist nicht so entscheidend – die sind alle gut und erfüllen die an sie gestellten Aufgaben: Sie graben ein Loch von zwei Meter Tiefe. Da werden wir uns nicht von anderen unterscheiden können. Wir fragen uns: Was alles braucht der Kunde im Zusammenhang mit der Maschine, um das Loch zu graben. Er braucht das Gerät auf der Baustelle, muss ein Service und vor allem Ausfallssicherheit haben. In den nordischen Ländern ist es durchaus üblich, dass wir die komplette Logistik auf der Baustelle übernehmen inklusive An- und Abtransport, Verladetätigkeiten, Absperrungen, Container zur Unterbringung der Leute, Müllentsorgung. All das findet in Zentraleuropa – Deutschland, Österreich – zwar auch statt, aber in sehr kleinem Rahmen. Die Nachfrage danach steigt aber immer mehr.

a3: Klingt nach einem Einstieg in die Baustellenlogistik …
Schlitzkus: Durchaus. Wir wollen auch in das Feld „Dust-Control“ - also Umwelt, Arbeitssicherheit – das sind Dinge, wo wir uns stark entwickeln im Moment. Diese Bereiche hängen direkt mit der Bauleistung zusammen, sind aber ein „unliebsames“ Kind der Branche, weil viel Organisation dran hängt. Wir sind prädestiniert, genau das zu tun. Das ist eine win-win-Situation. Im Idealfall haben wir einen Bauablaufplan von der Baustelle, den wir in einen Logistikplan umsetzen, damit wir in der Kalenderwoche X die Maschinen bereitstellen. Nun kommen wir zur Digitalisierung. Genau das wird die vernetzte Baustelle leisten können.
Heigl: In Österreich schwingt da noch viel Zukunftsmusik mit, aber der Trend ist erkennbar: Sehr viele Baufirmen, auch kleinere, international tätige wie Wartungsfirmen von Windparks, sind europaweit unterwegs und suchen Partner jeweils vor Ort, die sie unterstützen, wenn sie Strom, Zäune, Hebegeräte, Container bis hin zur Müllentsorgung brauchen. Die kennen Cramo schon aus anderen Ländern und fragen daher bei Cramo Österreich nach.
Schlitzkus: Digitalisierung in den Baufirmen findet statt und wir werden nicht einfach warten, was passiert. Wir wollen mitentwickeln. Kürzlich wurde auf unserer neuen Homepage das e-commerce-Tool implementiert. Registrierte Kunden können ihre angemieteten Maschinen mit den hinterlegten Daten einsehen.

a3: Das heißt, der Kunde kann die Daten auch übernehmen?
Schlitzkus: Ja, wenn der Kunde digital auf seine Baustelle geht, dann will er ja genau diese Daten haben und die stehen ihm auch zu. In diesem Tool sind manuals, kleine Clips für Wartungsarbeiten etc. hinterlegt, also ein Rundum-Package für die Maschine. Das sehen wir als Mehrnutzen für den Kunden.
Heigl: Und das führt auch zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Vermietprozesse. Wir sind gerade dabei, das in Österreich auszurollen: Digital Signing – der Kunde unterschreibt auf einem Pad, Remote-Signing: der elektronische Mietvertrag, der mit einem PIN unterschrieben wird. Das bedeutet eine irrsinnige Vereinfachung und auch Sicherheit, weil nur der dafür Berechtigte den Mietvertrag bekommt und dann auch weiß, was ausgemacht ist, die Kosten kennt. Zusammen mit der digitalen Rechnung können wir den gesamten Prozess papierlos abbilden.

a3: Wie verhält es sich generell mit der elektronischen Ausstattung der Maschinen?
Schlitzkus: Wir haben alle unsere Maschinen mit Telematik-Systemen ausgerüstet. Wir können Standorte feststellen, Laufzeiten der Geräte – wir könnten aber auch sämtliche Motorleistungen aufzeichnen, wenn wir das wollten. Das hängt stark von den Bedürfnissen des Kunden ab.
Heigl: Sinnvoll ist beispielsweise die Überwachung der Wartungsintervalle. Die Maschinen sind mit unserem System verbunden. Bei unserem Service-Manager gehen das symbolische rote Licht an und eine Service-Order auf, wenn für das Gerät ein Service ansteht. Davon bekommt der Kunde gar nichts mit, weil entweder kommt die Maschine rechtzeitig herein und bei der nächsten Vermietpause wird das Service gemacht oder, wenn das Gerät auf der Baustelle ist, dann schicken wir das Service-Team hinaus zu einer vereinbarten Zeit direkt zur Wartung vor Ort. Die präventive Wartung ist wichtig, damit auf der Baustelle nichts ausfällt.
Schlitzkus: Denn das schlimmste, was bei einem Kunden passieren kann, ist, wenn eine Maschine ausfällt. Deshalb geben wir auch das Versprechen ab, dass wir innerhalb von vier Stunden vor Ort sind und reparieren oder das Gerät austauschen. Das kann man nur versprechen, wenn man die entsprechende Organisation dahinter hat. Dazu gehört auch die vorbereitende Wartung. Diese ist nicht Ziel eines seriösen Vermieters, das ist ein Muss.

Cramo Group
2006 entstand die Cramo Group durch den Zusammenschluss der Rakentajain Konevuokraamo Oyj aus Finnland und Cramo, Schwedens größtem Vermietdienstleister. Die Cramo Group ist heute einer der führenden Vermietdienstleister für Bau-Equipment in Europa. Das europaweite Netzwerk von ca. 330 Depots bietet eine breite Auswahl an Equipment, mit einer Gesamtzahl von 220.000 Mietgeräten.

Cramo GmbH & Co. KG
Die Cramo GmbH & Co. KG in Österreich ist Komplettanbieter in der Vermietung von Bau-Equipment. Der Geschäftsbereich "Modulare Raumsysteme" wird über die Schwestergesellschaft Cramo Adapteo vertrieben. In Österreich, Deutschland und Ungarn ist Cramo mit ca. 350 Mitarbeitern und rund 18.000 Mietgeräten in mehr als 60 Depots vertreten.

Dirk Schlitzkus
Vorstandsvorsitzender der Cramo AG (ehem. Theisen Baumaschinen AG) seit 2011,
Executive Vice President Central Europe seit 2013
Laufbahn: Theisen Baumaschinen AG, Mitglied des Vorstands seit 2007; Theisen Baumaschinen Group, Geschäftsführer seit 1998; Theisen Baumaschinen Group, Anwalt des Unternehmens 1994-1998

Christian Heigl
Geschäftsführer der Cramo GmbH & Co. KG (Österreich) seit 2012
Laufbahn: Cramo GmbH & Co. KG, Geschäftsführer; Umdasch AG, Konzernjurist; Doka GmbH, Produktmanager Dienstleistungen; Theisen KG, Rechtsabteilung; Doka GmbH, Anwendungstechniker für Betonschalungen

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* Die European Rental Association (ERA) wurde 2006 als Vertretung der nationalen Verbände und Baumaschinen- und Gerätevermieter in Europa gegründet. Zu den Mitglieder zählen heute mehr als 5.000 Vermietunternehmen. Der Market Report 2016 enthält die Daten zur europäischen Baumaschinen- und Gerätevermietung mit landesspezifischen Daten für 15 europäische Länder, darunter Österreich.