© ARGE Eigenheim/Franz Neumayr

Dramatischer Anstieg der Baukosten: Arge Eigenheim fordert "Verteuerungsverbot im Wohnbau"

Die Baukosten für den Wohnhaus- und Siedlungsbau haben sich - bedingt durch die Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine - von Dezember 2020 bis April 2022 um knapp 23 % erhöht. Das Material ist in diesem Vergleichszeitraum sogar um sage und schreibe 42,5 % im Preis gestiegen.

„Leistbares Wohnen“ ist zu einem Dauerbrenner in der öffentlichen Diskussion geworden. Befeuert wird diese Thematik durch die Baukostenexplosion der vergangenen 16 Monate, die es in dieser Form bis dato noch nie gegeben hat. Das wirft Probleme auf, mit denen die gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) extrem zu kämpfen haben. Rund zwei Millionen Menschen leben in Österreich in den Wohnanlagen gemeinnütziger Bauträger. Dabei ist der gemeinnützige Wohnbau in Österreich nach wie vor ein wichtiges Korrektiv, damit Wohnraum erschwinglich bleibt – die Frage ist allerdings, wie lange noch.

„Wir bemühen uns seit Jahren, die Wohnkosten zu stabilisieren, müssen aber feststellen, dass viele technische Innovationen, aber auch die Ö-Norm und OIB-Richtlinien unter dem Strich immer wieder zu Kostensteigerungen geführt haben. Damit muss jetzt Schluss sein“, ist DI Christian Struber, Bundesobmann der ARGE Eigenheim, einem Zusammenschluss von rund 100 gemeinnützigen Wohnbauunternehmen, überzeugt, dass es jetzt einen Kurswechsel braucht. „Wir fordern daher ein Verteuerungsverbot im Wohnbau und zwar dergestalt, dass für Gesetzesvorlagen in Zukunft bei jeder Begutachtungsphase die Kostenrelevanz geprüft werden muss, um der Teuerungsspirale wenigstens von dieser Seite entgegenzuwirken“, ergänzt Christian Struber, der auch Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau ist.

Baukosten so hoch wie nie - Wohnen wird noch teurer!

Die Baukosten für den Wohnhaus- und Siedlungsbau haben sich - bedingt durch die Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine - von Dezember 2020 bis April 2022 um knapp 23 % erhöht. Das Material ist in diesem Vergleichszeitraum sogar um sage und schreibe 42,5 % im Preis gestiegen. „Derartige Entwicklungen hat es noch nie gegeben. Selbst im Krisenjahr 2009 haben sich die Baukosten nicht in dieser Art entwickelt. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass sich ein Paradigmenwechsel einläutet“, analysiert DI Herwig Pernsteiner, Obmann-Stv. des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen. Diese Preissteigerungen haben zur Folge, dass zum einen die in den Förderungsbestimmungen der einzelnen Länder vorgesehen höchstzulässigen Baukostensätze für neue Projekte erhöht werden müssen und zum anderen sich bei laufenden Projekten nach aktuellem Stand die Baukosten deutlich erhöhen. „In diesem Spannungsfeld müssen wir arbeiten – mit eindeutigen Folgen: Wohnen wird noch teurer werden, wenn nicht ordnungspolitisch eingegriffen wird“, so Herwig Pernsteiner.

Anstieg der Baukosten

VErgleich Baukosten - Bierkasten
Der Vergleich Baukosten / Bierkasten zeigt den dramatischen Anstieg

Wohnungsfertigstellungen lagen 2021 über 10-Jahresdurchschnittswert

Mit rund 16.500 (19.100 im Jahr 2020) Wohnungsfertigstellungen im Jahr 2021 verzeichnen die gemeinnützigen Bauvereinigungen zwar einen Rückgang (-14 %) im Vergleich zum Spitzenjahr 2020, liegen aber trotz Corona-Pandemie über dem 10-jährigen Durchschnittswert von 16.200 Wohnungen.

WEG-Novelle: Beschlussfassungen in Mehrparteienhäusern vereinfacht

„Mit dem Parlamentsbeschluss im Dezember vergangenen Jahres gab die Plenarsitzung endgültig grünes Licht für eine Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), die wir seit Jahren vehement gefordert haben“, freut sich NR Mag. Michaela Steinacker, Vorstandsmitglied des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen. Die Gesetzesnovelle beinhaltet vor allem die Erleichterung bei den Beschlussfassungen in Mehrparteienhäusern u.a. für den Einbau von Elektro-Ladestationen, barrierefreie Zugänge, einbruchsichere Türen, Beschattungseinrichtungen und Photovoltaikanlagen. Inkludiert wurde zudem eine Mindestrücklage bei Wohnungseigentumsobjekten, die die Sanierungs- und Ökologisierungsmaßnahmen bei den Gebäuden unterstützen soll.

Neues WGG: Miet-Kauf weiter attraktivieren

Durch die WGG-Novelle 2019 stärkte die Bundesregierung den gemeinnützigen Wohnbau. Steinacker verweist darauf, dass durch das neue WGG auch der Bestand an günstigen Mietwohnungen abgesichert wird. Denn die gesetzliche Kaufoption für Wohnungen unter 40 m² wird ausgeschlossen. „Damit bleiben ausreichend günstige Startwohnungen für junge Menschen und günstige barrierefreie Kleinwohnungen für Senioren auf dem sozialen Wohnungsmarkt“, erläutert Michaela Steinacker und ergänzt: „Mit dem in der WGG-Novelle verankerten Verbot von zweckfremder Nutzung in Form von Airbnb verhindern wir nun in ganz Österreich, dass aus geförderten Wohnungen Profit geschlagen wird.“ Dieses Erfolgsmodell muss weiter attraktiviert werden, indem die Kaufoptions-Möglichkeiten neben dem Wohnungserwerb bereits nach fünf Jahren weiter ausgeweitet werden. „Ich bin sehr froh, dass wir im Jänner im Parlament die Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraums zurück von 20 auf 10 Jahre beschlossen haben. Sie führt nämlich dazu, dass Mieter die Wohnungen nach 10 Jahren ‚umsatzsteuerfrei’ kaufen können“, so abschließend Michaela Steinacker.

Gemeinnützigen Wohnbau trifft Preisentwicklung besonders hart

Seit 2020 kommt es aus verschiedenen Gründen, in der gesamten Baubranche zu außergewöhnlichen Preisverwerfungen bei Baumaterialien. Diese Umstände erschweren die Kalkulation; Bauunternehmen sind derzeit nicht bereit, Aufträge zu Festpreisen zu übernehmen. Das führt zu Baustopps und Bauverzögerungen. „Den gemeinnützigen Wohnbau trifft diese Entwicklung besonders hart, da die steigenden Herstellungskosten bei geförderten Wohnungen nicht in Form höherer Wohnungsmieten weitergegeben werden können“, warnt DI Michael Pech, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen. Aktuell ist eine Prognose für die Fertigstellungen im laufenden und kommenden Jahr schwierig. „Die Baubranche ist gefordert, weitere Effizienzsteigerungen und Standardisierungen umzusetzen. Aber auch die Politik ist aufgerufen neben kostenintensiven Regulierungen die Leistbarkeit des Wohnens für die Bewohner durch Anpassung der Wohnbauförderung weiter zu ermöglichen“, so Michael Pech.

Auswirkungen der Corona-Krise: Wunsch nach Freifläche groß

Die Corona-Pandemie ließ das Zuhause in einem neuen Licht erscheinen. Die Wohnung wurde zum permanenten Aufenthaltsort, war plötzlich Wohnraum, Homeoffice und Unterrichtsort zugleich. In Familien galt es, unterschiedlichste Bedürfnisse auszuverhandeln. Wer zumindest Garten oder Balkon hat, überstand die Krise besser als andere. Bereits 96 Prozent der geförderten Wohnungen, die in den vergangenen 10 Jahren in Wien errichtet wurden, verfügen über private Freiräume. „Corona hat gezeigt, dass dieser Weg richtig ist. Insgesamt hat sich der Fokus der Menschen verschoben. Viele legen nun mehr Wert auf eine hohe Wohnqualität. Die Corona-Pandemie hat den Wunsch nach Eigentum verstärkt und im freifinanzierten Bereich werden die Wohnungen wieder größer. Das Corona-Virus zwingt uns, Fragen wie Wohnungsgrößen umfassender zu diskutieren und nachhaltiger zu denken“, so Michael Pech.

Auch die im April 2022 durchgeführte Analyse der Plattform ImmoScout24.at* bestätigt, dass der Wunsch nach Freiflächen in der Pandemie um ca. ein Drittel gestiegen ist. Immobilien mit Freifläche sind zum begehrten Gut geworden und eine Neubaueigentumswohnung mit Freifläche ist pro Quadratmeter um durchschnittlich 19 % teuer als ohne.

Klimaschonendes Bauen: Gemeinnützige Bauträger liefern intelligente Lösungen

Für die Herausforderungen der Klimakrise braucht es echte Visionen. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs kennen neben dem baukulturellen Aspekt auch ihre gesellschaftliche Verantwortung. Wesentlich ist die Berücksichtigung der klimarelevanten Faktoren bei jedem einzelnen Gebäude, aber insbesondere auch im übergeordneten Maßstab, bei der Quartiersentwicklung bzw. im Städtebau. Für die Stadt Wien und den gemeinnützigen Wohnbau wird die Thematik rund um den Klimaschutz zu einem immer wichtiger werdenden Thema. „Gerade die beständige Erwärmung in urbanen Gegenden drängt auf nachhaltiges Umdenken, um eine klimafitte Stadtentwicklung und somit eine klimaschonendere Zukunft in den Ballungsräumen zu ermöglichen. Die gemeinnützigen Bauträger haben dabei eine Vorreiterrolle und leisten einen bedeutenden Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Sie liefern vorausschauende, nachhaltige und intelligente Lösungen zur Emissionsreduktion für zukünftige Generationen“, unterstreicht Michael Pech den Stellenwert der gemeinnützigen Bauträger im Kampf gegen die Klimakrise.