"Dringender Handlungsbedarf, um Wohnbauprojekte nicht zu verzögern"
a3BAU: Hohe Baukosten, Grundstücksklemme, die Zinswende am Kapitalmarkt. Immer öfter werden Meldungen laut, dass Wohnbauprojekte gestoppt werden müssen. Steuern wir auf eine Wohnungsknappheit zu?
Klaus Baringer: In manchen Bundesländern können derzeit keine Neubauprojekte angegangen werden, weil die zu kalkulierenden Preise – angefangen vom Grundstückspreis über den Baukostenpreis bis hin zur Finanzierung – im Ergebnis zum Beispiel in Wien zu einer gedeckelten Miete führen müssen. Bin ich nicht mehr in der Lage, diese Miete zu erzielen, dann kann ich auch das einzelne Projekt nicht mit Wohnbauförderung umsetzen. Es ist tatsächlich so, dass derzeit auch in Wien bei einigen Bauträgern mehrere Projekte nicht – wie wir das nennen – „führbar“ sind, das heißt, dass die derzeitigen Angebote in der Kalkulation nicht den Mietendeckel unterschreiten. Das heißt aber nicht, dass diese Projekte für immer verloren sind, sondern, dass sie hinausgeschoben werden müssen. Wenn ein Bauträger jetzt nicht in der Lage ist, sein Projekt zu Kosten umzusetzen, mit denen er führbar ist, dann muss er warten, dass sich die Zeiten ändern. Und ich denke, dass die Voraussetzungen geändert werden müssen.
Wie geht es den Gemeinnützigen in dieser Situation?
Der gesamte Wohnungsmarkt ist generell in einer schwierigen Situation, nicht erst seit kurzem, sondern schon seit längerem. Die Zahl der in Bau befindlichen GBV-Wohnungen beläuft sich mit Anfang 2023 auf 29.200. Dieser Wert liegt acht Prozent unter dem 10-jährigen Durchschnitt von 31.700. Noch deutlicher sind die Baubewilligungen zurückgegangen, die mit 12.700 um 24 Prozent unter dem 10-Jahresschnitt von 16.800 liegen. Wir haben drei große Herausforderungen zu bewältigen: Erstens das Thema leistbare Grundstücke, zweitens die Baukosten und drittens jetzt aktuell die steigenden Kapitalmarktzinsen. Das Prinzip der Gemeinnützigkeit ist ein österreichisches Erfolgsmodell, um das uns viele andere Länder sehr beneiden. Wir haben es in Österreich geschafft, einen Sektor zu schaffen, in dem eine große Zahl der Bevölkerung zu leistbaren Preisen hochwertiges Wohnen findet. Dieses Angebot macht etwa 40 Prozent vom gesamten Mietwohnungsbestand aus, ist allerdings in letzter Zeit in der Tendenz abnehmend. Es wäre aber auch im volkswirtschaftlichen Interesse, dass der Sektor leistbares Wohnen zumindest aufrechterhalten, noch besser weiter ausgebaut werden kann.
Was genau meinen Sie damit?
Von den Gemeinnützigen werden 986.000 Wohnungen verwaltet Laut wissenschaftlichen Untersuchungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes . ersparen sich unsere Bewohner pro Jahr 1,3 Milliarden Euro an Wohnkosten, die zu einem Großteil in den Konsum gehen und daher ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor sind. Darüber hinaus spart sich der Staat aus der Wohnungsgemeinnützigkeit jährlich rund 500 Millionen Euro, weil er zum einen sonst erforderliche soziale Unterstützungsmaßnahmen nicht setzen muss und zum anderen höhere Steuereinnahmen hat, denn Wohnen ist mit zehn Prozent besteuert, Konsumgüter verkürzt in der Regel mit 20 Prozent. Daraus resultieren Mehreinnahmen an Steuern. Und vor allem wirkt sich der gemeinnützige Wohnbau selbstverständlich auch als Preisbremse im gesamten Immobiliensektor aus.
Welche Bundesländer sind von „Baustopps“ besonders betroffen?
Vor allem in den westlichen Bundesländern, aber auch Kärnten, wo die Gemeinnützigen wie auch viele Gewerbliche in der Regel derzeit keine neuen Bauvorhaben starten können. Wir haben Unterschiede, auch weil die Wohnbauförderung Landessache ist und die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind.
Wie kann man Abhilfe schaffen?
Es beginnt mit dem Thema leistbare Grundstücke. Wien hat beispielsweise durch verschiedene Maßnahmen auch in der Flächenwidmung Regelungen geschaffen, die eine positive Grundlage sindMit der Flächenwidmung „geförderter Wohnbau“ können neu zu widmende große Flächen mit mehr als 5.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche zu zwei Drittel für leistbaren Wohnbau gewidmet werden. Im Hintergrund steht eine Preiskalkulation, wonach auf den Quadratmeter Bruttogeschoßfläche die Kosten des Grundstücks nicht höher als 188 Euro sein dürfen, ansonsten keine Wohnbauförderung in Anspruch genommen werden kann. Es müssen also entsprechend leistbare Grundstücke vorliegen, um Wohnbauförderung in Anspruch nehmen zu können.
Gibt es weitere ähnliche Initiativen?
Auch in Salzburg wird ein ähnliches Modell gefahren. Im Grunde hat jeder Bürgermeister die Möglichkeit, bei der Umwidmung von Flächen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt einzelne Bundesländer – wie Oberösterreich – die derzeit eine Informationsoffensive fahren, um die Bürgermeister darauf hinzuweisen, welches wichtige Instrument sie mit der Raumordnung in der Hand haben. Und es gibt sogar rechtliche Möglichkeiten – übrigens seit 50 Jahren – um Eigentümer gewidmeter Flächen, die nicht bauen, dazu zu bringen doch zu bauen. Das Procedere des sogenannten Bodenbeschaffungsgesetzes wurde in diesen 50 Jahren allerdings erst ein einziges Mal, nämlich im November vergangenen Jahres in Innsbruck, ausgelöst.
Sie haben auch die aktuelle Finanzierungssituation angesprochen. Wie könnte hier eine Lösung aussehen?
In der Gemeinnützigkeit finanziert sich ein Wohnbau aus vier verschiedenen Quellen: Zum einen sind das Kapitalmarktdarlehen, zum zweiten Eigenmittel des Bauträgers, zum dritten ist es die Wohnbauförderung und zum vierten die Finanzierungsbeiträge des Mieters selbst. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz definiert, dass ein Mieter , das Recht erwirbt, zu bestimmten Zeitpunkten seine Mietwohnung zu kaufen, wenn er einen Finanzierungsbeitrag von mehr als 75 Euro für den Quadratmeter selbst leistet.
Für die Gemeinnützigen ist es ausgesprochen wichtig, dass von den Ländern entsprechende Mittel an Wohnbauförderung zur Verfügung gestellt werden. Ein kurzer Vergleich: Vor 25 Jahren wurden österreichweit 2,3 Milliarden Euro an Wohnbauförderung zur Verfügung gestellt. In den Folgejahren ist der Betrag auf bis zu drei Milliarden jährlich angestiegen. Derzeit sind wir bei 1,8 Milliarden Wohnbauförderung. Diese starke Reduktion war möglich, weil die Finanzierung am Kapitalmarkt in den letzten 10 Jahren ausgesprochen günstig war und es daher kein wirklich schlagender Unterschied war, ob man mit Wohnbauförderung oder mit Kapitalmarktdarlehen gebaut hat. Die Situation hat sich jetzt aber gedreht. Die Zeiten des billigen Geldes sind vorbei. Der Zinssatz des Referenzzinssatzes, dem drei-Monats-Euribor, der vor gar nicht allzu langer Zeit sogar negativ war, liegt mittlerweile bei 3,5 Prozent und laut den Experten ist noch im ersten Halbjahr dieses Jahres mit einer Anhebung um weitere 50 Basispunkte zu rechnen. Mit anderen Worten, die öffentliche Hand und damit die Länder sind gefordert, hier in Zukunft wieder mehr Wohnbaufördermittel einzusetzen, damit leistbarer Wohnraum für die Bevölkerung machbar bleibt.
Gibt es dahingehend schon Signale von den Bundesländern?
Wir haben mit den Bundesländern auch in der Vergangenheit gemeinsam sehr gute Lösungen gefunden, daher bin ich zuversichtlich. Wien zum Beispiel hat vergangenen Sommer die Wohnbauförderung pro Quadratmeter Nettonutzfläche von 510 auf 810 Euro pro Quadratmeter angehoben. Das war eine sehr gute Maßnahme, um die steigenden Baukosten zu stemmen. Aber all diese Initiativen sind angesichts der Kapitalmarktzinswende nicht mehr ausreichend. Hier bedarf es weiterer Maßnahmen. Und es wäre auch der Bund gefragt, entsprechende Garantieerklärungen für die Kapitalmarktdarlehen der gemeinnützigen Wohnbauträger zu ermöglichen, für günstigere Kapitalmarktdarlehen als es derzeit der Fall ist, damit wir die Möglichkeit haben, auch in Zukunft zu bauen. Das ist auch für die Bauwirtschaft sehr wichtig, weil die auch an allen Ecken und Enden merkt, dass die Aufträge zurückgehen und die Bücher wieder leerer werden.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Baukosten ein?
Wenn wir einen Blick auf die Materialkosten werfen, sehen wir, dass diese innerhalb von drei Jahren um 36 Prozent gestiegen sind, die Arbeitskosten um neun Prozent. Die Steigerung war rasant und es zeichnet sich noch kein Rückgang, sondern eine Stabilisierung auf einem sehr hohen Kostenniveau ab. Aber wie schon gesagt, denke ich, dass sich die Zeiten ändern werden. Wir wissen bereits aus den ersten veröffentlichten börsennotierten Unternehmensergebnissen des Jahres 2022, dass ein Gutteil der erhöhten Baupreise auch zu erhöhten Gewinnen geführt hat. Ich will keine einzelnen Firmen an den Pranger stellen. Aber was auch immer wir an börsennotierten großen Unternehmen der Branche beobachten, können wir feststellen, dass es hier starke Gewinnsteigerungen gegeben hat. Es gibt auch Untersuchungen einzelner renommierter Forschungsunternehmen, die davon sprechen, dass bis zu 80 Prozent der Mehrkosten in erhöhte Gewinne gegangen sind. Der Verband der gemeinnützigen Bauträger hat festgestellt, dass 2022 laut Baukostenindex im Vergleich zum Baupreisindex die Kosten für die Baufirmen im Schnitt um 10,1 % gestiegen sind, während sich die an die Bauherren verrechneten Preise um 15 % erhöht haben. Es ist zwar ein vollkommenes legitimes Interesse für den gewerblichen Bereich, Gewinne zu maximieren, es kann allerdings auch bedeuten, dass so mancher Partner in der Zukunft wieder mit etwas niedrigeren Preisen sein Auslangen wird finden müssen. Stichwort leere Auftragsbücher.
Gibt es schon Signale, dass die Preise sinken?
Im Allgemeinen entsteht der Eindruck, dass Erhöhungen schnell weitergeben werden und Reduktionen mehr Zeit brauchen.
Kommen wir zu den Themen Energie und Klimaschutz. Die Richtlinie des Europäischen Parlaments zur Steigerung der Renovierungsquote sieht vor, dass Neubauten ab 2028 emissionsfrei sein müssen, aber auch im Gebäudebestand muss der Energieverbrauch Schritt für Schritt gesenkt werden. Wo stehen die Gemeinnützigen dahingehend?
Wir liegen österreichweit vorne. Im gemeinnützigen Bereich sieht es so aus, dass die 182 gemeinnützigen Wohnbauträgern mit einem Bestand von knapp einer Million Wohnungen in den letzten Jahren pro Jahr 10.000 bis 15.000 Wohnungen saniert haben, davon wurden 7.300 Wohnungen thermisch saniert. Die Wohnungen der Gemeinnützigen, die bis 1980 errichtet worden sind – also jenem Zeitraum, der in puncto Gebäudethermik am kritischsten ist – sind bereits zu 96 Prozent thermisch saniert. 2022 wurden schon 4.200 Wohnungen auf klimafreundliche Heizsysteme umgestellt. Aktuell kommen die Bestände der späten 1980er sowie der 1990er Jahre in die Sanierungsphase. Auch wenn das Thema erneuerbare Energien jetzt gottseidank in aller Munde ist und allen Zielsetzungen zugrunde liegt, hat der gemeinnützige Bereich auch schon in der Vergangenheit erste Maßnahmen gesetzt. Wir haben in den Jahren 2016 bis 2020 pro Jahr durchschnittlich 2.600 unserer Wohnungen mit alternativen Energien saniert. Wir haben intern die Zielsetzung, dass wir ganz maßgeblich auch weiter mit erneuerbaren Energien sanieren. Derzeit sind im Bestand der gemeinnützigen Bauträger noch 36 % der Wohnungen mit fossilen Energieträgern versorgt.
Thermisch saniert heißt aber nicht unbedingt emissionsfrei, oder? Wie kommen wir dorthin?
Indem wir verstärkt Maßnahmen setzen, wobei hier auch wiederum die öffentliche Hand stark gefragt sein wird, die Finanzierung zu ermöglichen. Wenn ich den Entwurf des Erneuerbaren Wärmegesetzes hernehme und die darin enthaltenen Kostenberechnungen, so sind diese lediglich konzentriert auf das Thema des Heizmittels, der Heizungsanlage selbst. Wenn ich aber einen Bestand saniere, dann habe ich nicht nur die Wärmepumpe anstatt der Gasetagenheizung, sondern Nebenkosten und sämtliche Umbaumaßnahmen und bin in einem Vielfachen des Kostenvolumens. Wir haben hier in der Gemeinnützigkeit Möglichkeiten, die es zum Beispiel im MRG nicht gibt. Damit sind wir ein Stück voraus, aber das ist noch nicht die Lösung.
Wie sieht diese Möglichkeit aus?
Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sieht vor, dass für Bestandsbauten älteren Jahrgangs, in der Regel über 35 Jahre Bestand, bis zu 2,20 Euro pro Quadratmeter als Teil der Miete ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag für das Haus eingehoben werden kann. Mit einem Ausbau dieser Instandhaltungsreserve können wir auch in Zukunft an der Dekarbonisierung weiter arbeiten. Dennoch besteht die Notwendigkeit für die öffentliche Hand, hier Lösungen für den gesamten Immobiliensektor zu finden, sodass Finanzierungen in jenem Umfang möglich sind, um die Vorgaben der Europäischen Union bis 2040 gegen den Klimawandel und für den Ausstieg aus Öl und Gas auch erfüllen zu können.
Wenn ich Ihre Ausführungen richtig interpretiere, sind die 2,20 Euro Erhaltungs- und Verbesserungsaufwand viel zu wenig. Was müsste man einheben, damit man ein durchschnittliches Haus emissionsfrei bekommt?
Wenn die ersten Schätzungen am Tisch liegen, wo der Experte und Sachverständige auch zu dem Gesamtkostenrahmen steht, kann ich Ihnen eine Antwort geben. Derzeit gibt es Berechnungen, die den Investitionsbedarf für die Dekarbonisierung mit 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ansetzen und der Gesamtinvestitionsbedarf für den Gebäudebestand österreichweit bei mehr als 100 Milliarden Euro liegt. Eines steht fest: Es werden alle gefordert sein, hier mitzuwirken.
Wie schaut es bei den Gemeinnützigen mit der Bereitschaft der Mieter aus, ein Stück weit mitzuzahlen, weil es letztendlich in ihrem Interesse liegt, die Energiekosten herunterzubekommen …
Finanzierungsvereinbarungen, die auf Freiwilligkeit beruhen, sind jetzt schon möglich. Aber ich würde sagen, das ist eine endend wollende Anzahl von Menschen in Österreich, die freiwillig derartige Finanzierungsvereinbarungen abschließen würden und wollen.
Bis 2028 sollen alle Neubauten mit Solaranlagen ausgestattet werden, sofern das technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Bei Wohngebäuden, bei denen größere Renovierungen nötig sind, bleibt dafür bis 2032 Zeit. Sind die Gemeinnützigen dafür gerüstet?
Da wird in erster Linie der Gesetzgeber dazu aufgerufen sein, entsprechende gesetzliche Verpflichtungen einzuführen. Grundsätzlich ist das Thema Photovoltaik genauso sinnvoll und wichtig wie das Thema raus aus Gas. Derzeit kann ich als gemeinnütziger Wohnbauträger nicht Teil einer Energiegemeinschaft sein. Das ist eine starke Bremse zur Umsetzung von derartigen Maßnahmen. Denken Sie an den innerstädtischen Bereich, den kleinvolumigen Wohnbau im dicht bebauten Gebiet, wo es auch absolut erforderlich sein wird, dass sich mehrere zu einer Gemeinschaft zusammentun. Derzeit ist die Rechtslage so, dass wir als Gemeinnützige aufgrund unserer Größe nicht Teil einer solchen Energiegemeinschaft sein dürfen. Das bedarf dringend einer Änderung.
Dennoch kann man davon ausgehen, dass bei den Gemeinnützigen die Bauten, die jetzt mit der Planung beginnen, emissionsfrei sein werden?
Wenn uns das der Gesetzgeber vorgibt, werden wir das natürlich nach Kräften umsetzen. Allerdings ist der Gesetzgeber gefordert, dann für alle Bauführenden entsprechende Vorschriften zu formulieren, damit diese Ziele erreicht werden. Es darf aber kein Gold Plating geben, wo der Bereich der Gemeinnützigkeit als Musterschüler vorangehen muss und andere Bereiche außer Acht gelassen werden.
Sie sprechen den Gedanken an, die Wohnbauförderungsmittel an die Einhaltung von Emissions-Grenzen zu koppeln?
Wenn man es sich strukturell anschaut, birgt eine Bindung an Wohnbauförderungsmittel die Gefahr, einen bestimmten Sektor zu herausragenden Leistungen zu bringen, aber einen Großteil des Wohnungsbestandes und des Wohnungsneubaus nicht einzubinden. Ich bin daher ein Befürworter, dass derartige Regeln in Bauordnungen und nicht in Förderbedingungen festgehalten werden sollten.
Das heißt, die Bemühungen um Klimaschutz und Emissionsfreiheit dem Markt zu überlassen, wäre keine gute Geschichte …?
Ich bitte um Verständnis, dass ich als Vertreter des gemeinnützigen Wohnbaubereiches die Selbstregulierungskräfte des Marktes als enden wollend bezeichnen würde. Wir Gemeinnützigen Wohnbauträger sind dafür geschaffen worden, um den Markt entsprechend zu ergänzen, um mit unserem Sektor zu leistbaren Mieten unter sehr guten Wohnungsverhältnissen beizutragen. Es gibt im Moment in einzelnen Bundesländern aber Tendenzen, das System als Ganzes auf den Kopf zu stellen und dabei leiderdas Kind mit dem Bade auszuschütten.
Sie sprechen das Burgenland an?
Das burgenländische Modell soll dazu führen, dass ein Mieter zu bloßen Errichtungskosten Eigentum erwerben kann im Laufe der Zeit. Der Effekt, der damit erzielt wird, ist das Gegenteil von dem, was hier öffentlich propagiert wird. Es kann dann nur mehr einer kleinen Anzahl von Menschen ihr Bedürfnis nach Eigentum befriedigt werden und die große Anzahl von Menschen, die jetzt noch in der Gemeinnützigkeit mit leistbaren Mieten versorgt sind, ist dann ausgeschlossen. Während dann diese kleine Anzahl von Menschen, die tatsächlich zu den Errichtungskosten erwerben, über kurz oder lang dieses privatisierte Vermögen in Form von Wohnungseigentum frei verfügen kann. Ein Ergebnis, das nicht im Sinne der Wohnungsgemeinnützigkeit ist. Es bedeutet, dass ein Wohnbauträger die Mieteinnahmen zu einem Gutteil für die Tilgung der Kapitalmarktdarlehen verwenden muss, gleichzeitig soll der Mieter, wenn er auszieht, diese Mietzahlungen zurückbekommen. Das ist ein wirtschaftliches Unding und kann im Sinne eines ordentlichen Kaufmannes nicht bedient werden, trotzdem ist es das Modell eines österreichischen Bundeslandes, von dem ich vernehme, dass derjenige, der das politisch propagiert, meint, dass dieses System auf ganz Österreich auszurollen sei. Wenn es dazu kommt, dann haben wir allerdings nicht "die Wohnungsgemeinnützigkeit mit neuem Geist erfüllt" sondern das Gespenst eines Totengräbers des leistbaren Wohnraums ausgebuddelt.
Meine Abschlussfrage: Werden wir am Ende des Jahres 2023 sagen, es wurde weniger gebaut, weil die Situation aktuell so kritisch ist, oder werden alle Projekte doch umgesetzt wie geplant?
Es wird mit Sicherheit weniger gebaut worden sein als es in den Normaljahren vor der Krise der Fall war. Aber wir werden Bauführungen sehen und alles unternehmen, um gemeinsam mit unseren Partnern in Politik, Wirtschaft und Bankenwelt die Herausforderungen zu stemmen.
Dr. Klaus Baringer
ist seit Mai 2022 Verbandsobmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) und Vorstandsvorsitzender der Gesiba Gemeinnützige Siedlungs- und Bau AG. Im GBV sind 182 gemeinnützige Bauvereinigungen vertreten, die 985.000 Wohnungen verwalten, davon rund 653.000 eigene Miet- und Genossenschaftswohnungen.