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Kreislaufwirtschaft über die gesamte Wertschöpfungskette gedacht

Forschungsprojekte des Austrian Institute of Technology (AIT) decken die gesamte Wertschöpfungskette von Rohstoffen, Produkten und Gebäuden bis hin zur Stadt- und Regionalplanung ab

Rund 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurück. Die Kreislaufwirtschaft ist ein großer Hebel, um durch nachhaltiges Wachstum den Ressourceneinsatz zu verringern und um den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern. Das AIT Austrian Institute of Technology verfolgt hier einen systemischen, sektorübergreifenden Ansatz, der die Expertise aus mehreren Centern entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Rohstoffen, Produkten und Gebäuden bis hin zur Stadt- und Regionalplanung ermöglicht.

„Neben der Änderung der bestehenden Energieinfrastruktur sowie von Energiesystemen ist die Verringerung des Materialverbrauchs durch Kreislaufwirtschaft ein entscheidender Schritt zur Klimaneutralität. Als AIT haben wir uns diesem wichtigen Thema angenommen und nutzen unsere Expertise als Österreichs größtes Forschungsinstitut, um auch in diesem Bereich Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette zu erarbeiten und den relevanten Stakeholdern zur Verfügung zu stellen“, erläutert Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy am AIT.

AIT bündelt seine systemischen und technologischen Kompetenzen für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft

Im Unterschied zur linearen Produktionsweise zeichnen sich zirkuläre Geschäftsmodelle durch Kreislaufproduktion aus. Produkte werden am Ende der Nutzungszeit nicht entsorgt, sondern stattdessen wieder in neue Produktlieferketten integriert. „Um Materialien wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen, bedarf es einer integrierten Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus. Die AIT-Expert:innen bringen für die Entwicklung ökologischer und wettbewerbsfähiger Kreislaufpfade sowohl systemisches als auch technologisches Wissen ein“, erklärt Ernst Gebetsroither-Geringer, Experte für Kreislaufwirtschaft am AIT Center for Energy. „Recyclingfreundliche innovative Produktionsweisen und Produktdesigns, alternative Nutzungskonzepte und der Einsatz neuer (digitaler) Technologien sind für das Gelingen der Kreislaufwirtschaft von zentraler Bedeutung“, so Gebetsroither-Geringer weiter. Das AIT leistet dazu schon jetzt einen wichtigen Beitrag mit seinem integrierten Ansatz und intensiviert seine Forschung im Thema Kreislaufwirtschaft in den nächsten Jahren noch weiter.

AIT-Forschungsprojekte zur Kreislaufwirtschaft

Die AIT-Forschungsprojekte in diesem Bereich decken die gesamte Wertschöpfungskette von Rohstoffen, Produkten und Gebäuden bis hin zur Stadt- und Regionalplanung ab. Der AIT-Ansatz schafft eine integrierte Betrachtung von Ressourcen und Materialien (Energie, Wasser, Abfall, Rohstoffe, biogene Ressourcen) und deren Lebenszyklus unter der Berücksichtigung von Rebound-Effekten.

Innovative urbane Landwirtschaft und klimaresiliente Kreislaufwirtschaft

Am Fallbeispiel Zukunftshof Rothneusiedl sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden, wie aus einem alten Bauernhof ein Vorzeigeprojekt für innovative urbane Landwirtschaft und klimaresiliente Kreislaufwirtschaft werden kann. Das AIT-Projekt „KLIMUR – Klimaresilientes urbanes Ressourcenmanagement“ entwickelt dazu die Methodik und Instrumente, um die Planungs- und Entscheidungsprozesse für die Realisierung lokaler Ressourcenkreislaufwirtschaft (Energie, Lebensmittel, Wasser) und integrierter Stadtteil-Energiekonzepte zu begleiten. Für das Fallbeispiel Zukunftshof werden neben den Energieflüssen (Wärme, Kälte und Strom) auch Ressourcenströme (Biomasse, Nährstoffe und Wasser) ermittelt, analysiert und simuliert. Daraus werden mögliche Entwicklungsszenarien im Quartiersmaßstab für das Demonstrationsprojekt Zukunftshof sowie für den Stadtteil Rothneusiedl im Süden Wiens abgeleitet. Der Zukunftshof selbst soll der Startpunkt für ein nachhaltiges Energie- und Ressourcenkreislaufwirtschaftssystem für das Stadtentwicklungsgebiet Rothneusiedl werden.
https://drc.ait.ac.at/sites/klimur/

Digitale Grundlagen für kreislauffähiges Bauen

Zur Erreichung der Klimaziele im Bausektor ist es entscheidend, vermehrt kreislauffähige Gebäude zu errichten, die sich am Ende der Lebensdauer für ein hochwertiges Recycling rückbauen lassen und so als Sekundärrohstoffe wieder in Bauprojekten eingesetzt werden können. Für die Umsetzung kreislauffähiger Bauprojekte mangelt es vielen Unternehmen jedoch noch an Wissen, Umsetzungserfahrungen und skalierbaren Lösungen. Das Projekt „Digitale Grundlagen für kreislauffähiges Bauen“ fasst den aktuellen Stand der Technik zusammen, gibt einen Überblick über die nationale und internationale Leistungsfähigkeit des D-A-CH-Marktes und skizziert die Anforderungen der EU-Taxonomie. Vor allem aber werden konkrete Bauprojekte mit Hilfe eines digitalen, materiellen Gebäudepasses auf ihre Kreislauffähigkeit und die Anforderungen der EU-Taxonomie (Umweltkriterien) individuell bewertet – sowohl aus wirtschaftlicher als auch technischer Sicht. Projektleiterin Gundula Weber: „Für die Kreislaufwirtschaft im Bausektor braucht es eine gute Planung, die von Beginn an auf Langlebigkeit setzt und das Recycling am Ende der Lebensdauer mitberücksichtigt. Dies fängt bereits bei der Ausschreibung an. Im Projekt „Digitale Grundlagen für kreislauffähiges Bauen“ erarbeiten wir einen einfachen Leitfaden, der Bauherr:innen dabei unterstützt entsprechende Ausschreibungen zu erstellen.“
https://www.ots.at/redirect/digitalfindetstadt3

Kryogenes Recycling von wertvollen, industriell unzureichend genutzten Materialien

Beim Recycling von Reststoffen ist die Sortenreinheit des Materials ein entscheidender Faktor. Häufig gilt: Je mehr die Materialsorten vermischt sind, umso schlechter ist die Qualität des recycelten Materials. Analoges gilt für den Verschmutzungsgrad. Eine vielversprechende und innovative Methode stellt die Aufbereitung von Werkstoffverbunden durch kryogene Vermahlung dar. Hierbei werden durch das Zuführen von Kälte die Materialeigenschaften des Mahlguts verändert. Es wird hart und spröde, wodurch die Feinstvermahlung der unterschiedlichen Materialien ermöglicht wird.

Im Projekt KryoReIF des LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen des AIT und der Partner SYNRON und TCKT wird dieses Verfahren eingesetzt. Unter Ausnutzung verschiedener Wärmeausdehnungskoeffizienten und unterschiedlich starkes Verspröden lassen sich Materialien bis zur gewünschten Feinheit durch Reib- und Druckeinwirkung in einer Trommel zerkleinern, dann durch die unterschiedlichen Mahlgrade mittels Sieben sortenrein voneinander trennen und ohne Qualitätseinbußen wiederverwerten. Der Einsatz dieser neuen kryogenen Trennung ermöglicht die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe sowie die Vermeidung von chemischen und thermischen Prozessen im Recycling. Die laufende Forschung im Projekt fokussiert aktuell auf Kühlschmierstoff-benetzte Metallspäne und Kunststoff-Mehrschichtfolien.
https://www.ait.ac.at/themen/giesstechnologien/projekte/kryoreif

Roadmap für Oberösterreichs Weg zur Modellregion für Kunststoff-Kreislaufwirtschaft

Im Projekt SPS Roadmap erarbeitete das AIT Center for Innovation Systems & Policy gemeinsam mit der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria eine Roadmap, um Oberösterreich zu einer Modellregion für Kunststoff-Kreislaufwirtschaft zu machen. Den Weg dorthin haben rund 100 Expertinnen und Experten aus Unternehmen des gesamten Wertschöpfungskreislaufs und Forschungseinrichtungen in einem strukturierten Prozess erarbeitet und daraus eine gemeinsame Vision entwickelt: Bis 2030 soll der Inhalt des gelben Sacks der lokalen Abfallentsorgung zu 100 Prozent kreislauffähig werden. “Wir haben zahlreiche Handlungsoptionen und Maßnahmen für diese zentralen Themenkomplexe formuliert: Design4Circularity; Sammlung, Sortierung und Recycling; Materialien, Technologien sowie Forschung und Entwicklung.” so Projektleiterin Beatrix Wepner.

https://www.ots.at/redirect/bizup

Politische Rahmenbedingungen der Kreislaufwirtschaft: Green Deal und österreichische Klimastrategie

Einer der wichtigsten Bausteine des Green Deals der Europäischen Kommission ist der Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft. Die Maßnahmen reichen über den gesamten Lebenszyklus von Produkten. Der Aktionsplan zielt darauf ab, die Wirtschaft auf eine grüne Zukunft vorzubereiten, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken, die Umwelt zu schützen und neue Rechte für die Verbraucher einzuführen. Österreich setzt sich in seiner nun beschlossenen “Kreislaufstrategie – Österreich auf dem Weg zu einer nachhaltigen und zirkulären Gesellschaft” die Reduktion des inländischen Ressourcenverbrauchs zum Ziel. Konkret soll der inländische Materialverbrauch bis 2030 um 25 % gesenkt und ein nachhaltiger Materialfußabdruck von 7 Tonnen pro Kopf und Jahr bis 2050 erreicht werden. Hier liegt Österreich derzeit mit 19 t/a um rund 5 t/a deutlich über dem EU-28-Durchschnitt von 14 t/a. In der österreichischen Klima-Langfriststrategie 2040 wurde in Anlehnung an die Vorgaben des Europäischen Green Deals das Ziel definiert, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dies macht es notwendig, die vorherrschend lineare Produktionsweise und damit den vorrangigen Einsatz von Primärrohstoffen zu verringern und vermehrt Ressourcen als Sekundärrohstoffe im Kreislauf zu halten.