Zwei Menschen mit Umzugskartons
© Shutterstock

Österreichischer Immobilienmarkt

Die Corona-Krise hat auf dem österreichischen Immobilienmarkt weder zu einem Abbruch noch zu einer Unterbrechung, sondern vielmehr zu einer Beschleunigung des Preisanstiegs geführt, bringt Matthias Reith, Ökonom bei Raiffeisen Research, die Entwicklung der letzten Monate auf den Punkt.

Preisanstiege trotz Rezession historischen Ausmaßes und hoher (Einkommens-) Unsicherheit – zwei Entwicklungen, die sich auf den ersten Blick ausschließen. „Unter dem Eindruck der Krise und der auch nach dem Lockdown weiterhin hohen Unsicherheit ist das Sicherheitsargument als maßgebliches Kaufmotiv wieder stärker in den Fokus gerückt“, analysiert Casper Engelen, Immobilienanalyst bei Raiffeisen Research, nachdem sich in den letzten Jahren die gefühlte Alternativlosigkeit angesichts des Niedrig- oder sogar Negativzinsumfeldes als maßgeblicher Preistreiber erwiesen hat. Hinzu kommt aktuell die sich immer weiter verbreitende Einsicht, dass das Zinsniveau noch geraume Zeit niedrig bleiben wird. „Low for even longer – steigende Leitzinsen sind durch Corona noch weiter in die Ferne gerückt“, so Reith.

Nach der Zunahme der Preisdynamik stellt sich die Frage, ob damit auch für die kommenden Quartale die Marschrichtung vorgegeben ist, nun eine Abflachung bevorsteht oder ob die ökonomischen Turbulenzen der Corona-Rezession am Immobilienmarkt vielmehr erst zeitverzögert eintreten. Die gesunkene Leistbarkeit spricht dabei für sich genommen gegen eine nahtlose Fortsetzung des dynamischen Preistrends. Blickt man über die Rezession des ersten Halbjahrs und die wohl bis zum Vorliegen einer Impfung nur verhaltene Konjunktur hinweg, hat sich am fundamentalen Bild aber wenig geändert. Die mittel- bis langfristigen Konjunktur- und Einkommensperspektiven sind somit weiterhin positiv.

Nach dem spürbaren Bevölkerungszuwachs der Vorjahre ist in den kommenden Jahren mit nachlassendem, aber weiterhin vorhandenem demografischen Rückenwind zu rechnen. „Die fundamentalen Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Immobilienzyklus, wenn auch mit geringerem Tempo als im zweiten Quartal und in den Vorjahren gesehen, dürften daher weiterhin intakt sein“, fasst Casper Engelenden Ausblick zusammen.

Nachfrage nach Immobilien während CoVid-19 ungebrochen

Die Nachfrage nach Wohnimmobilien zeigte sich bisher von der Corona-Krise wenig beeindruckt. Zwar war während der Wochen des Lockdowns ein deutlicher Rückgang der Transaktionen zu beobachten. Seit Mai verzeichnet Raiffeisen Immobilien allerdings wieder ein überdurchschnittlich starkes Interesse, das sich in einer deutlichen Zunahme der Anfragen niederschlägt: Diese sind in den Monaten Jänner bis Juni gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um rund 30 Prozent gestiegen. Preiseinbrüche waren folglich nicht zu verzeichnen.

„In regionalen Hotspots ist auch weiterhin mit steigenden Immobilienpreisen zu rechnen, größere Sprünge dürfte es allerdings nur mehr in Regionen geben, in denen die Leistbarkeit noch nicht ausgereizt ist“, so Peter Weinberger, Geschäftsführer Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland und Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich.

„Ob es im Falle einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise zu einer Trendumkehr am Immobilienmarkt kommt, wird wohl erst die mittelfristige Zukunft zeigen.“ Angebotsseitig kam es jedoch vor allem in den urbanen Zentren zu einer weiteren Verknappung, denn potenzielle Abgeber stehen dem Immobilienverkauf noch defensiver gegenüber als vor der Covid-Krise:

Immobilien werden gerade in Krisenzeiten als verlässliche und harte Krisenwährung gesehen.

Die Krise hat bestehende Nachfragetrends verstärkt und neue geschaffen. Schon bisher war das Einfamilienhaus im Grünen der große Wohntraum der Österreicherinnen und Österreicher. Die Erfahrungen des Lockdowns haben diesen Trend intensiviert. In einer von Raiffeisen Immobilien in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage gaben 75 Prozent an, dass es sich in der Krise besser auf dem Land lebt.

Nachfrage nach Wohnen im Grünen

In allen Bundesländern zeigt sich daher eine wachsende Nachfrage nach Wohnen im Grünen. Davon profitieren klassische Einfamilienhäuser mit Garten ebenso wie Baugrundstücke, aber auch Wohnungen mit Freiflächen wie Gärten oder Terrassen. „Tendenziell geht der Trend wieder zu etwas größeren Objekten mit Platz für Homeoffice und Homeschooling. Neben den Regionen rund um die Ballungszentren könnten von dieser Entwicklung tendenziell auch weiter entfernte ländliche Lagen profitieren, sofern Infrastruktur wie Kindergärten oder Schulen, aber auch leistungsfähige Internetanbindung, verfügbar sind“, sagte Nikolaus Lallitsch, Geschäftsführer Raiffeisen Immobilien Steiermark und Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich.

Wunsch nach mehr Home Office wegen Corona

Stärker von der Krise in Mitleidenschaft gezogen als der Wohnmarkt ist naturgemäß der Markt für Gewerbeimmobilien. Vor allem die Bereiche Gastronomie, Tourismus und Handel leiden unter den Folgen des Lockdown und der Rezession. Drei Viertel der Österreicher, die im Homeoffice gearbeitet haben, wünschen sich das auch für die Zeit nach Corona. Sollte dieser Wunsch von den Arbeitgebern aufgegriffen werden, könnte das mittel- bis langfristig zu einer Verkleinerung von Büro-Immobilien, aber auch zu neuen Anforderungen im Wohnbau führen. Flexiblere Grundrisse werden dann noch gefragter sein.