Menschen diskutieren über ein Solarpanel
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Speichertechnologie für Gebäude

Energie genau dann bereitzustellen, wenn sie gebraucht wird, gehört zu den größten Herausforderungen der Energiewende. Das gilt nicht nur für Ökostrom aus Sonnen- und Windenergie, sondern auch für die von Solarkollektoren bereitgestellte Wärme. Forschungen im Bereich der Wärmespeicher könnten beide Problemstellungen auf einen Streich lösen.

Im Bereich der elektrischen Energie ist häufig von der sogenannten ­„Dunkelflaute“ die Rede: Genau dann nämlich, wenn Haushalte und Gebäude am meisten Energie benötigen, steht am wenigsten erneuerbarer Strom aus Sonne und Wind zur Verfügung. Wie eklatant dieses Missverhältnis tatsächlich ist, zeigt eine Modellrechnung des Energieexperten Georg Benke von e7 energy innovation & engineering. Beispielhaft berechnet dieser die Energiebilanz einer Kombination aus Luftwärmepumpe und einer Photovoltaikanlage mit 2,3 Kilowatt peak an einem Salzburger Standort in den Jahren 2017 und 2018.

Fazit: Übers jeweilige Gesamtjahr gesehen, hätte die PV-Anlage den Strombedarf der Luftwärmepumpe von 2.000 Kilowattstunden gedeckt. Um den Eigenbedarf zu jedem Zeitpunkt zu decken, hätte diese jedoch 14-mal (Februar 2018) bis 49-mal (Jänner 2017) größer sein müssen. Ein allgemeines Dilemma, das sich nur mit Speichertechnologien lösen lässt. Eine Thematik, für die es im Kleinen (das Elektroauto als mobile Batterie) wie im Großen (Pumpspeicherkraftwerke als Nachfragepuffer) inzwischen viele Lösungsansätze gibt.

Der bevorstehende Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Verbindung mit einem saisonalen Heiz- bzw. steigenden Kühlungsbedarf sowie dem ganzjährigen Warmwasserverbrauch macht jedoch künftig auch in diesem Bereich intelligente Speicherlösungen unverzichtbar.

Abdeckungsgrad wird nicht erreicht

Anhaltspunkte liefert das ausführliche Zahlenmaterial der Wissenschaftler des Gleisdorfer Instituts AEE Intec: Diese untersuchen seit dem Jahr 2014 ausgewählte geförderte Solarhäuser in Österreich. Gemäß den Kriterien des Klima- und Energiefonds förderungswürdig waren dabei Ein- und Zweifamilienhäuser, die laut Konzeptstudie mindestens 70 Prozent des jährlichen Heiz- und Warmwasserbedarfs mit Hilfe der Sonnenwärme deckten.

Pikantes Detail des AEE Intec-Berichts: Konzept und Realität klaffen in dieser Hinsicht oftmals dann doch deutlich auseinander. Der Grund dafür: Der Wärmebedarf lag in vielen Gebäuden erheblich höher als ursprünglich prognostiziert. Soll heißen: Die Bewohner haben es im Normalfall gern kuscheliger, als sich dies in Planrechnungen darstellt. „Wir haben im Winter im Mittel 23 °C in den Wohnräumen gemessen, während bei den Berechnungen für den Energieausweis eine Raumtemperatur von 20 °C vorausgesetzt wird“, erklärt Walter Becke, der Projektleiter für die Begleitforschung des Förderprogramms „Demoprojekte Solarhaus“ bei AEE Intec. Folglich brauchten zehn von 19 vermessenen Wohngebäuden 20 Prozent mehr Energie zum Heizen als berechnet, bei drei Projekten war es sogar um die Hälfte mehr.

Insgesamt erreichten nur acht Prozent der Solarhäuser im Echtbetrieb die vom Förderprogramm vorgegebenen 70 Prozent an solarer Deckung. Dabei ließe sich nicht behaupten, dass die Sonne die Bewohner im Beobachtungszeitraum im Stich gelassen hätte. Im Gegenteil – in mehr als 60 Prozent der Gebäude überschritt der Solarertrag die Prognose.

Manchmal war es auch zu viel des Guten – aber warum nicht die sommerlichen Mehrerträge aus der Kollektoranlage beispielsweise zur Erwärmung des Pools nutzen, so der Vorschlag des Projektleiters? „Eine besonders interessante Lösung hat eine Familie in Vorarlberg umgesetzt. Während der Errichtung ihres Wohnhauses wurde eine Leitung zum Nachbarn verlegt, um auch dort im Sommer Warmwasser zu erzeugen.“

Trotz dieser ebenso kreativen wie solidarischen Lösung sind Speicher essenziell, um hohe solare Deckungsgrade zu erreichen. Neben dem klassischen Wasser-Pufferspeicher gewinnt zunehmend auch die thermische Bauteilaktivierung an Akzeptanz, bei der die Solarwärme durch ein Rohrregister in Bodenplatte oder Zwischendecke fließt und so den umliegenden Beton erwärmt.

Bauteilaktivierung als Speichervariante

Als „primär bauteilaktiviert“ definieren die AEE Intec-Wissenschaftler ein Projekt, bei dem 15-mal so viele Kubikmeter Beton beheizt werden, als an Wasservolumen im Pufferspeicher zur Verfügung steht. Demnach sind 33 Prozent der insgesamt 108 Solarhäuser primär bauteilaktiviert. Als Vorteil wird dabei vor allem die Tatsache gesehen, dass Beton eine vergleichsweise kostengünstige und platzsparende Speichermöglichkeit darstellt. Als Nachteil sehen die Nutzer die Trägheit dieses Verfahrens, zu dessen zufriedenstellender Umsetzung erst Erfahrungen im Praxisbetrieb gesammelt werden mussten.

Als „spannendes Projekt“ für die Bauteil­aktivierung führt Walter Becke das Solarhaus Westreicher in Tirol an: „Dieses besticht durch sein einfaches technisches Energiekonzept.“ Im Vollbeton-Erdgeschoss sind Boden- und Zwischendecke mit rund 55 Kubikmeter Beton aktiviert. Es reichten somit 17 Quadratmeter und 950 Liter Pufferspeicher für einen solaren Deckungsgrad von 77 Prozent im Monitoring-Jahr. Im gesamten Wärmeversorgungssystem ist nur eine einzige Solarkreispumpe. Der Nachheizungskreis und die Wandheizung werden unter Nutzung der Schwerkraft betrieben.

Bei aktuellen Großprojekten ist Betonkernaktivierung bereits State of the Art. Auch im Fall des Stadtquartiers in Wiener Neustadt mit seiner beachtlichen Netto-Nutzfläche von 55.000 Quadratmetern ist geplant, dass über das Grundwasser, Erdwärmesonden und Wärmepumpensysteme die Gebäudedecken als Wärme- und Kältespeicher eingesetzt werden sollen. Kombiniert wird die „grüne Wärme“ mit grünem Strom durch großzü­gige Installation von Photovoltaikanlagen. In Betrieb gehen soll dies alles innerhalb der kommenden drei Jahre.

Mit Chemie zur Batterie

Dennoch stellt sich immer noch die Gretchenfrage, wie Solarwärme verlustfrei in den Winter zu retten ist. Dieser Frage widmet sich das AEE Intec-Institut im Rahmen eines von der EU geförderten Pilotprojekts. Konkret handelt es sich dabei um ein fertig entwickeltes, saisonales thermochemisches Solarspeichersystem auf Salzhydratbasis. Dieses verbindet eine hohe Energiedichte des Speichers mit einem besonders verlustarmen Speicherverfahren.

Ein sogenannter Sorptionsspeicher wird dabei im Sommer mit Solarwärme aus Flachkollektoren beladen. Die zugeführte Wärme entzieht dem Speichermaterial Wasserdampf, der nach Kondensation mit Hilfe einer Niedertemperaturquelle in ein Wasserreservoir geleitet wird. Als Temperaturquelle eignet sich etwa Erdwärme. Trockenes Sorptionsmaterial und Wasser werden anschließend getrennt gelagert.

Im Winter wird das Verfahren einfach umgedreht: Bei Bedarf wird Wasser mittels Niedertemperaturquelle verdampft und vom Speichermaterial absorbiert. Hierbei wird Wärme frei, die zur Beheizung der Räume oder zur Warmwassererzeugung genutzt werden kann.

Eine österreichische Innovation

AEE Intec hat die bestehende Technologie der Sorptionsspeichersysteme in mehrfacher Hinsicht verbessert. So wird ein prismatischer Modulansatz anstatt der bisher üblichen zylindrischen Speichersysteme verfolgt, wodurch sich das verfügbare Volumen in einem Gebäude um bis zu 21 Prozent effizienter nutzen lässt. Das Modul selbst beinhaltet einen Lamellenwärmetauscher als Festbettreaktor für den Transport der Wärme vom Speichermaterial zum Versorgungssystem bzw. umgekehrt. Dieser Wärmetauscher dient zugleich als konstruktives Element, um die auf das Modul einwirkenden Vakuumkräfte aufzunehmen und Materialmengen und damit Kosten zu reduzieren. Neben dem Speichermodul wurde ein Verdampfer/Kondensator im System verbaut.

Besonderes Augenmerk verwendeten die Wissenschaftler auf die Auswahl des optimalen Speichermaterials. Dazu wurden im Vorfeld gemeinsam mit der Technischen Universität Eindhoven als Projektpartner unterschied­lichste Salzhydrate getestet. Unter technischen, ökonomischen und ökologischen Erwägungen stellte sich schließlich Kaliumcarbonat (K2CO3) als am geeignetsten heraus.

Ein erster Prototyp mit 197 Liter Speichermaterial wurde bereits 2018 fertiggestellt. Mit diesem wurden insgesamt 40 Zyklen unter verschiedensten Betriebsbedingungen durchgeführt. Die Speicherdichte betrug dabei 128 Kilowattstunden je Kubikmeter.

Seit August 2019 läuft die Technologie auch im Praxistest. Dazu wurde ein Gesamtsystem inklusive Pufferspeicher, Wärmepumpe und Regelung in einem Container aufgebaut und zum Einsatzort in einem Waisenhaus in Warschau verbracht, wo Raumheizung und Warmwasserbereitung damit umgesetzt werden. Das Speichersystem selbst besteht in diesem Fall aus drei Modulen mit einer Gesamtkapazität von 1.200 Liter Kaliumcarbonat. Durchgehende messtechnische Begleitung wird in der Folge eine Bewertung des Speichersystems in der realen Umgebung erlauben.

Die Dämmplatte als Wärmespeicher

Salzhydratspeicher machen sich ein Prinzip zunutze, das viele von den kleinen Handwärmekissen kennen, die im Winter in der Manteltasche bei Bedarf für angenehme Temperaturen sorgen. Das Besondere an diesen chemischen Stoffen ist, dass sie bei einem Wechsel vom festen in einen flüssigen Zustand enorm viel Wärme aufnehmen und speichern können. Drückt man anschließend eine Metallscheibe und löst dadurch einen Kristall von deren Oberfläche, kristallisiert die Flüssigkeit und erhitzt sich dabei auf bis zu 58 °C.

„In der Industrie werden diese Phasenwechselmaterialien heute schon viel genutzt“, erklärt Felix Marske von der Universität Halle-Wittenberg. Gemeinsam mit Professor Thomas Hahn vom Institut für Chemie untersucht er das Potenzial der thermochemischen Materialien für den Gebäudesektor. Grundsätzlich ließen sich diese als Pulver auch dem Beton selbst beimischen, um dessen Speicherfähigkeit zu erhöhen. Damit die mechanische Stabilität nicht darunter leidet, müsste der Anteil jedoch sehr gering bleiben.

Hahn und Marske verfolgen daher einen anderen Ansatz: Sie wollen Phasenwechselmaterial in Plattenform gießen und so wie klassische Dämmplatten verwenden. Damit würden sich diese auch für Sanierungen eignen. Die Investition in eine vier Quadratmeter große und zwei Zentimeter dicke Platte würde sich bei einer 40-Quadratmeter-Wohnung aufgrund der Energieersparnis bereits nach 14 Monaten amortisieren, so die Berechnungen der Wissenschaftler. Diese setzen dabei auf Fettsäuren, die in ein Silikatgerüst eingebettet werden. Kapillarkräfte hindern die in winzigen Tropfen verteilten Fettsäuren auch im flüssigen Aggregatzustand am Austreten.

Das an der Universität getestete Material schmilzt bei 21 °C und speichert dabei automatisch überschüssige Wärme aus der Umgebung. Im Sommer trägt es damit dazu bei, dass sich die Räume nicht zu sehr erhitzen. Fällt die Temperatur auf 18 °C, erstarrt die Fettsäure und gibt Wärme ab. Probleme mit Schimmelbildung gibt es dabei nicht. Die Speicherdichte ist bis zu 14-mal so hoch wie jene von Baustoffen wie Beton oder Gips.

Ein Wärmespeicher für Strom

Mittels – zumindest teilweiser – Sektorkopplung können Wärmespeicher auch dazu beitragen, künftige Bedarfsspitzen am Strommarkt zu decken. Damit die eingangs erwähnte Dunkelflaute ihren Schrecken für die Ökostromerzeuger verliert. „Thermischer Stromspeicher für den Strommarkt 2.0“ nennt Ulf Herrmann sein Forschungsprojekt.

Gemeinsam mit Industriepartnern betreibt der Leiter des deutschen Solar-Instituts Jülich eine Widerstandsheizung, die mit heißer Luft Keramiksteine erhitzt. 200 Kilowatt Heizleistung laden den Speicher auf bis zu 1.000 °C auf. Die Hitze wird verwendet, um mit Hilfe eines Generators Strom zu erzeugen, wobei zugleich auch die Abwärme genutzt wird. Durch die parallele Nutzung von Strom und Wärme wird ein Speicherwirkungsgrad von 90 Prozent erzielt. Pro gespeicherter Kilowattstunde Strom werden wiederum 0,32 Kilowattstunden elektrische Energie und 0,58 Kilowattstunden Wärme abgegeben. Insgesamt liegt die Kapazität bei 1.000 Kilowattstunden.

Unschlagbare Energiedichte

Einen kompletten Wechsel von Ökostrom zu Energie für Wärme und Mobilität soll ein Projekt vollziehen, das kürzlich in Wien von AVL List und IWO Österreich vorgestellt wurde. Eine bereits ausfinanzierte Power-to-Liquid-Anlage soll binnen zwei Jahren mit der Produktion von Flüssig-Brennstoffen aus erneuerbaren Quellen starten. Dabei wird überschüssiger Strom aus Sonnen- und Windenergie verwendet, um mittels Elektrolyse Wasserstoff herzustellen. Dieser ist freilich nur ein Zwischenprodukt. Gemeinsam mit Kohlendioxid, der aus den Abgasen einer Industrie-, Biogas- oder Biomasse-Anlage ausgeschieden wird, werden die Endprodukte im Fischer-Tropsch-Verfahren synthetisiert. Bei der Verbrennung wird nur jene Menge an CO2 freigesetzt, die zuvor aufgenommen wurde. Es entsteht somit ein geschlossener Kohlendioxid- und Wasserkreislauf.

„Dieses ehrgeizige Projekt kann Österreich zu einem globalen Vorreiter machen“, meint IWO-Vorstandsvorsitzender und Initiator Jürgen Roth. „AVL hält das Patent auf ein besonders innovatives und effizientes Verfahren der Hochtemperatur-Elektrolyse.“ Dieses benötigt um 20 bis 30 Prozent weniger Energie-Input als herkömmliche Verfahren.

AVL-Geschäftsführer Helmut List sieht Potenzial als „Batterie“, um Überschussstrom zu speichern, der durch den Ausbau im Bereich erneuerbarer Energie in hohem Maße anfallen wird: „Der große Vorteil der flüssigen Energieträger ist deren Lagerfähigkeit sowie Transportier- und Verteilbarkeit. Die Energiedichte ist 15- bis 20-mal so hoch wie jene einer modernen Batterie.“