Whitepaper Brandschutz
Um den ökologischen Fußabdruck im Brandschutz bewertbar zu machen, erstellte das Ingenieurbüro Hoyer Brandschutz für ein in Planung befindliches Bürogebäude in Österreich mit einer BGF von über 10.000 m² zwei unterschiedliche Brandschutzkonzepte: Während sich Variante 1 auf Maßnahmen des baulichen Brandschutzes und kleine Brandabschnitte fokussierte, sah Variante 2 eine Sprinkleranlage und größere Brandabschnitte vor. ATP sustain, die Forschungs- und Planungsgesellschaft für nachhaltiges Bauen, berechnete im Anschluss die Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen.
Strombedarf und CO2-Ausstoß im Betrieb
Im ersten Schritt stand der laufende Betrieb auf dem Prüfstand. Hier liegt der größte Unterschied zwischen den Brandschutzkonzepten darin, dass in Variante 2 Brandabschnitte und somit Brandschutzklappen entfallen. Lüftungsventilatoren müssen daher eine geringere externe Druckdifferenz aufbauen, was den Energiebedarf senkt. Um diesen Effekt zu beurteilen, wurde für die vorhandenen Lüftungsanlagen I und II der jeweils „schlechteste“ Strang untersucht – also jener mit dem größten Druckverlust, der in der Anlage das Druckverhältnis bestimmt. Werden in Variante 1 für beide Anlagen sieben Brandabschnitte durchquert, bleibt in Variante 2 nur die Technikzentrale als eigener Brandabschnitt bestehen, wodurch alle bis auf eine Brandschutzklappe eingespart werden können. Im Ergebnis bedeutet das für Brandschutzkonzept 2 bei einer Annahme von 2.700 jährlichen Volllaststunden eine Stromersparnis von insgesamt 2.379 kWh pro Jahr sowie eine Reduktion von 191 kg CO2 im österreichischen Strommix.
Die CO2-Bilanz des Gebäudes im Lebenszyklus
Für die Ökobilanz der beiden Brandschutzkonzepte war auch die Wahl der Baumaterialien entscheidend. Durch die kleinteilige Brandabschnittsbildung werden in Variante 1 höhere Anforderungen an Fassade, Türen oder Trennwände gestellt. Um diese zu erfüllen, kommen neben Brandabschottungen meist Materialien wie Gipskarton oder Mineralwolle zum Einsatz. Diese haben neben ihrer hohen grauen Energie den weiteren Nachteil, dass sie keine Recyclingmöglichkeiten bieten und derzeit deponiert werden müssen. Im Gegensatz dazu konnten in Variante 2 recyclebare Baustoffe vorgesehen werden, die CO2 binden: in der Fassade Zellulosefaser als Dämmstoff und für die Innenwände Lehmbauplatten mit Holzständern und Holzfaserdämmplatten. Die Sprinkleranlage selbst ist zwar aus metallischem Werkstoff und hat eine höhere CO2-Bilanz – da es sich allerdings um eine sortenreine Anlage handelt, kann das Material bei einem Abbruch des Gebäudes sehr einfach wiederverwertet werden.
Die CO2-Bilanz wurde über einen vollen Lebenszyklus von fünfzig Jahren berechnet, wobei das Potenzial der Wiederverwertung – Lebenszyklusphase D – ebenfalls berücksichtigt wurde. Die Analyse ergab, dass beim Brandschutzkonzept Variante 2 durch die Baumaterialien 45.400 kg CO2 an materialgebundenen (grauen) Emissionen eingespart werden sowie 9.500 kg CO2 an betriebsgebundenen (roten) Emissionen durch den geringeren Energiebedarf der Lüftungsanlage. Michael Haugeneder, Geschäftsleiter von ATP sustain, war von der Eindeutigkeit des Resultats überrascht: „Beim anlagentechnischen Brandschutz wird weniger Material eingesetzt, eine bessere CO2-Bilanz war also erwartbar. Ein Minus von fünf Prozent bei den Lebenszyklusemissionen ist aber beeindruckend – auch da beim untersuchten Gebäude im Vergleich zu Standardbauten bereits auf eine nachhaltige Bauweise geachtet wurde.“
Installationskosten im Vergleich
Neben der Nachhaltigkeit erhob die Studie auch Daten zur Wirtschaftlichkeit der Brandschutzkonzepte. „Wir sehen in der Praxis, dass bei Bauvorhaben meist nur die direkten Kosten für die Sprinkleranlage betrachtet werden, aber nicht bedacht wird, dass durch diese anlagentechnische Maßnahme an anderen Stellen teils beträchtliche Einsparungen möglich sind“, so Werner Hoyer-Weber, Geschäftsführer von Hoyer Brandschutz. In der Studie wurden die Mehr- und Minderkosten aller betroffenen und geänderten Bauteile gegenübergestellt: Höhere Kosten entstehen durch die Sprinklerverrohrung sowie die Tanks, Rückhaltung und Aufbereitung des Löschwassers. Gleichzeitig werden Kosten reduziert durch geringere Anforderungen bzw. den Entfall von Brandschutzwänden, -fassaden und -türen, die Einsparung von Weichschotten, Brandschutzklappen oder Druckbelüftungsanlagen in den Stiegenhäusern oder durch eine Verringerung der Luftwechselzahl der Brandrauchverdünnung in der Garage von 12-fach auf 3-fach. In Summe ergab die kostentechnische Beurteilung für Variante 2 eine Ersparnis von 4,9 Prozent.
Paradigmenwechsel im Brandschutz?
In der Vergleichsstudie lag der anlagentechnische Brandschutz in allen untersuchten Punkten voran: So könnten bei Umsetzung des Brandschutzkonzeptes mit Sprinkleranlage im Betrieb pro Jahr 4,7 Prozent Strom und 4,9 Prozent CO2 eingespart werden. Im Gesamtlebenszyklus des Gebäudes wäre ebenfalls eine Reduktion der CO2-Emissionen von 4,9 Prozent möglich. Angesichts des europäischen Klimaschutzziels plädiert Michael Haugender dafür, Variantenbetrachtungen immer auch unter dem Blickwinkel des CO2-Fußabdrucks durchzuführen – und konventionelle Lösungen zu überdenken: „Das Thema Sprinkleranlage wird mit verschiedenen Begründungen oft schnell ad acta gelegt. Die Studie macht nun den Aspekt der Nachhaltigkeit sichtbar und zeigt, dass bei gleichbleibendem Sicherheitsniveau im Brandschutz CO2-Emissionen durch den Fokus auf anlagentechnische Maßnahmen signifikant eingespart werden können. Und sie widerlegt sogar das häufigste Knock-Out Argument der Installationskosten von Sprinkleranlagen, da das System nicht nur kostengleich, sondern sogar günstiger ist als die konservative bauliche Lösung.“
Werner Hoyer-Weber möchte die Erkenntnisse zum Anlass nehmen, um Bauherr/innen künftig noch umfassender zu beraten: „Als Ingenieurbüro arbeiten wir unabhängig. Wir haben keine Präferenz für bestimmte Maßnahmen, auch nicht für den baulichen oder anlagentechnischen Brandschutz. Aber natürlich ist beim Klimaschutz der ganze Bausektor gefragt. Mein Anliegen ist es, unseren Kunden alle relevanten Informationen an die Hand zu geben, damit sie die sinnvollste Option fundiert abwägen können. Auch im Hinblick auf Klima, Umwelt und Ressourcen.“ Als Fachpläner rät er, Brandschutzmaßnahmen nicht nur von gesetzlichen Bestimmungen abhängig zu machen oder als gegeben hinzunehmen, sondern bewusst zu setzen: „Jedes Bauvorhaben braucht eine individuelle Kosten-, Nutzen- und Risikoabwägung – und diese muss nicht zwingend den Einbau einer Löschanlage ergeben. Aber es ist wichtig, dass diese Abwägung stattfindet und sich neben der Errichtungsphase auch auf Nutzung und Betrieb erstreckt.“