"Wir vernetzen die Baustelle"
a3BAU: Sie sind 2013 mit Ihrer Software – damals noch unter dem Namen DefectRadar – auf den Markt gekommen. Heute wird PlanRadar in Start-upKreisen als Kandidat für das nächste Unicorn gehandelt, also Unternehmen mit einem Unternehmenswert von mehr als einer Milliarde Euro. Sie selbst bezeichnen sich als „Soonicorn“. Was ist das für ein Gefühl, wenn die eigene Geschäftsidee dermaßen durch die Decke geht?
Domagoj Dolinsek: Wir freuen uns natürlich sehr, dass unser anhaltender Erfolg auch international immer stärker wahrgenommen wird und in derartigen Bewertungen zum Ausdruck kommt. Wir expandieren zurzeit stark in zahlreiche europäische Märkte und bekommen dabei viele positive Rückmeldungen von unseren Kunden und anderen Stakeholdern. Nicht zuletzt verdeutlichen derartige Zuschreibungen aber vor allem eines: das unsere kontinuierliche und innovative Weiterentwicklung für die Bau- und Immobilienindustrie einen enormen Nutzen bringt.
Welche Auswirkungen hatte die CoronaPandemie auf das Unternehmen?
Natürlich hat die weltweite Pandemie geholfen, die Baustelle ins Virtuelle zu verlagern. Das Coronavirus hat uns noch einmal einen unglaublichen Schub verliehen. Wir haben 40 Prozent mehr Umsatz gemacht, weil die Bauunternehmen vermehrt auf digitale Vernetzung setzen müssen. Im Umkehrschluss haben wir aber auch davon profitiert, weil wir sechs neue Standorte weltweit eröffnet haben, ohne jeweils vor Ort gewesen zu sein. Die Coronakrise und die Einreisebeschränkungen haben uns gezwungenermaßen den Mut gegeben, unsere Dependancen online von Wien aus zu öffnen.
Beschreiben Sie kurz, was PlanRadar als Dokumentationssoftware so einzigartig macht?
Wir sind eine Software as a Service. Wir sind das WhatsApp der Baustelle. Der große Vorteil von unserer Software ist aber die Nutzerfreundlichkeit. Der intuitive Aufbau ermöglicht es, dass Kunden damit binnen weniger Minuten an ihrem ersten Projekt arbeiten, in der Regel ist dafür nicht einmal eine Einschulung notwendig. Daten und Aufgaben werden als Tickets auf digitalen Plänen erfasst und abgearbeitet. Neue Pläne werden mittels Drag and Drop eingespeist. Mit fertig strukturierten Templates können ab jetzt alle wichtigen Standardberichte, die im Bau-und Immobiliensektor vorgeschrieben sind, in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit erstellt werden.
Sie werden öfter in Interviews zitiert, dass Sie die App aus Eigeninteresse entwickelt haben …
Ich habe in der Planung und Bauleitung an Projekten in Zentral- und Südosteuropa Großprojekte abgewickelt. Das waren Vorhaben mit einem Bauvolumen von zum Teil mehreren Hundert Millionen Euro. Dabei habe ich festgestellt, dass es auf Baustellen gewisse wiederkehrende Probleme rund um die Dokumentation und Kommunikation und vor allem bei der Auswertung der Informationen gibt. Das hat mich dazu bewogen, PlanRadar zu gründen.
Sie sind mit Ihrem Unternehmen 2013 gestartet – war das rückwirkend der richtige Zeitpunkt?
Definitiv. Es waren dazumal die ersten cloudbasierten Bau-Plattformen am Markt und somit gab es nur ein minimales Verständnis für Cloud-Lösungen bei den Nutzern. Der Großteil der Nutzer war gewohnt, Desktop-Anwendungen zu nutzen. Aber keine der Plattformen hat ernsthaft das Ziel verfolgt, den Projektbeteiligten die Informationen auf mobilen Endgeräten zur Verfügung zu stellen. Da habe ich die Chance gesehen, weil gewisse B2CLösungen wie Social Media-Plattformen bereits für die breite Masse funktioniert haben. Für mich war es eine logische Verknüpfung und nur mehr eine Frage der Zeit, dass diese Richtung im B2B-Bereich Erfolg haben wird. Ich habe mich auch die Jahre zuvor intensiv mit dem Bedarf mobiler Apps auf der Baustelle beschäftigt. Es gab viele, denen fehlte einfach die Vorstellung, wie so etwas funktionieren soll. Andere waren definitiv nicht für eine derartige Entwicklungsrichtung, inklusive zahlreicher Wirtschaftsgrößen in der Bauindustrie. Ich habe jedoch mit denjenigen fokussiert zusammengearbeitet, die meine Begeisterung geteilt haben – irgendwann werden die Neinsager zu Jasagern, spätestens dann, wenn es im Geldbörserl spürbar wird.
Hat es damals ernst zu nehmende Konkurrenz gegeben?
Es hat einige nationale und internationale Lösungen gegeben – die einen stark Desktop-orientiert und die anderen CloudLösungen eher schlecht als recht. Diese haben sich zwar entwickelt, konnten aber nicht die Breite gewinnen wie wir mit PlanRadar. Einige haben Konkurs angemeldet und andere wurden aufgekauft.
Wie wichtig ist es, der Early Bird zu sein?
Es ist sicher wichtig, wenn man früh den ersten Schritt macht. Einfach, weil man dadurch wertvolle Erfahrungen sammelt und später eingestiegenen Mitbewerbern gegenüber einen Wissensvorsprung aufbaut. Was dabei aber mindestens ebenso wichtig ist: die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen und sich ständig zu verbessern. Wer Trends und Marktbedürfnisse verschläft, bleibt sonst rasch außen vor.
Wie erkennt man den richtigen Zeitpunkt – oder war es einfach nur Zufall?
Ich denke, da gibt es kein Patentrezept. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen waren nicht die besten, als ich gestartet bin. Bei mir war es extreme Begeisterung, die Dinge besser zu machen. Es war die Kombination aus intensiver Marktanalyse, Intuition und der Vision mit dem großen Bild vor Augen, eine globale Lösung für die Bauindustrie zu entwickeln, wo jeder Projektbeteiligte seine Vorteile durch PlanRadar auf Knopfdruck erhält.
2017 erfolgte die Umbenennung von DefectRadar in PlanRadar – warum?
Es gab tatsächlich zahlreiche Nutzer, die erst nach der Namensumwandlung zu Kunden geworden sind, weil Sie sich mit DefectRadar nicht identifizieren konnten – darunter auch der Vorstand eines Konzerns, den ich am Tag der Umbenennung über das Rebranding informiert habe und worauf ein paar Sekunden nach dem Telefonat die unterschriebene Bestellung im Postfach gelandet ist. Er hat gemeint, „erst wenn Sie den Namen ändern, bestelle ich“. Mit PlanRadar war es so weit.
Wie wichtig ist Marketing für den Erfolg?
Ich war mir zu Beginn nicht sicher, ob DefectRadar passend ist – auf jeden Fall hat es am Markt polarisiert. Wichtig war es, den Fokus auf einen Problembereich zu legen, um rasch ein gutes, anwendbares Produkt auf den Markt bringen zu können. Mängelverfolgung war für mich ein wesentlicher und auch für jedermann verständlicher Bezug zur Bauindustrie. Ein wenig provokant, aber das war auch nur logisch, sich mit DefectRadar zu positionieren. Im Laufe der Jahre haben wir uns stark weiterentwickelt, Plananmerkungen ermöglicht, weitere Kundengruppen dazugewonnen und durch die generische Produktentwicklung neue Anwendungen ermöglicht. Da war es an der Zeit, sich ebenso marketingtechnisch euphemistischer zu entwickeln. Im Allgemeinen spielt das Marketing eine wesentliche und entscheidende Rolle für unseren Erfolg. Gerade vor dem Hintergrund unserer fortschreitenden Expansion ist es wichtig, dass wir wissen, wie wir potenzielle und bestehende Kunden in verschiedenen Märkten am besten ansprechen und für unsere Lösung begeistern können. Das geht nur, wenn man im Marketing top aufgestellt ist.
Die Idee für ein innovatives Produkt ist eines, die Finanzierung ein anderes. Ab wann konnten Sie ruhig schlafen?
Wir wussten aufgrund unseres raschen Erfolgs schon früh, dass wir ein großartiges Produkt in den Händen halten. Wir hatten seit Anfang ein starkes Kundenwachstum und bei verschiedenen Investoren hat sich unser Erfolg schnell herumgesprochen. Somit waren Fragen rund um die Finanzierung für uns nie ein Thema, das uns Kopfschmerzen bereitet hat.
Hat es Momente gegeben, wo Sie nicht an den großen Durchbruch geglaubt haben?
Ich hatte keinen Grund dazu, weil wir ein tolles Team mit hervorragenden Mitarbeitern haben, laufend mit den Kunden im Austausch und somit laufend am Puls der Zeit sind. Diese Komponenten gemeinsam schaffen Sicherheit und Vertrauen.
Wie wichtig ist finanzielle Unabhängigkeit? Wenn ich es richtig mitverfolgt habe, hat die A1 Start-up-Initiative Starthilfe gegeben. Geht es ohne großen Sponsor zu Beginn überhaupt?
A1 hat uns großartig in den ersten Startjahren unterstützt. Auf diesem Wege möchte ich mich beim gesamten A1-Team bedanken, dass eine Vorreiterrolle in Österreich gespielt hat, was Start-up-Unterstützung als Corporate anbelangt. Es gibt unterschiedliche Wege, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Unsere Unterstützer zu Beginn, die innovative Zusammenarbeit mit unseren Kunden und unsere Investoren haben für uns den gesunden Mix gebildet.
Wie wichtig sind Zugpferde wie die Porr als Kunde für ein Start-up?
Bekannte Großunternehmen wie die Porr sind immer eine wertvolle Unterstützung für ein Start-up oder Scale-up. Die Reichweite und das Standing derartiger Unternehmen sind sehr groß und das merken wir dann bei unseren Aktivitäten. Aber dazu muss man auch sagen, dass sich Porr & Co die am Markt verfügbaren Lösungen sehr genau ansehen. Wer kein Entwicklungspotenzial aufweist, kann also auch nicht damit rechnen, die Aufmerksamkeit großer Unternehmen auf sich zu ziehen.
Sie verfügen mittlerweile über zehn Unternehmensstandorte und rund 150 Mitarbeiter – kann man da überhaupt noch von einem Start-up sprechen?
Mittlerweile sind wir als Soonicorn im Gespräch, also ein Unternehmen mit dem baldigen Unternehmenswert von einer Milliarde Euro. Fakt ist, das wir unser Produkt und die Standorte rasch weiterentwickeln bzw. ausbauen.
Wie groß ist das Marktpotenzial aus heuriger Sicht?
Eine McKinsey-Studie besagt, nur sechs Prozent aller Baufirmen verwenden eine Software wie PlanRadar. Wenn alleine die Bauunternehmen in der D-A-CH-Region auf uns setzen würden, wären wir ein Multimillionen-EuroUnternehmen. Immerhin 25 der 50 größten Baufirmen in Österreich sind bereits Kunden.
Viele Start-up-Gründer träumen von „Gründen, wachsen, verkaufen, reich werden“ – wann ist der Verkauf geplant?
Derzeit ist das kein Thema. Reich an Erfahrung wird man auf jeden Fall und das ist auch der wertstiftende Beitrag, den wir als PlanRadar an unsere Kunden zurückgeben und was unseren Erfolg im Gesamten ausmacht. Wir haben noch sehr viel vor in Zukunft. Die Expansion in Europa hat erst begonnen und wir sehen für unsere Lösung noch sehr viel Potenzial.