Holzfassade
© Hasler/FH Joanneum

Lebenszykluskosten Fassade

Im Auftrag der Bauinnung führte die FH Joanneum eine Studie über Fassadensysteme durch, die den Lebenszyklus ökonomisch erfasste. Die Kernaussage ist, dass unter Berücksichtigung der Nutzungsphase die vermeintlich günstige WDVS teurer kommen kann.

Die Zahl der Lebenszyklusanalysen hat im Baugewerbe in den letzten Jahren zugenommen. Das kann als Indiz gewertet werden, dass das Bewusstsein über Kostenwahrheit nicht mit der Errichtung eines Gebäudes endet, sondern mit der Zerlegung und Entsorgung seiner Komponenten.

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Für eine Studie über Fassadensysteme wurden In Zusammenarbeit mit Wohnbauträgern insgesamt 106 Wohnbau-Objekte an 31 Standorten in der Steiermark ausgewählt und untersucht. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen, wo unterschiedlichste Fassadensysteme in der Praxis im Wohnbau untersucht wurden, legt die nun vorgestellte Ergänzungsstudie den Fokus auf die Lebenszyklusbetrachtung von vollständigen Außenwandkonstruktionen ergänzt um unterschiedliche Metall- und Holzfassaden. Da es sich bei den untersuchten Objekten auch um wärmetechnisch sanierte Häuser handelt, kann man von einer durchaus repräsentativen Auswahl für den gesamten Gebäudebestand im Bereich Wohnen ausgehen. Auftraggeber dieser Studie sind die Landesinnungen Bau der Länder Oberösterreich, Steiermark und Wien. Die Studie wurde vom FH Joanneum gemeinsam mit dem Institut für Bauplanung und Bauwirtschaft erstellt.

Grafik Gegenüberstellung Kosten Fassadensysteme

Die ausgewählten Fassadensysteme sind den drei Konstruktionsprinzipien zuzuordnen: WDVS machten 75 Prozent der untersuchten Objekte aus, 17 Prozent waren vorgehängt hinterlüftete Fassaden (VHF) und acht Prozent stellten monolithische Fassaden dar. In der Ergänzungsstudie wurden dann unterschiedliche Rohbausysteme mit verschiedenen Fassadenkonstruktionen (inkl. Holz und Metall) kombiniert sowie zwei monolithische Außenwandsysteme untersucht.

Ewald Hasler von der FH Joanneum und Professor am Institut für Bauplanung und Bauwirtschaft hatte die wissenschaftliche Leitung inne. Eine durch die Studie gewonnene Erkenntnis, die auch ihn überrascht hat, ist die allseitige Veralgung bei WDVS-Fassaden mit EPS nach nur 5-7 Jahren. „Wir haben festgestellt, dass die untersuchten Fassaden mit zunehmender Dämmstoffstärke auch an jenen Wänden Veralgung aufweisen, die nicht dem massiven Witterungseinfluss ausgesetzt ist. Dieser mikrobielle Bewuchs ist auf die niedrigeren Oberflächentemperaturen zurückzuführen, die für eine längere Kondensationszeit und damit mehr Feuchtigkeit sorgen.“

WDVS mit Mineralwolle als Dämmstoff wiesen aufgrund der größeren Masse des Systems weniger Veralgung auf. Dieser Befall hat zunächst einmal rein ästhetische Aspekte. Dennoch werden Hauseigentümer eine Verfärbung der Fassade kaum tatenlos hinnehmen. Je höher der repräsentative Charakter eines Gebäudes ist, umso wichtiger wird die visuelle Makellosigkeit. Der Aufwand einer Fassadenreinigung hängt aber auch davon ab, ob etwa Fassadensteiger oder doch ein Gerüst für die Reinigung nötig sind; auch das entscheidet sich bereits bei der Planung eines Gebäudes. Bei einem Aufwand von circa neun Euro pro Quadratmeter Fassadengerüst kann bei entsprechend großen Flächen und bei einem Hausbesitzer, der penibel auf die Wirkung seiner Außenhaut achtet, bei einer Nutzungsdauer des Gebäudes von 80 Jahren eine entsprechend hohe Belastung allein durch die regelmäßige Reinigung entstehen.

Förderung auf Lebenszykluskosten abstimmen

Die generelle Aussage der Analyse der Lebenszykluskosten kommt zu dem Urteil, dass bei VHF mit Faserzementplatten und Metall- sowie bei Holzfassaden verglichen mit WDVS geringe oder keine Nutzungskosten entstehen. Unbehandelte Lärchenholzbekleidungen weisen die besten Werte auf und sind praktisch wartungsfrei.

Freilich gibt es auch teure Baumaterialien, die bei der VHF als Bekleidung dienen und deutlich kostenintensiver in der Errichtung sind. So weisen beispielsweise Klinker- oder Natursteinfassaden hohe Anschaffungskosten aus. Für die Studie wurden auch VHF mit Aluminiumverbundplatten herangezogen, die für gewöhnlich hohe Herstellungskosten verursachen, die auch durch niedrige laufende Kosten nicht mehr ausgeglichen werden können.

Grafik Lebenszykluskosten

Es wäre also verkürzt zu behaupten, dass eine VHF umso günstiger wird, je länger sie im Einsatz ist und dass dadurch auf lange Sicht die WDVS immer einen ökonomischen Nachteil hat. Dennoch zeigt der Gebäudevergleich auf, wie wichtig es letztlich für Förderungen wäre, weg von den reinen Errichtungskosten auf die tatsächlichen Lebenskosten zu blicken. Schließlich ist die Bauwirtschaft als Konjunkturmotor interessiert daran, auf lange Sicht ökonomisch und ökologisch attraktiv zu bleiben.

Betrachtet man beide Qualitäten, dann würde sich laut dieser Untersuchung – neben den mit Abstand günstigsten, aber gestalterisch entsprechend limitierten monolithischen Systemen – die Planung einer vorgehängt hinterlüfteten Fassade mit Holzbekleidung, allen voran unbehandelter Lärche empfehlen. Die Konstruktion verspricht Wartungsfreiheit und benötigt praktisch keine Reinigung. Der Baustoff wächst nach, während er genutzt wird; ein Ideal der Kreislaufwirtschaft.

Verständlicherweise hängt die Wahl der Baumaterialien aber von Verfügbarkeit und Nachfrage ab. Wie volatil die Ressourcensituation sein kann, zeigen gerade die letzten Wochen. Sorgt man sich um die graue Energie, dann sind ferner der Rückbau, die Verarbeitung und der Transport zur Baustelle Kriterien für die ökologisch vorbildliche Errichtung.

Hasler macht darauf aufmerksam, dass die Zerlegung der WDVS erstens in der Regel komplex und zweitens durch den Anteil an Sondermüll manchmal lange Wege zur Deponie nach sich zieht, insbesondere dann, wenn die WDVS Flammschutzmittel aufweisen, die prinzipiell seit 2015 verboten sind: „Man darf nicht vergessen, wie leicht diese Dämmstoffe sind. Sie brauchen aber viel Platz und haben ein hohes Volumen. Ein LKW ist so rasch komplett gefüllt und fährt aufgrund langer Transportwege mitunter CO2-intensiv mehrmals zur Müllverbrennung. Eine Fassade mit Lärchenholz können sie eventuell am Ende noch als Brennmaterial verwenden.“ Die Kosten der letzten Tage einer Fassade sind nicht zu unterschätzen. Bei manchen Materialien kann man im Zuge der zunehmenden Bedeutung von Urban Mining sogar noch zum Verkäufer des Altmetalls werden. Jedenfalls ist die Frage der Einbindung in den Recycling-Prozess immer drängender und die Studie leistet eine Anschauungshilfe, welche Entsorgungsaufwände mit welchen Materialien verbunden sind.

Wahl der Fassade zentrale Planungsfrage

Es zeigt sich aber deutlich, dass die Wahl der Fassade und damit die Höhe der Gesamtkosten eine zentrale Planungsfrage ist. Anhand der Grafik 1 wird klar, wie hoch der Spielraum eben in dieser Planungsphase ist und wie er sukzessive schwindet. Eine Erfahrung, die leidgeprüfte Planer allerdings machen müssen, ist, dass sie um diese Lebenszyklen Bescheid wissen, der Bauherren manchmal jedoch trotzdem auf die niedrigeren Errichtungskosten schielt – getrieben von einem Investitionsumfeld, das immer noch die Errichtungskosten über alles stellt.

Die Studie macht aber auch auf ein Merkmal der WDVS aufmerksam, dass Bauherren und Planer berücksichtigen können: Die Separierung der Sockelzone. Auch wenn sich die ausgewählten Objekte mit den WDVS durch qualitätsvolle Ausführung und deshalb kaum Montagefehler auszeichneten, so ist der empfindlichste Teil einer Fassade meist der bodennahe Bereich. Da die Objekte jedoch von Wohnbau-Trägern errichtet wurden, ist die Ausführung stets mit höchster Sorgfalt erfolgt. Bei kleineren und privaten Projekten ist das manchmal nicht gegeben. Auch wenn das berühmte Klopfen des Spechts mehr und mehr abnimmt, so können Spritzwasser, angelehnte Fahrräder oder eben auch Vandalismus oder Unachtsamkeit im Erdgeschoss so mancher Fassade einen empfindlichen Riss zufügen. Das Eindringen von Feuchtigkeit kann dann eben nicht nur zu ästhetischen Störungen führen. Mechanische und biologische Schäden, die an die Substanz gehen, fordern kürzere Wartungsintervalle und somit höhere Nutzungskosten.

Für die Studie ausschlaggebend war eine Annahme von etwa 80 Jahren Rohbaubestandsdauer und einer Fassadenerneuerung bei den WDVS von 30, bei den VHF von 40 Jahren. Damit birgt in der Regel eine WDVS einen Austausch mehr als die VHF über den gesamten Lebenszeitraum einer Fassade. Die Realität der Realitäten zeigt allerdings, dass gerade mit dem Einbeziehen von Vordächern, Zwischengesimsen oder Balkonen auch ein Schutz der Fassaden einhergeht. Es haben bereits Gebäude der Renaissance profitiert von klugen und vor allem großzügigen Vordächern. Zweifelsfrei profitiert die langlebige Bausubstanz durch das regelmäßige Warten und Pflegen. Denn eine Fassade, die sich selbst reinigt, ist generell selten, auch wenn mittlerweile schon einige hervorragende wasser- und schmutzabweisende Materialien auf dem Markt sind.

Für einen kulturellen Wandel ist es nötig, dass auch im Wohnbereich die Bereitschaft zu alternativen Fassaden steigt. Meist ist es noch so, dass Unternehmen aus Gründen der Corporate Architecture die VHF dank ihrer gestalterischen Vielfalt bevorzugen. Genau diese Vielfalt aber auch die gesamtheitliche Betrachtung eines Bauwerks kann einem zeitgemäßen Wohnbau zu einem erwünschten Unterscheidungsmerkmal und den Bewohnern zu einer noch höheren Identifikation mit dem eigenen Heim verhelfen.