Logistikkonzept: Mit Rad und Roller zum Aufzug
Bis 2030 will der Aufzugkonzern Kone mit seinen weltweit mehr als 60.000 Mitarbeitenden komplett CO2-neutral arbeiten. Dafür braucht es auch im Servicebereich neue Lösungen. Kone wartet weltweit rund 1,4 Mio. Aufzüge und Rolltreppen, davon 35.000 in Österreich. „Wir wollen das Verkehrsaufkommen durch reguläre Wartungseinsätze und Entstörungsfahrten künftig umweltfreundlicher als mit Verbrennermotoren abwickeln“, erklärt Erwin Trinkl-Sebald, der für die landesweite Logistik des Unternehmens verantwortlich ist.
Elektroautos, wie sie Kone derzeit in der Schweiz testet, sind eine Möglichkeit der emissionsfreien Fortbewegung. Doch auch sie nehmen Platz weg und bleiben im Stau stecken. Warum also nicht dort, wo Aufzüge nah beieinander liegen, elektrische Zweiräder einsetzen?
Trinkl-Sebald sieht sein Unternehmen dabei in einer Vorreiterrolle. „Wir erproben nicht nur den Einsatz von Rad und Roller. Wir erproben ein ganzes Logistikkonzept, das auch wirtschaftlich ist.“ Dazu gehört, dass die Techniker genauso viele Wartungsfahrten und Störungseinsätze pro Tag wie bisher leisten sollen. „Weniger Einsätze pro Tag würden Mehrkosten bedeuten, die wir unseren Kunden gegenüber kaum vertreten könnten.“ Deshalb beauftragte Kone die Wiener Logistik-Beratung Econsult, im Vorfeld des Projekts alle Bestell- und Lieferabläufe zu analysieren und das Projekt auch in der Durchführung zu begleiten.
Konzept auch für andere Unternehmen interessant
Haben die Beteiligten mit ihrem Vorhaben Erfolg, wäre das Konzept für andere Unternehmen der Aufzugbranche und darüber hinaus interessant – zum Beispiel für große Telekommunikationsunternehmen, die ähnlich Kone mit lokalem Technikpersonal Tausende Anlagen vor Ort instand halten: Sendemasten, Router und Telefonanlagen. Auch könnte das Konzept ein Exportschlager werden.
Der Logistikexperte schaut dabei nach Deutschland, wo Kone rund 150.000 Anlagen in der Wartung betreut. „Die Diskussionen um Lieferverkehre in Ballungsräumen wie Berlin und die Frage, wie viel Platz das Auto künftig in der Stadt bekommen soll, sind für mich ein Déjà-vu. Hier können wir mit Logstep substanziell etwas beitragen.“
So vielversprechend die Aussichten sind, so breit ist die politische Unterstützung für das Projekt in Österreich. Die Bundesländer Wien und Niederösterreich, die
jeweiligen Wirtschafskammern sowie das Bundesministerium für Klimaschutz unterstützen das Vorhaben. Sie haben Logstep in ihr gemeinsames Projekt „Nachhaltige Logistik 2030+ Niederösterreich-Wien“, kurz „Logistik 2030+“ aufgenommen. Das Bundesministerium unterstützt Logstep im Rahmen seines Programms „Logistikförderung“ auch finanziell.
Flexibler und mit Ökostrom unterwegs
Aber was sagen die Mitarbeiter des Unternehmens, die nun seit fast vier Monaten in Wien mit Rad und Roller unterwegs sind? Servicetechniker Momcilo Kostic war von Anfang an Feuer und Flamme: „Die Lastenräder beschleunigen bis auf 25 km/h. Damit sind wir flexibler und schneller unterwegs als mit dem Auto – und fahren dabei mit Ökostrom.“ Nach drei Monaten allerdings hat er sein Lastenrad abgegeben, was er sehr bedauert. „Die Straßen sind teilweise für Lastenräder zu eng, vor allem wenn ein Auto in der zweiten Reihe parkt.“
Kostic ist daher auf den E-Roller umgestiegen. „Viel besser als ich erwartet hatte. Ich kann den Roller bei Bedarf mit in die Öffis nehmen. Bei Einbahnstraßen steige ich ab und schiebe den Roller auf dem Gehweg. Mit dem Rad wäre das eine Schufterei. Zudem kann ich teilweise bis an die Anlage vorfahren. Oder ich nehme den Roller die letzten Meter in die Hand.“
Größere Parkplätze für Lastenräder gewünscht
Sein Kollege Markus Zachistal hingegen ist genau den umgekehrten Weg gegangen. Er hat den Roller abgegeben und gegen das Lastenrad eingetauscht. „Die Zuladung ist größer und der Akku hält länger. Nur das Parken ist nicht optimal.“ Das findet auch sein Kollege Kostic, der sich größere Radabstellplätze wünscht. „Die normalen
Radstellplätze reichen für Lastenräder nicht aus. Da braucht es größere Flächen.“
Und welches Fazit zieht Logistiker Trinkl-Sebald? Er will E-Roller mit stärkeren Akkus einsetzen und die Lademöglichkeiten ausbauen: „Die können bei den Kleinlagern entstehen, deren Zahl wir ohnehin erhöhen wollen.“ Derzeit gibt es zwei Lager, die aber nicht ausreichen, um die Autos als Zwischenlager vollständig zu ersetzen. So schaut er sich derzeit bei den diversen Anbietern um, die in den Wiener Innenstadtbezirken in Kellern und in aufgegebenen Geschäftsräumen Lagerflächen anbieten.
Das Projekt wird ausgeweitet
Auch bei den Lastenrädern plant er Verbesserungen: In Gesprächen mit den Herstellern will er die Möglichkeiten für kompaktere Modelle ausloten. Ob das funktionieren wird? „Andere Kunden haben sicher dasselbe Problem wie wir.“ Bis dahin will das Unternehmen „normale“ Elektrofahrräder testen. „E-Bikes sind kleiner als Lastenräder, weshalb sie auf die üblichen Radstellplätze passen. Aber sie bieten – mit abnehmbaren Taschen ausgestattet – mehr Zuladung als ein Roller.“
Keine Änderungen sind dagegen bei den Transporten von und zu den Kleinlagern absehbar, die ebenfalls durch Lastenräder erfolgen. „Der Test läuft hier problemlos und ist problemlos skalierbar“, so Trinkl-Sebald. Soll heißen: Wächst die Zahl der Kleinlager, können auch diese durch Lastenräder von Drittunternehmen befüllt werden.