„Machen nur noch Bauteilaktivierung“
a3Bau: Sie propagieren die Bauteilaktivierung als die Zukunft des Heizens und Kühlens im Wohnbau. Wenn Sie sich an die Anfänge erinnern. Wann haben Sie begonnen, sich mit Bauteilaktivierung zu beschäftigen, wie war das zu Beginn?
Reinhard Egger: Zu Beginn bin ich mir wie ein Missionar vorgekommen. Ich habe etwa vor sieben Jahren begonnen, mich mit Bauteilaktivierung zu beschäftigen, im Sinne der Nachhaltigkeit. Das ewig gestrige Bauen wie vor 50 Jahren mit Radiatoren musste man ändern, weil zum einen die Smart-Wohnungen kleiner sind und zum anderen eine Fußbodenheizung vom Bauablauf her sehr aufwendig ist und auch teurer. Man braucht zwei Zentimeter mehr Estrich, den man ausheizen muss. Da gibt es eine neue Norm dafür. Das hält halt irrsinnig auf und erzeugt auch hohe Kosten. Dann haben wir Ke Kelit als Partner von der Bauteilaktivierung überzeugen können. Zuerst war da Widerstand intern, weil man ja kein Installateur sei. Danach mussten wir die Installateure überzeugen – ganz, ganz schwierig.
In die Breite ist lange Zeit gar nichts gegangen …
Stimmt, bei den HKLS-Planern ist zunächst gar nichts passiert. Ich persönlich glaube, es liegt auch daran, dass wir keine Ausbildung dafür haben. Dem Bauingenieur wird auf der Universität viel zu wenig für TGA (Technische Gebäudeausrüstung) ausgebildet.
Aber speziell das Kühlen mit Bauteilaktivierung wird durch den Klimawandel immer wichtiger werden.
Die FH Burgenland bildet in dieser Richtung aus …
Ja, aber auf der Uni gibt es nach wie vor kein entsprechendes Institut. Das fehlt meiner Meinung nach. Vermutlich weil die Industrie in der vorhandenen Haustechnik, die wir ausschreiben, gut davon lebt. Das ist das Grundproblem. Wenn wir keine Heizkörper mehr brauchen, dann können diese Hersteller ihre Geschäftszweige zusperren. Für die Bauteilaktivierung gibt es noch viel zu wenig Lobbying. Wie geht eine Genossenschaft bei einer Ausschreibung vor? Die geht her und beauftragt einen Planer für den Bau der Wohnungen. Der schreibt dann wie üblich aus. Die Miete errechnet sich aus den Bau- bzw. Herstellungs- den Grundkosten. Die Betriebskosten werden akontiert und am Ende des Jahres verrechnet.
Aber das Betriebskosten-Thema dreht sich jetzt langsam – es wird schon immer wichtiger, wie viel Energie man verbraucht als Mieter…
Das ändert sich jetzt langsam, ja. Als erstes Projekt mit Bauteilaktivierung haben wir in der Grellgasse in Wien einen Wohnhausanlage mit über 330 Wohnungen und einem sechsgruppigen Kindergarten gebaut. Da war ursprünglich eine Gas-Zentralheizung mit zwei Kesselheizungen ausgeschrieben. Da habe ich gefragt, ob wir etwas Neues ausprobieren dürfen. Die Schwarztal Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsanlagen hat das mitgetragen. Wir haben 7.500 lfm. Tiefenpfähle ausgeführt und das Warmwasser wird am Dach mittels thermischer Solar (200 m²) produziert, soweit es möglich ist. Und zusätzlich 3 Wärmepumpe mit einer Leistung von 650 kW. Durch die Regeneration im Erdreich im Bereich der Tiefensonden kühlen wir um durchschnittlich vier Grad runter. Die Kühlung darf im geförderten Wohnbau nichts kosten – außer die 20 Euro im Jahr / pro Wohnung für den Betrieb der Pumpe.
Was muss sich ändern?
Ein Grundproblem ist generell die Erfassung und Abrechnung der Betriebskosten der Gebäude. Aufgrund des Heizungsabrechnungsgesetzes muss in jeder Wohnung ein Zähler eingebaut werden, der alle fünf Jahre getauscht, sprich vom Mieter neu gekauft werden muss. Und der Mieter muss für die Abrechnung der Energiekosten zahlen. Hier könnten wesentliche Einsparung für den Mieter erzielt werden. Bei unserem Modell fallen für den Mieter wesentlich weniger Energiekosten an. Derzeit muss man aber noch um eine Ausnahmegenehmigung ansuchen, damit wir über die Quadratmeter Wohnnutzfläche abrechnen können.
Lieber macht man mit dem Geschäftsmodell weiter, das man schon kennt …
Das ist der Hauptgrund meiner Erfahrung nach. Aber es ist eine einfache Rechnung, was man sich an Energiekosten spart, wenn man statt wie bei herkömmlichen Heizsystemen mit einer Einspeistemperatur bis zu 55 Grad nur mehr eine Temperatur von 30 Grad benötigt. Projekte welche wir als GU ausführen, werden ausschließlich mit Bauteilaktivierung ausgeführt.
Das heißt, Sie setzen voll und ganz auf Bauteilaktivierung?
Ich bin kein gelernter Installateur, aber ich habe gesagt, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Die primäre Idee war, wie wir uns als GU am Markt außer über den Preis unterscheiden, was wir noch tun, damit wir den Auftrag bekommen. Unsere GU Angebote sind ausschließlich mit Bauteilaktivierung ausgepriesen und angeboten.
Die hohen Energiekosten erzeugen anscheinend noch zu wenig Druck bei den Auftraggebern alternativ auszuschreiben – kann man Wohnungen mit hohen Energiekosten noch an den Mieter bringen?
Dass nur mehr Green Building nachgefragt wird, ist noch nicht der Fall. Im höherpreisigen Eigentum ja, dort wird es als Verkaufsargument eingesetzt. Aber die Baukosten sind noch immer der bestimmende Faktor. Ich behaupte aber, dass Bauteilaktivierung gleich teuer ist, weil das Heizsystem mit dem Rohbau fertig ist und ich dadurch Bauzeit gewinne. Der Bauablauf ist auch viel einfacher.
Für die Bauteilaktivierung haben Sie eine Partnerschaft mit Ke Kelit. Warum exklusiv mit diesem Hersteller?
Mit Ke Kelit haben wir gemeinsam eine Technik für den Wohnbau entwickelt.
Ke Kelit bekommt von uns die Polierpläne und liefert die vorgefertigten Elemente. Das oberflächennahe Kühl- und Heizdeckenmodul wird auf der Deckenschalung montiert, die Module werden angeschlossen, wir drücken die Rohre ab und dann werden die Elemente mit der Decke ausbetoniert. Daher liegt unser System auch nicht zwischen der Bewehrung, sondern ganz nahe an der Deckenoberfläche.
Der Ablauf funktioniert aber nur dann, wenn Gerstl Bau Generalunternehmer ist?
Die Bauteilaktivierung muss gewerksübergreifend durchgeführt ausgeführt werden.
Dies ist nur als Generalunternehmer für uns möglich. Wir haben auch hier Partner gefunden, die mit uns gemeinsam ein Abwicklungskonzept erarbeitet haben.
Wo beginnt, wo endet euer Aufgabengebiet als GU?
Jetzt gibt es den GU+, wo wir auch die Ausführungsplanung machen. Und dann gibt es noch den Totalunternehmer – da haben wir auch schon fünf Aufträge erfolgreich abgewickelt, wo von der Ausführungsplanung bis zur Übergabe alles in unserer Hand liegt.
Mit einem gemeinnützigen Wohnbauträger haben wir sogar ein PPP-Projekt für einen Schulneubau der Stadt Wien durchgeführt. Bei einem PPP muss man finanzieren, planen, bauen und 25 Jahre betreiben.
Wird das GU-Modell vermehrt kommen?
Ich glaube, der GU+ ist die Zukunft, weil er zwar nicht die Einreichungs-, aber die Ausführungsplanung machen wird. Im Team mit Auftraggeber-Architektur und unserem Bauleitungsteam ist ein einfacher und schneller eine Ausführungsplanung und Detailplanung zu erarbeiten.
Ist BIM ein starkes Thema als GU-Auftragnehmer?
Unsere Auftraggeber sind zu 90 Prozent Wohnbaugenossenschaften bzw. gemeinnützige Bauträger als Generalunternehmer und Baumeisterarbeiten z.B. für die BIG und VAMED. Bei Generalunternehmerarbeiten machen wir machen intern ein 3D-Modell.
Es gibt auch das early-contracting wo der Generalunternehmer während der Einreichplanung bereits mit seinem know-how zur Verfügung steht.
Da sind wir beim Thema Pro und Contra Trennung von Planung und Ausführung …
Gemeinsam mit AG und Planer, Konsulenten müssen wir uns an neue Strukturen erst gewöhnen. Aber sehr oft gestaltet sich der Bauablauf mühsam und schwierig, weil man nicht im Team arbeitet. Jeder Techniker versteckt sich hinter einer Zeichnung und hunderten Mails. Bei einem aktuellen Auftrag mit 762 Wohnungen und 5.000 Quadratmeter Gewerbefläche haben wir drei verschiedene Bauherren (AG) drei Architekten, viele Konsulenten und unser eigenes Bauleitungsteam mit ca. 15 Mitarbeitern. Ich weiß, es ist ganz schwierig hier zu überzeugen, aber wir müssen am Bau andere Wege gehen. Wenn wir einen Totalunternehmer-Auftrag übernehmen, nehmen wir uns zu Beginn drei Tage Zeit zum Kennenlernen und Teamtraining. Es würde alles viel leichter gehen, wenn man miteinander redet und mit Achtung und Respekt begegnet. Es ist nicht leicht, aber ich versuche immer zu überzeugen, dass wir nur im Team gewinnen können.
Der von Ihnen konzeptionierte Sanierungskonfigurator hat auch viel Überzeugungsarbeit gekostet, wie ich gehört habe …?
Hier geht es um Sanierung einzelner Wohnungen. Es hat zwei Jahre gedauert, bis das Tool erarbeitet und intern angenommen wurde, weil als Einwand kam: „Müssen wir uns das nicht vorher anschauen und müssen wir da nicht eine Ausschreibung machen?“. Ich habe gesagt: Nein, wir konzipieren eine Plattform, wie es der Handel schon lange erfolgreich einsetzt. Es gibt einige Parameter für die Wohnung, die man auswählt, und man weiß in zehn Minuten, was eine Sanierung einer Wohnung kostet. Unser Sanierungskonfigurator erzeugt einen Warenkorb, in welchem die geforderten Leistungen enthalten sind.
Solche Tools zu etablieren, dauert am Bau viel länger als in anderen Branchen. Wir haben intern auch einen digitalen Bauzeitenplan entwickelt, mit dem ich genau weiß, wo jede Baustelle steht – der mir den Baufortschritt in Prozent ausweist und zeigt, welches Gewerk in welcher Wohnung gerade arbeitet.
Wie heißt das Tool?
Ich habe es „NoMuda“ genannt, kommt aus dem Japanischen und heißt „keine Verschwendung“. Jeder Professionist erhält einen Bauzeitplan digital und kann seine Leistungen auf seinem Handy ablesen und weiß, dass die Vorleistung erledigt sind und er seine Leistung erbringen kann. Nach Fertigstellung der Leistung gibt er diese per Handy frei. Wie soll man sonst bei 700 Wohnungen und 400 Leuten wissen, was wo zu tun ist. Mit diesem Tool könnte man auch die Abrechnung machen. Es war schwierig, die eigenen Leute zu überzeugen und jetzt überzeugen diese die Subunternehmen von unserem digitalen Bauzeitenplanungs-Tool. Und mittlerweile haben alle die Vorteile dieses Tools erkannt und setzen dieses auch erfolgreich ein. Bei jeder Baubesprechung kann der Leistungsstand für jedes einzelne Gewerk digital abgerufen werden.
Wie stehen Sie zum Thema „Einsatz von KI in der Bauwirtschaft“?
Die KI und verbundene Transformation wird unser Leben sehr verändern. Das kann man jetzt verurteilen und versuchen zu verbieten, aber es wird nichts daran ändern. In der Verwaltung wird es riesige Umwälzungen geben. Ein Akt ist nur mehr elektronisch. Auch im Rechnungswesen und in der Finanzbuchhaltung wird es hier große Veränderungen geben. Das Ausschreibungssystem wird mit KI revolutioniert werden. Jene, die das alte System kennen, werden sich wehren, aber ich glaube, dieses Wehren ist umsonst. Die Kosten zwingen uns dazu. Wir haben einen Käufermarkt. Am Bau wird derjenige überleben, der die Kosten im Griff hat. Es ist die ureigenste Aufgabe einer Baufirma, kostengünstig zu bauen bzw. zu produzieren. Durch KI wird alles transparenter und es kommt zu mehr „Fair Play“.
Wie schaut bei Gerstl Bau die aktuelle Auftragslage aus? Auch in der Krise angekommen?
Nein. Die Voraussetzungen sind neue, aber das wissen wir schon seit zwei Jahren. Die Berresgasse befindet sich in der Fertigstellungsphase, zusammen mit unserer Tochterfirma machen wir dort rund 1.700 Wohnungen. Dann gibt es noch den Med Campus in Wien und ich sehe die nächsten Aufträge in der Pipeline. Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin sowieso Berufsoptimist und stelle mich auf die neuen Herausforderungen ein und die Frage für die Zukunft wird sein, ob wir die Kosten am Markt unterbringen. Die Welt wird sich nicht nach uns bei Gerstl Bau richten, wir müssen uns an den Markt anpassen. Deshalb machen wir auch mehr in der Sanierung. Es wird zwar Stadterweiterung geben, aber sicher nicht mehr in dem Rahmen wie bisher, wo wir in Wien 17.000 bis 18.000 Wohnungen gebaut haben, das wird wieder auf 10.000 bis 12.000 Einheiten zurückgehen, aber dafür kommt die Sanierung. Aber Sanieren ist viel mehr als nur Vollwärmeschutz …. das müssen wir kompletter denken. Sanierung ist mehr!
Wie schaut es mit der nachträglichen Bauteilaktivierung in der Sanierung aus?
Wir haben in Wien in der Penzinger Straße ein erstes Projekt in der Sanierung. Da wir jetzt aufgrund der neuen Bauordnung in der Raumhöhe auf 2,40 Meter runtergehen können, ist es möglich nachträglich ein Deckenelement mit sieben Zentimeter Stärke einzubauen. In diesem ist die Bauteilaktivierung enthalten. Damit kann man heizen und kühlen. Der Vorteil ist auch, dass der Mieter nicht ausziehen muss, weil wir Raum für Raum machen.
Wie erfolgt der Anschluss an die Haustechnik?
Wir fahren in der Ecke in einem kleinen Kanal hoch oder wir verwenden nicht benützte Kamine für die Versorgung. In Wien gibt es die Fernwärme, ansonst setzen wir Wärmepumpen oder Tiefensonden ein. Bei den Wärmepumpen haben wir noch das Problem, dass es etwas laut wird. Da muss man im Keller oder im Dach Platz dafür finden. Apropos: Meiner Meinung nach gehören die Bauordnungen und Baugenehmigungen dahingehend geändert, dass nur mehr der eine Baugenehmigung bzw. Förderung im Neubau erhält, der ohne fossile Brennstoffe auskommt. Die EVUs haben ihre Geschäftsmodelle noch nicht geändert bzw. befinden sich erst in der Transformation, weil eigentlich könnten Wien mehr Dächer mit Photovoltaik ausstatten sein und die Sonnenenergie speichern.
Haben Sie Erfahrung mit Sonnenstrom?
Wir machen gerade unsere ersten PV Anlagen mit einem 375 kWp. Mit einem 100 kW Speicher vor Ort, welcher 70.000 Euro kostet und sich in fünf Jahren amortisiert. Die Geschäftsmodelle der EVUs basieren noch auf der Einspeisung ins Netz, aber effektiver ist es, den Strom zu speichern und dort zu verbrauchen, wo er erzeugt wird. Technisch ist die Speicherung gelöst, aber noch zu teuer, weil keine Massenware. Diese Dinge werden kommen, aber viel zu langsam. Es braucht heiße Sommer wie diesen, dann kommen die Menschen auf die richtigen Lösungen – wie die Bauteilaktivierung.