
Neue Rezepturen für grünes Bauen
Die Einführung umweltfreundlicherer Baustoffe erfordert Anpassungen in der Verarbeitung, aber auch bei den Zusatzmitteln. Holcim, einer der weltweit größten Baustoffproduzenten, investiert kontinuierlich in Produktinnovationen, um den CO₂-Gehalt im Baustoff zu verringern und Stoffkreisläufe zu schließen. Holcim Österreich setzt auf CO₂-reduzierte Produkte wie den ECOPlanet Zement und den ECOPact Beton. Die Herstellung dieser Baustoffe erfordert die Integration neuer Zusatzstoffe, die mit alternativen Rohstoffen wie Flugasche, Hüttensand oder Puzzolan kompatibel sind. Diese Materialien verändern die chemischen Eigenschaften des Betons, was spezifische Anpassungen bei den verwendeten Additiven notwendig macht.
Bei Alpacem Zement Austria ist die Entwicklung des Zements CEM II/C, der durch seinen reduzierten Klinkeranteil eine deutlich verbesserte CO₂-Bilanz aufweist, das konkrete Ergebnis der Strategie, Forschung, Entwicklung und Produktion konsequent auf Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung auszurichten. Ein weiteres Problem bei grünen Zementen und Betonen ist, dass sie in der Regel langsamer aushärten als herkömmlicher Beton. Für Bauchemie-Hersteller bedeutet dies, dass sie neue Beschleuniger oder andere Additive entwickeln müssen, um eine schnellere Aushärtung zu gewährleisten, ohne die langfristige Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Betons zu beeinträchtigen. Hier kommen beispielsweise speziell entwickelte Beschleuniger ins Spiel, die bei niedrigen Temperaturen schneller reagieren, aber gleichzeitig umweltfreundlicher sind als traditionelle Chemikalien. „Die oft angesprochene veränderte Verarbeitbarkeit neuer, CO₂-armer Zemente ergibt sich aus dem effizienteren Einsatz des Zementklinkers im Zement und folglich im Beton. Gerade hier kann die Bauchemie Lösungen anbieten. Somit ist eine enge Abstimmung zwischen Zementhersteller, Bauchemie und Betonindustrie essenziell für den Erfolg von CO₂-reduzierten Zementen – denn nur wenn alle Komponenten präzise aufeinander abgestimmt sind, lassen sich nachhaltige Baustoffe erfolgreich in der Breite einsetzen“, erklärt Peter Ramskogler, Vertriebsdirektor Alpacem Zement Austria: „Mit der steigenden Nachfrage an unseren neu entwickelten Zementen ermöglichen uns aber jetzt schon produktspezifisch optimierte Zusatzmittel und Mahlhilfsmittel, dass die Betonverarbeiter weiterhin die gewohnte Betonqualität geliefert bekommen. Durch diese Optimierungen wird der Beton jedoch zusehends sensibler auf Eingriffe außerhalb der Qualitätssicherungskette. Wir setzen hier auf neue Qualitätssicherungsmethoden und verstärken die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“
„Wir bei Mapei sind diesen Herausforderungen proaktiv begegnet und haben in Zusammenarbeit mit verschiedenen Ausschüssen und Kooperationsverbänden innovative Lösungen entwickelt“, erklärt Andreas Wolf, Geschäftsführer Mapei Austria GmbH.
"Grüner Beton" und neue Anforderungen an bauchemische Zusatzmittel
Ähnlich die Reaktion bei Baustoffhersteller Murexin: „Die zunehmende Nachfrage nach emissionsarmen Baustoffen wie ,grünem‘ Beton verändert auch die Anforderungen an bauchemische Zusatzmittel. Unsere Antwort darauf: Flexibilität und vorausschauende Forschung. Im Rahmen von Innovationsprojekten wie Kraisbau analysieren wir gezielt den Einsatz alternativer Rohstoffe, auch mithilfe KI-gestützter Tools. Unser Ziel ist es, die Kompatibilität neuer Bindemittel mit unseren Produkten nicht nur sicherzustellen, sondern aktiv mitzugestalten. Als mittelständisches Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung können wir rasch auf neue Anforderungen reagieren – und Produkte entwickeln, die den Wandel mittragen“, so Rainer Pascher, technischer Geschäftsführer Murexin GmbH.
Viele Unternehmen der Bauchemiebranche entwickeln natürlich auch Produkte, die den eigenen CO₂-Fußabdruck verringern, wie umweltfreundliche Dichtstoffe, Klebstoffe und Beschichtungen. „Wir arbeiten intensiv an Lösungen, die ökologische Anforderungen mit hoher Leistungsfähigkeit verbinden. Ein Beispiel dafür ist unsere Spezialabdichtung WD-1K, die mit ihrer Vielseitigkeit und Umweltverträglichkeit punktet – etwa bei der Sanierung von Tiefgaragen, wo emissionsarme Verarbeitung besonders gefragt ist. In Kürze erweitern wir unser Sortiment um die 1K RS-Abdichtung“, berichtet Pascher.
Es gibt auch Fortschritte bei der Verwendung von recycelten Materialien und der Reduktion von Schadstoffen in Baustoffen. Ein Beispiel dafür ist RE-Con Zero Evo von Mapei, ein innovatives Zweikomponentensystem zur Umwandlung von Restbeton in wiederverwendbares Granulat – ohne Abfall und damit im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft. Besonders stolz ist man bei Mapei auf den Gewinn des Clusterland Award 2024 für das Projekt UP!crete. Gemeinsam mit Partnern forscht das Unternehmen an der Verbesserung der Eigenschaften von Recycling-Gesteinskörnungen, um natürliche Rohstoffe im Betonbau zunehmend zu ersetzen. Ziel ist es, das Potenzial von Recyclingbeton durch Upcycling-Ansätze voll auszuschöpfen. Wolf: „Diese Auszeichnung bestätigt uns in unserem Engagement für zirkuläres Bauen und zeigt, wie wichtig praxisorientierte Forschung in Kooperation mit anderen Akteuren der Branche ist.“
Bei Bauchemie-Hersteller Sika bestätigt man ebenfalls den Trend zu grünen Baustoffen, Geschäftsführer Markus Egger ergänzt: „Die Nachfrage aus der Branche schlägt momentan in zwei Richtungen aus: Während Architekten und Bauherren die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten erhöhen, setzen viele Verarbeiter weiterhin auf bewährte Materialien. Für uns bedeutet nachhaltige Produktentwicklung daher nicht nur ökologische Optimierung, sondern auch, die Performance und Verarbeitbarkeit der Produkte weiter zu steigern.“ Am Standort Bludenz hat man daher intensiv an Lösungen geforscht, die höchsten technischen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig die Umwelt entlasten. Mit neu eingeführten Produkten wie zum Beispiel Sika MonoTop-4010, -4052 und -4080 bietet Sika Produkte, die einen geringeren Zementanteil aufweisen, damit CO₂ einsparen und dank staubreduzierter Formulierungen deutlich angenehmer zu verarbeiten sind. Die gleichzeitige Leistungssteigerung von neuen Produkten macht diese auch für Verarbeiter attraktiver.
Effiziente Bauprozesse
Die Branche bewegt sich in Richtung effizienterer Bauprozesse, was eine Verkürzung der Bauzeiten zur Folge hat. Daher liegt der Fokus auf der Entwicklung von Produkten mit schnelleren Reaktionszeiten, ohne dabei die Verarbeiterfreundlichkeit zu vernachlässigen. Wolf: „Ein Beispiel hierfür sind unsere Estrichbeschleuniger, die eine schnellere Belegreife ermöglichen und somit den Baufortschritt erheblich beschleunigen.“ Schnelligkeit, aber auch verarbeiterfreundliche Lösungen liegen im Trend. Egger (Sika): „Neben dem Trend zu nachhaltigen Produkten sehen wir eine stark steigende Nachfrage nach verarbeiterfreundlichen Lösungen – nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels am Bau.“ Ein gutes Beispiel dafür ist das Fugenband Sika Waterbar FB-125, das aus österreichischer Forschung und Entwicklung stammt. Es ermöglicht eine deutlich einfachere und schnellere Verlegung im Vergleich zu herkömmlichen Fugenblechen und -bändern. Dadurch lässt sich die Arbeitszeit für diesen Verarbeitungsschritt um bis zu 75 Prozent reduzieren – und entsprechend auch die Kosten auf der Baustelle.
Bei Murexin steht ebenfalls die Kombination aus Funktionalität, Nachhaltigkeit und Qualität im Fokus. Pascher: „Der Markt verlangt heute mehr denn je nach praxisorientierten, verarbeiterfreundlichen Lösungen. Dabei geht es um eine ausgewogene Balance: Verarbeitungssicherheit, flexible Offen- und Abbindezeiten sowie ein robustes Systemverständnis sind gefragt. Bei Murexin setzen wir auf genau diese Aspekte. Unsere Entwicklungen orientieren sich stark an den Bedürfnissen der Verarbeiter – etwa mit einfach anwendbaren, schnell aushärtenden Produkten, die auch bei komplexen Sanierungsaufgaben zuverlässige Ergebnisse liefern. Der wachsende Fachkräftemangel erfordert dahingehend Lösungen von uns.“
Produkte für den Klimawandel
Längere Hitzewellen und höhere Temperaturen in den Sommermonaten bedingen ebenfalls neue Rezepturen. Fassadenflächen sind den neuen klimatischen Bedingungen besonders ausgesetzt. Fassadenputz wird bei zunehmenden Temperaturen anfällig für Staub, was langfristig zur Vergrauung führt. Baumit hat die Lösung für ein Problem, das sich, bedingt durch den Klimawandel, in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Baumit hat mit CrystalSet ein mineralisches Putzsystem mit dem einzigartigen CrystalEffect entwickelt, das diesen Herausforderungen einwandfrei standhält. Das Geheimnis dahinter ist sein mineralisches Bindemittel. Das Zusammenspiel von Activator und CrystalTop erzeugt den sogenannten CrystalEffect der sich in besonderer Widerstandsfähigkeit äußert – für strahlend schöne Fassaden über Jahrzehnte. Das mineralische Bindemittel wird so lange stabilisiert, bis der pastöse Putz mit dem Baumit CrystalActivator in Kontakt kommt – erst dann wird der Abbindeprozess gestartet und die besondere Widerstandsfähigkeit wird aufgebaut.
CO2-optimierte Produkte
Gemeinsam mit dem Lieferanten Celanese ist es Baumit als europaweit erstem und aktuell einzigem Baustofflieferanten gelungen, ab Februar 2025 ein neues Verfahren bei der Bindemittelproduktion einzusetzen, dass das bei der Produktion entstehende CO₂ wieder dem Produktionsprozess zuführt. Das Besondere ist dabei das CCU-Verfahren, wodurch entstandenes CO₂ nicht in die Atmosphäre gelangt und auch nicht deponiert, sondern im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwertet wird. Dieses revolutionäre Verfahren wird bei 100 Prozent der entsprechenden Bindemittel eingesetzt und reduziert bei Baumit somit bis zu 5.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.
Baustoffproduzent Sto verfolgt eine große Vision: Technologieführer für die menschliche und nachhaltige Gestaltung gebauter Lebensräume zu sein. Mit der Mission „Bewusst bauen“ werden in enger Zusammenarbeit mit Marktpartnern innovative funktionelle Produkte und Systeme zur Gestaltung von Bauteilen und Bauteiloberflächen im Außen- und Innenbereich entwickelt, so Walter Wiedenbauer, Geschäftsführer Sto Österreich: „Klimaschutz bedeutet für Sto auch, über alternative Rohstoffe nachzudenken, um CO₂ einzusparen. Wir optimieren unsere Produkte, wo immer es sinnvoll ist. Das gelingt uns, indem wir nachwachsende Rohstoffe einsetzen oder auf Energie-intensive Rohstoffe wie Zement verzichten. Dadurch können wir unseren Kunden CO₂-optimierte und auch klimaneutrale Produkte anbieten.“ Klimaschutz, Ressourcenschonung, Recycling und Bionik sind die wichtigen Parameter für die nachhaltige Produktlinie StoClimate – unterstützt durch die strengen Ökolabels natureplus, Österreichisches Umweltzeichen und Blauer Engel.
Nachhaltigkeit kostet
Die Forschung und Entwicklung nachhaltiger Baustoffe ist kostenintensiv, aber auch die Nachweiserbringung hat seinen Preis. Egger: „EPDs zu entwickeln ist ein enormer Zeitaufwand, für die wichtigsten nachhaltigen Produkte gibt es diese bereits.“ Die Anzahl der EPDs wird in Zukunft steigen, ist Egger sicher: „Mit unserem Sustainability Portfolio Management (SPM)-Ansatz bewerten wir systematisch Produkte entlang definierter Nachhaltigkeits- und Leistungskriterien wie Klimawirkung, Ressourceneffizienz oder Luftqualität. Dieser Ansatz ist in unseren Produktentwicklungsprozess integriert und ermöglicht es uns, gezielt in Lösungen mit hohem Nachhaltigkeits- und Marktpotenzial zu investieren. Nachhaltige Innovationen sind ein zentraler Pfeiler der Unternehmensstrategie – gerade in einem Markt, der unter starkem Effizienz- und Transformationsdruck steht. Deshalb entwickeln wir Lösungen, die nicht nur zu Klima- und Umweltzielen beitragen, sondern auch die technische Leistungsfähigkeit von Produkten verbessern, etwa durch reduzierte CO₂-Emissionen, den Einsatz kreislauffähiger Materialien, längerer Haltbarkeit oder einfacherer Verarbeitung.“
Für einen Großteil der Mapei-Produkte werden die Umweltauswirkungen in jeder Phase des Lebenszyklus bewertet. Jede Formulierung, sämtliches Gebinde, jeder einzelne Produktionsschritt sowie Transportmethoden: Alles wird bis ins Detail untersucht, um die CO₂-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Produkte zu evaluieren und als Folge davon zu reduzieren. Und was nicht verhindert werden kann, wird von Mapei durch den Erwerb zertifizierter CO₂-Gutschriften kompensiert. Das Ergebnis ist eine EPD (Environmental Product Declaration). Mapei verfügt aktuell über mehr als 800 Einzel-EPDs, diese Zahl wird kontinuierlich erhöht. Wolf: „Bezüglich Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) sind wir Branchenführer. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Unsere Zero-Linie wächst kontinuierlich und umfasst mittlerweile eine Vielzahl von Produkten mit vollständig kompensierten CO₂-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus. Dazu zählen unter anderem Mapelastic Zero, Ultralite S1 Flex Zero und Mapefill Zero. Diese Produkte bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern erfüllen auch höchste technische Anforderungen.“
Zukunftsfähige Bauchemie im Blick
Die Entwicklung grüner Zemente und Betone stellt für Hersteller von Bauchemieprodukten eine erhebliche Herausforderung dar, da sie ihre Produkte auf völlig neue chemische Anforderungen abstimmen müssen. Die Anpassung bestehender Zusatzmittel und die Entwicklung neuer innovativer Lösungen sind entscheidend, um die gewünschten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ohne die Qualität und Funktionalität der Baustoffe zu beeinträchtigen. Hersteller reagieren auf diese Herausforderung mit verstärkten F&E-Investitionen, neuen Produktlinien und Kooperationen mit Forschungseinrichtungen, um die Bauchemie zukunftsfähig zu machen.
Nach einem stagnierenden Umsatzjahr 2024 und einer stabilen Auftragslage im Tiefbau erwartet sich die Branche im zweiten Halbjahr 2025 eine Belebung des Marktes. Bernhard Mucherl, kaufmännischer Geschäftsführer Murexin GmbH: „2024 war ein forderndes Jahr für die gesamte Bauwirtschaft – insbesondere im Wohnungsneubau, wo die Investitionszurückhaltung spürbar war. Gleichzeitig zeigte der Sanierungs- und Instandsetzungsbereich eine deutlich robustere Entwicklung – hier konnten wir ein moderates, aber kontinuierliches Wachstum verzeichnen. Für 2025 sehen wir eine Fortsetzung dieses Trends: Der Neubausektor bleibt angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Finanzierungsengpässe weiterhin unter Druck. Eine spürbare Erholung dürfte erst mittelfristig erfolgen.“
Großes Potenzial sieht man auch bei Mapei in der Sanierung, Aufstockung und im Zubau. Wolf: „Angesichts des begrenzten Baulands und der Notwendigkeit, bestehende Strukturen effizient zu nutzen, wird dieser Bereich zunehmend an Bedeutung gewinnen. Unsere Produktentwicklungen sind darauf ausgerichtet, diesen Trend zu unterstützen.“ Regulatorische Hürden bleiben weiterhin eine Herausforderung – hier braucht es Vereinfachungen, meint Egger (Sika): „Trotz des schwierigen Umfelds sehen wir uns als starker Partner im Bau- und Infrastrukturgeschäft. Eine echte Markterholung erwarten wir frühestens ab 2026.“