Sarah Buchner Strabag Kooperative Bauabwicklung
Sarah Buchner über Risiken und Chancen alternativer Vertrags-/Partnering-Modelle

Projektabwicklung auf Augenhöhe

Partnerschaftliche Abwicklung rückt angesichts vieler aus dem Ruder laufenden Bauprojekte in den Fokus. Doch was können Partnering-Modelle tatsächlich leisten? Im Interview erklärt Sarah Buchner, wie partnerschaftliches Agieren den Erfolg in der Praxis sicherstellen kann.

a3BAU: Sie wurden kürzlich für Ihre Diplomarbeit „Risiken und Chancen alternativer Vertrags-/Partnering-Modelle“ beim Baukongress in Wien ausgezeichnet. Darin schreiben Sie, dass „Partnering-Modelle prinzipiell nichts Neues seien, aber in Zentraleuropa so gut wie gar nicht zum Einsatz kommen. Woran liegt das?



Sarah Buchner: Ich glaube, dass das Einzelkämpfertum tief in uns verwurzelt ist. Jeder versucht sich gegenüber dem Auftraggeber, seinem Subunternehmer – wer auch immer firmenextern beteiligt ist – abzusichern. Hier umzuswitchen ist für die Projektbeteiligten nicht leicht. Wobei Partnering, wie es ursprünglich propagiert wurde, unter dem Motto „Wir haben uns alle lieb und arbeiten eng zusammen“ – das wird nicht funktionieren, weil das wie gesagt per se nicht in unserer Psychologie und vor allem Erziehung steckt. Partnering im Sinne eines Vertrages, der monetär abbildet, wie sich Auftragnehmer und Auftraggeber die gemeinsam erzielten Einsparungen, aber möglicherweise auch Verluste aufteilen, das macht Sinn und das ist dann ein Parterning, welches auch psychologisch funktionieren kann.

Wie kann die Risikoverteilung in Verträgen festgeschrieben werden, wie das Vergütungsmodell aussehen?



Nehmen wir die Trassenführung einer Autobahn. Im Vorfeld weiß man nicht, ob der Baugrund vereinfacht gesagt rechts oder links besser geeignet ist. Also schließt man nach genügend Voruntersuchungen einen Pauschalvertrag, überträgt das Baugrundrisiko und dann baut man los und wenn man sieht, dass die Voraussetzungen rechts ungenügend sind, dann muss man auf links ausweichen. Es kann aber nicht sein, dass der Auftragnehmer solche Risiken völlig allein trägt. In den moderneren Verträgen wird das so geregelt, dass der Auftraggeber vom Auftragnehmer eine Risikoeinschätzung einfordert. Das sind lange Excel-Listen, mit Baugrundrisiko, Nachunternehmer-Preisschwankungen, Materialpreisschwankungen etc., die alle bewertet werden. Aufgrund der Erfahrung kann man in etwa einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese definierten Risiken eintreten. Irgendwann wird das mittels Big-Data-Analyse automatisch funktionieren, aber so weit sind wir auf Grund der mäßigen Datenlage in der Baubranche noch nicht. Wenn der Risikoeintritt beispielsweise mit 50 Prozent bewertet wird, nimmt man die Kosten bei Risikoeintritt zur Hälfte mit auf in die Kalkulation. Wenn dieses Risiko schlagend wird, passiert das natürlich zu 100 Prozent, aber andere Risiken treten dafür nicht ein – so versucht man schon vorab, näher an die tatsächlichen Baukosten heranzukommen und dies auch von Vornherein offen zu legen. Abgerechnet wird dann – in einer Art „open book“-Form nach tatsächlich angefallenen Kosten. Aktuell werden diese Risiken nicht mit eingepreist, sondern es wird im Nachhinein geclaimt und diskutiert, was man nun hätte wissen müssen und was nicht.

Eine ehrliche Kalkulation würde allen Projektbeteiligten vermutlich guttun?



In Wahrheit geht es um Transparenz. Wenn das Baugrundrisiko schlagend wird, dann kann man sagen: Ok, wir haben es damals mit einer gewissen Summe bewertet und dann wird sauber abgerechnet. Würde man alle Risiken vorab wissen, gäbe es keine Risiken und somit auch diese Diskussionen nicht. Aber wir sind eben keine stationäre Fabrik, sondern von externen Faktoren abhängig. Natürlich ist das Baugrundrisiko, auf Grund der gesetzlichen Regelungen diesbezüglich, nicht das passendste Beispiel, aber eines, was man einfach versteht. Ich glaube nicht per se, dass Kalkulationen unehrlich sind, aber durch den Preisdruck und vor allem den Zeitdruck in der Kalkulation ist eine saubere, transparente Kalkulation oft schwer umsetzbar.

Für Ihre Arbeit haben Sie mit einigen Experten gesprochen. Was ist aus deren Sicht das größte Problem in der Projektabwicklung?



Der Zeitdruck, wodurch wir viel zu kurze Vorlaufzeiten haben, und die generelle Unterpreisigkeit am Markt, an der die Branche selbst schuld ist. Wenn Baufirmen unter Druck sind, weil sie Leute beschäftigen müssen, dann nehmen sie auch unterpreisige Angebote an. Oft sind aber auch auftraggeberseitig Vorstellungen vorhanden, die unrealistisch sind. Momentan leiden wir aber nicht an Unterbeschäftigung, also könnten wir jetzt etwas ändern.

Sie attestieren in Ihrer Arbeit auch mangelnde Projektmanagementfähigkeiten, vor allem auf Seiten der öffentlichen Auftraggeber …



Früher hatten die öffentlichen Auftraggeber viel mehr Expertise im eigenen Haus. Bei der Verschlankung der Strukturen wurden in einigen Ländern viele Bauabteilungen verkleinert. Wenn ich diese Expertise auslagere und nur mehr Projektleiter im Haus habe, wie soll dann eine Einzelvergabe funktionieren?

Das heißt öffentlichen Auftraggebern sind Einzelvergaben eher nicht zu empfehlen?



Buchner: Am Anfang schaut es so aus, als könnte man mit Einzelvergaben Geld sparen. Aber was passiert bei einer Einzelvergabe? Das ist, wie, wenn ich für ein Auto die Räder und alle Teile einzeln kaufen würde, dann brauche ich aber immer noch jemanden, der mir die Einzelteile zusammenbaut. Aber wenn ein paar Schrauben fehlen oder wie beim Bau oft Schnittstellen nicht passen, muss ich erst wieder Know-how zukaufen. Im Endeffekt nehme ich die Synergien heraus, die ein GU schaffen kann. Als Einzel-Auftragnehmer habe ich einfach das Ziel, mein Gewerk abzuschließen, als GU muss ich darauf schauen, den Termin und den Preis zu halten. Daher: Wenn ich die Expertise nicht im Haus habe, dann Finger weg von der Einzelvergabe.

Was kann oder könnte das Vergaberecht hier leisten?



Man sieht an der Grafik (auf Seite 123) sehr schnell, dass meine empfohlenen, alternativen Vergabemodelle alle nicht komplett vergabekonform sind. Aber bei allen Systemen, die ich empfehle, haben wir international gesehen, dass diese wirklich funktionieren. Jetzt muss ich mich fragen, was will unser Vergabegesetz bezwecken?  Vielleicht müsste man sich da über eine Modernisierungsnovelle Gedanken machen.

Im neuen Vergabegesetz finden sich immerhin Ansätze in Richtung early contracting …



Bei der frühzeitigen Einbindung des Auftragnehmers, also dem Early Contractor Involvement, hole ich mir die Expertise, die ich nicht im Hause habe, gleich zu Beginn ins Boot. Schon während der Entwurfsphase versucht man gemeinsam das Projekt zu optimieren und etwas einzusparen.

Dieser Experte ist aber nicht zwingend der spätere Ausführende?



Nein. Während der Planungsphase wird diese Leistung z.B. Stunde für Stunde abgerechnet. Dieses Unternehmen kann im späteren Verlauf aber ein Angebot legen. Wenn man sich dabei aber nicht einig wird, ist ein Exit schon vorab vertraglich geregelt. Early Contractor Involvement kann als Planungsconsulting gesehen werden. Fast wie ein gestaffelter Ehevertrag. Das wird bei vielen großen Infrastruktur-Projekten beispielsweise schon gemacht, ebenso Bonus-Malus-Systeme: Wenn während der Planungsphase der AN klar macht, dass eine Trassenführung an einer anderen Stelle günstiger kommt, dann spart man vielleicht zehn Millionen Euro ein. Ein gewisser Prozentsatz davon wird als Bonus dem „Consultant“, also dem AN gewährt.

Ohne finanzielle Anreiz kann es nicht funktionieren, vor allem wenn man nicht weiß, ob man später als Auftragnehmer zum Zug kommt …



Wobei ich generell die Diskussionen nicht verstehe, warum Auftraggeber nichts abgeben von den Einsparungen. Weil das Geld hätten sie ja bei konventioneller Planung ohnehin ausgegeben? Simple Rechnung: Wenn wir bei den zehn Millionen Euro bleiben, die durch den Expertenrat eingespart werden können, und ich davon eine Million an den Experten abgebe, dann habe ich mir ja immer noch neun Millionen gespart, im Vergleich zu dem traditionellen Prozess, wo ich mir die Expertise nicht ins Haus hole.

Welches Partnering-Modell würden Sie am ehesten propagieren?



Am spannendsten finde ich das Modell, das ich auch aus der Praxis ganz gut kenne, mit dem Garantierten Maximal-Preis mittels target costing, also eine Ziel-Preis-Vereinbarung. Der Auftragnehmer schätzt die Projektkosten. Alles was darüber oder darunter liegt, wird - wie vorher beschrieben und vertraglich festgelegt - verteilt. Auf ein Einfamilienhaus bezogen, kann es so funktionieren: Wenn die Schätzung auf 500.000 Euro fällt und das Haus kostet dann nur 450.000 Euro, weil man irgendwo etwas einsparen oder schneller arbeiten konnte, dann erhält der Auftraggeber 50 Prozent von den Einsparungen und 50 Prozent der Auftragnehmer. Also kostet das Haus dem AG 475.000, immer noch günstiger als wenn er einen Pauschalpreisvertrag um 500.000 abgeschlossen hätte. Trotzdem ist der Anreiz für den AN da, unter dem Schätzwert zu bleiben. Wenn die Kosten mehr werden, muss man halt sagen: OK, wir haben gemeinsam Fehler gemacht, also werden die Mehrkosten ebenso geteilt. Da wird es dann zwar schwierig, aber es gibt Stufenmodelle, wonach bis zu einer Summe X beispielsweise die Mehrkosten 50:50, darüber 70:30 usw. geteilt werden. Für das österreichische Modell der „baubegleitenden Planung“ ist das die einzige Variante, wie ich für beide Seiten das Risiko geringhalte.

Wie wichtig ist Schlüsselpersonal für das Gelingen eines Projekts?



Enorm wichtig. Ich kenne das von größeren Projekten, wo es im Vorfeld ein Team-Building gibt, und zwar lange, bevor der Vertrag zustande kommt. Dabei werden Werte definiert und geschaut, ob man auf der persönlichen Ebene miteinander arbeiten kann. Denn auch wenn im Baubereich Millionen abgewickelt werden, entscheiden letztendlich oft wenige Leute an einem Tisch über den Projekterfolg. Wir sind immer noch ein massives Personengeschäft – und so lange nicht der Roboter oder Algorithmus baut, bleibt das auch so.

Wie kann man das Problem der Weitergabe an Subunternehmer, die mit weniger qualifiziertem Personal arbeiten, lösen?



Was ich gut finde ist, wenn beispielsweise beim Ziel-Preis-Vertrag eine Management-Pauschale für die Kosten des GUs vereinbart wird. Auftraggeber und GU schauen sich dann alle Nach- bzw. Subunternehmer gemeinsam an und entscheiden nach vereinbarten Qualitätsmerkmalen. Das ist völlig transparent und der Auftraggeber ist bei der Entscheidung mit eingebunden. Nach dem Motto: Suchen wir doch gemeinsam den Besten aus. Wenn nicht, haben wir gemeinsam den Billigsten ausgesucht, dann müssen wir auch mit den Konsequenzen leben. Umso mehr sich Auftraggeber und GU zusammenschließen, umso transparenter wird das Projekt und man hält Streitigkeiten hintan.

Sie sind bei der Strabag-Tochter Züblin derzeit im Rahmen der Digitalisierungsstrategie tätig. Wie weit sind wir in Österreich in der Umsetzung von BIM – im Vergleich zu Deutschland?



Deutschland hat wahnsinnig viel in das Thema Digitalisierung investiert und ist, was BIM anbelangt, meiner Meinung nach schon etwas weiter. Jetzt geht es darum, wie wir die BIM-Informationen auf die Baustelle bekommen, mit Apps, Prozessautomatisierung, Drohnen und strukturierten, vernetzten Daten. Denn die tatsächlichen Synergien und somit Einsparungen durch BIM entstehen meiner Meinung nach erst in der Bauabwicklung.

Im Herbst werden Sie am FH Campus im Bereich BIM eine Lehrverpflichtung übernehmen – worum geht es dabei?



Die Vorlesung wird „BIM – Digitalisierung und Innovation“ heißen, weil es nicht nur darum geht, dass die Studenten BIM als Konstrukt verstehen, sondern sehen, was kann ich damit für einen Mehrwert schaffen. Wie kann ich durch Prozessoptimierung in Kombination mit digitalen Tools tatsächlich Zeit und Geld einsparen und auch unsere Branche ins 21. Jahrhundert bringen.



Zur Person Sarah Buchner

Ausbildung

  • Architekturstudium TU Wien inkl. Auslandssemester an der Universität La Sapienza in Rom
  • Bauingenieurstudium FH Campus Wien
  • Masterarbeit an der McGill University in Kanada
  • Zertifikat an der Harvard Business School
  • Aktuell: Doktorat Bauingenieurwesen an der TU Wien

Beruflicher Werdegang

  • Projektmitarbeit bei Zechner & Zechner
  • Technikerin, Bauleitung, ÖBA, Projektleitung und -steuerung Neumayer ZT GmbH
  • Seit 2016 bei Ed. Züblin AG, seit Kurzem bei STRABAG:  Gruppenleiterin  Digitalisierung