Bundesverband Sonnenschutztechnik a3bau
Das Licht und Energieangebot schwankt im Tages- und Jahresrhythmus und zudem ändern sich auch die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern.
© Sattler

Sonnenschutz & Tageslicht

Die Smartness transparenter Bauteile liegt in der Optimierung von passiver Heizwärme, Prävention gegen Überwärmung und der Nutzung von Tageslicht.

Fenster sind energietechnisch optimal, wenn sie das ganze Jahr über ausreichend belichten, in der kalten Jahreszeit heizen und in der warmen Jahreszeit den Kühlbedarf vermeiden helfen (Wohnbau) oder zumindest reduzieren (Nichtwohnbau). Das Licht und Energieangebot schwankt im Tages- und Jahresrhythmus und zudem ändern sich auch die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern. Dementsprechend variabel muss ein Fenstersystem (Fenster + Beschattung) auf das Außenklima und die individuellen Anforderungen reagieren können - am besten prädiktiv aber mit Nutzereingriff!

Über Fenster gelangt die meiste solare Energie in Gebäude und im Vergleich zu opaken Bauteilen sind die Wärmeverluste relativ hoch. Der Hauptzweck transparenter Bauteile besteht darin, Räume mit Tageslicht zu versorgen und einen möglichst unverfälschten Kontakt zur Außenwelt zu gewährleisten. Wenn es um die ganzheitliche Bewertung von Bauteilen geht, ist die Fokussierung auf einen einzelnen Kennwert nicht immer das Optimum – das gilt insbesondere für Verglasungen! Im Gegensatz zu opaken Bauteilen, die vor allem ganzjährig den Wärmestrom durch die Gebäudehülle reduzieren sollen, sind Fenster multifunktional – thermisch (Solarkollektor), visuell (Belichtung), sozial (Verbindung zur Außenwelt) und biologisch (taktet die innere Uhr).

Fenster: Licht, Sonne und Wärmeverluste

Glas als Baustoff lässt den Großteil der Sonnenenergie rein und den Großteil der Heizwärme wieder raus – Glas per se ist also sehr ineffizient. Beim Glas gilt es drei wesentliche Kennwerte zu beachten: den U-Wert – je kleiner dieser ist, umso weniger Wärmeverluste hat das Fenster, den g-Wert – je größer der Wert, umso mehr solare Energie wird durchgelassen, und die Lichttransmission Tv (oder auch LT) – je höher der Wert, desto kürzer der Zeitraum mit Bedarf an Kunstlicht!

Die Glastechnologie hat zwei wesentliche technologische Entwicklungen auf den Markt gebracht. Zum einen Mehrscheibenglas mit Wärmeschutzbeschichtung (Wärmeschutzglas), was zu enormen Energieeinsparungen beim Heizen geführt hat und es auch erlaubt, großflächigere Glasflächen einzubauen. Zum anderen Wärmeschutzglas mit fixer Sonnenschutzfunktion, um das Risiko der sommerlichen Überwärmung, das mit zunehmenden Glasflächenanteil steigt, etwas in den Griff zu bekommen.

Sonnenschutzglas lässt bestimmte Spektren der Sonnenstrahlung nicht durch: Dies beginnt bei nahem Infrarot, das wir nicht sehen können, aber vor allem unserem größten Organ – der Haut – guttut! Etwas mehr als 50 % an solarer Energie steckt im nahen Infrarot: Mit einem sogenannten „leichten Sonnenschutzglas“ reduziert man den g-Wert von bspw. 0,65 auf 0,35. Mit 35 % Energiedurchlass entlastet man allenfalls ein vorhandenes Klimagerät, aber das reicht nicht als wirksame Kühlprävention, dazu bedarf es eines Energiedurchlasses von unter 15 %! Um das annähernd zu erreichen, wird starkes Sonnenschutzglas einsetzt, das jedoch den Lichteintrag deutlich reduziert und somit den Beleuchtungsbedarf erhöht und zudem die visuelle Qualität mindert (verfälschter Außenraum).

Was gute Fenster können sollten

Das Fenster, das jedem Klima und allen visuellen Ansprüchen Genüge leistet, gibt es nicht! Zwei Eigenschaften sollte ein Fenster immer haben: einen guten U-Wert, damit wenig Heizwärme verloren geht und eine gute Lichttransmission, damit der Kunstlichtbedarf gering, aber die Versorgung mit biologisch wirksamem Tageslicht bestmöglich gewährleistet ist. Im Winter sollte das Fenster möglichst viel an Sonnenenergie ernten (Solarkollektor), aber im Sommer möglichst wenig davon ins Gebäude lassen. Mit anderen Worten: Ein Fenster braucht einen variablen Energiedurchlass in Form eines variablen Sonnenschutzes (g-Wert zwischen 0,05 bis 0,65 einstellbar), damit lässt sich Heiz-, Kühl- und Beleuchtungsenergie sparen und Blendung vermeiden.

Heizwärmebilanz a3bau
Grafik: BVST

Entscheidend ist die Energiebilanz

Mit der Gebäuderichtlinie 2018 wurde der sogenannte Smart-Readiness-Indicator SRI (Indikator für die Intelligenz-Bereitschaft) eingeführt. Erklärtes Ziel ist es u. a. auch, gesundheitsfördernde und komfortable Lebensräume bei bestmöglicher Energieeffizienz zu schaffen. In Hinblick auf den thermischen und visuellen Komfort geht es um das Solar- und Lichtmanagement von transparenten Bauteilen.

Mit 7. Juni veröffentlichte die EU-Kommission eine Empfehlung 2019/1019 zur Modernisierung von Gebäuden, deren Kernaussage darin besteht, dass die Energieeffizienz der Gebäudehülle bzw. deren Bauteile über das Energiebilanzverfahren berechnet werden soll. Entscheidend ist auch, wie viel solare Energie während der Heizsaison genutzt werden kann und diesbezüglich kommt es bei transparenten Bauteilen auf den g-Wert an. Dieser sollte gemäß einer Studie des Ingenieurbüros Prof. Dr. Hauser nicht unter 0,6 liegen! Je höher er ist, umso höher ist der solare Anteil an der Heizwärme. Das Potenzial dieser passiven solaren Heizwärme beträgt bei Verglasungen mit optimierter Energiebilanz um die 13 kWh/m2a und mehr. Damit decken die solaren Gewinne ca. 30 bis 50 % des Heizwärmebedarfs (aktiv und passiv) ab. Der passive Anteil wird leider im Energieausweis nicht dargestellt, wodurch Konsumentinnen und Konsumenten über die Bedeutung von Fenstern als Heizkörper (erneuerbarer Energie) nicht informiert werden!

Hochgerechnet auf einen hinsichtlich Energiebilanz optimierten Fenstertausch im Bestandswohnbau für Österreich ergibt sich laut der Hauser-Studie sowohl für ein Dreischeibenfenster (Uw 0,8 W/m2K und g 0,5) als auch für ein Zweischeibenfenster (Uw 1,3 W/m2K und g 0,65) ein Einsparpotenzial bei der Endenergie von 0,7 TWh/a. Der CO2-Ausstoß verringert sich dadurch um 1,1 Mt/a! Die Modernisierung der Fensterbestandes in der EU28 auf Fenster mit UW 1,3 W/m2K und g 0,6, oder UW 1,1 W/m2K und g 0,54, würde den CO2-Ausstoß um 70 bis 80 MT/a verringern, 274 TWh/a an Endenergie einsparen und die Ausgaben für Energiekosten um 19,2 Milliarden reduzieren.

Sonnenschutz muss Teil der Energie und Klimapolitik sein

Fenster sind – so wie die Solarpaneele – als thermische Solarkollektoren zu verstehen und ihr Ertrag sollte den erneuerbaren Energien zugerechnet werden. Dasselbe gilt für die Beleuchtung – jede Stunde, die Kunstlicht eingespart werden kann, verbessert die Energiebilanz.

Da Heizen nach wie vor der größte Energieverbraucher ist und der Gebäudesektor weiter Energie einsparen muss, um die Klima- und Energieziele zu erreichen, wird man sich trotz stetig steigenden Kühlbedarfs für den Solarkollektor und Beleuchtungskörper Fenster entscheiden müssen. Beide Funktionen benötigen einen hohen g-Wert. Um die Sommertauglichkeit zu gewährleisten, braucht es effektiven, variablen Sonnenschutz mit g-Werten bis 0,05! Je größer der Glasflächenteil, umso wichtiger ist diese Maßnahme. Man bedenke, dass die Heizsaison ca. 4.300 Stunden dauert, während Kühlprävention in 200 bis 400 Stunden erforderlich ist.

In einer Studie der FH-Luzern heißt es dazu: „Behagliche Temperaturen in den Innenräumen werden nur durch optimale Nutzung des Sonnenschutzes und einer genügenden Nachtauskühlung der Gebäude gewährleistet werden können. Die Automatisierung dieser Systeme und der Gebäudeentwurf, insbesondere die Befensterung (Qualität, Ausrichtung, Fläche, Öffnungsmöglichkeit, Beschattung usw.) werden eine zentrale Rolle hinsichtlich der Behaglichkeit und der Robustheit gegenüber dem Klimawandel spielen.“

Intelligente Beschattungsanlagen sind variabel und automatisch gesteuert, um den Energie- und Lichteinfall den Außenbedingungen und den Nutzerbedürfnissen entsprechend zu regeln. Eine smarte Beschattung hat einen positiven CO2-Fußadbruck, sie spart im Zeitraum von 20 Jahren knapp das 60fache ihres eigenen CO2-Fußabdruckes an Emissionen ein! Die Energiekosten für eine Sonnenschutzanlage mit smarter Steuerung betragen weniger als 10,-- Euro pro Jahr.

Sonnenschutz Warema a3bau
Grafik: Warema

Tageslicht nutzen trotz Beschattung

Es muss drinnen nicht dunkel werden, wenn man außen abschattet! Wer am Tag schlafen muss, wie bspw. Schichtarbeiter oder Kleinkinder, schließt seine Rollläden, um möglichst kein Tageslicht reinzulassen. Wenn man Räume vor Überwärmung schützt, ist es trotz Sonnenschutz möglich, ausreichend mit Tageslicht zu belichten. Bei Sonne ist das Lichtangebot um das 7 bis 10-fache höher als bei bedecktem Himmel. Ein besonntes, aber im Schatten von Markisen liegendes oder mit halb geöffneten Lamellen beschattetes Fenster wirft daher ähnlich viel Licht in den Raum wie ein unbeschattetes Fenster bei diffusem Himmel. Vor zu viel Sonne schützen und gleichzeitig Tageslicht nutzen ist kein Widerspruch.

Bewährte Technologien für smarte Cities

Für Wien werden extreme Prognosen vorausgesagt – bis zu 7,6° Celsius Erwärmung im Sommer. Hier ist man gefordert, alle sinnvollen Maßnahmen zu ergreifen, damit uns das erspart bleibt. Ohne Zweifel ist es sinnvoll, das Aufheizen von Freiflächen zu minimieren. Diesbezüglich läuft zurzeit ein Projekt, das sich dieses Themas annimmt und bspw. großflächige Sonnensegel dort einsetzen möchte, wo eine Begrünung nicht möglich ist. Aber vor allem sollten Wohngebäude mit außenliegendem Sonnenschutz nachgerüstet werden. Man nehme sich ein Vorbild an südlichen Städten – dort sind Läden und Markisen allerorts zu sehen und die Menschen wissen auch, dass man sie tagsüber schließt und am späten Abend zwecks Nachtlüftung öffnet.

Smart ist also eine City nicht nur dann, wenn Gebäude und Geräte vernetzt werden, sondern wenn ihre Bewohner die Möglichkeit haben, bewährte Technologien bestmöglich einzusetzen. Dazu zählen begrünte Fassaden sowie Freiflächen, um das Mikroklima zu verbessern und beschattete Fenster, um das Innenraumklima nicht über Maßen zu strapazieren.

In Österreich ist man bereits viel weiter als in anderen Ländern. In der Gebäudeplanung wird die Empfehlung der EU, solare Gewinne bei der Heizwärmeberechnung zu berücksichtigen, längst umgesetzt. Und in Bezug auf den Sonnenschutz werden im Wohnbau über 60 % der Anlagen motorisiert ausgeliefert und der Großteil davon wird auch intelligent gesteuert. Immer häufiger kommt dabei eine Smart Home Lösung zum Einsatz!

Dennoch gibt es noch Potenziale zu nutzen, indem transparente Bauteile über deren Energiebilanz in der Heizperiode bewertet, und diese Erträge auch sichtbar den erneuerbaren Energien zugerechnet werden. Gleichzeitig gilt es – so wie bei den Heizwärmeverlusten auch – zuerst alle planerischen und präventiven Maßnahmen auszuschöpfen, bevor aktive Systeme zum Einsatz kommen.

Mehr Informationen: Bundesverband Sonnenschutztechnik

Quellen:

Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden

EMPFEHLUNG (EU) 2019/1019 DER KOMMISSION vom 7. Juni 2019 zur Modernisierung von Gebäuden (Text von Bedeutung für den EWR)

Ingenieurbüro Prof. Dr. Hauser GmbH (IBH) im Auftrag von EuroWindoor “Study on Heating energy savings in residential buildings due to window replacement", 2018

Crowther Lab ETH Zürich: “Understanding climate change from a global analysis of city analogues”, PLOS One 10. Juli 2019

Fachhochschule Luzern im Auftrag des Bundesamt für Energie BFE, Schweiz „Bauen im Klimawandel wenn Kühlen wichtiger als Heizen wird“, Juli 2018

TU-Graz, Labor für Bauphysik „Sommerlicher Wärmeschutz im Klimawandel: Einfluss der Bauweise und weiterer Faktoren“, Juni 2016