Vernetzungstreffen der Gestaltungsbeiräte
Das Instrument Gestaltungsbeirat hat seinen Ursprung in Salzburg: Dort wurde im Rahmen der Architekturreform von 1983 durch den damals für Bau- und Raumordnungsangelegenheiten zuständigen Stadtrat Johannes Voggenhuber als Beratungsgremium für die Politik eingeführt. 1993 erhielt er durch Verankerung im Raumordnungsgesetz und Verordnung der Salzburger Landesregierung Rechtsstatus. Er wurde auch zum Modell für gleichartige Einrichtung in anderen Bundesländern.
- In vielen Gemeinden herrscht jedoch auch heute nur eine vage Vorstellung davon, welche Aufgaben ein Gestaltungsbeirat wahrnimmt und was er für Kommunen bei entsprechender Integration ins Baugeschehen leisten kann:
- Bedürfnisse der Bürgermeister erfragen, Hilfestellung geben – feststellen, welche Art der Hilfe benötigt wird
- Gute Architektur fördern und helfen, mögliche Konflikte im Rahmen von Bauverfahren frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen
- Erstellung von Empfehlungen im Zuge konkreter Planungsvorhaben, die der Politik als fachliche Begründung von Entscheidungen dienen
- Qualitätssicherung von Planungsvorhaben hinsichtlich Landschaft-, Stadt- und Ortsbildverträglichkeit
- Unabhängigkeit und Unbefangenheit, keine wirtschaftlichen und persönlichen Interessen
Mehr Vernetzung nötig
Nach dem erfolgreichen ersten Vernetzungstreffen von Gestaltungsbeiräten 2018 in Innsbruck – bei dem sich rund 30 Gestaltungsbeiräte Österreichs und des umliegenden Auslands um Austausch und Dialog bemühten – fand heuer die zweiteilige Fortsetzung des Formats statt. Schwerpunkt der beiden Veranstaltungen war die Seenlandschaft Österreichs. Daher wurden als Veranstaltungsorte einerseits für den Raum Burgenland die Region um den Neusiedlersee und für Salzburg die Region um den Attersee gewählt.
Bereits das erste Treffen 2018 führte vor Augen, dass Gestaltungsbeiräte mit höchst unterschiedlichen Voraussetzungen arbeiten müssen. Insbesondere die Frage, ob die Fachmeinung des Beirats zwingend umzusetzen ist oder nicht. Bei der im selben Jahr durchgeführten Mitgliederbefragung der Gestaltungsbeiräte in Österreich gaben lediglich 14 Prozent der Befragten an, dass die Entscheidungen des Gestaltungsbeirats politisch bindend seien. Von jenen Befragten, welche angegeben hatten, dass die Entscheidungen ihres Gestaltungsbeirates nicht politisch bindend sind, meinten 20 Prozent, dass diese Entscheidungen trotzdem immer umgesetzt bzw. verfolgt würden. Weitere 74 Prozent meinten, dass diese meistens eingehalten würden.
Mittlerweile erkennen zunehmend mehr Entscheidungsträger in Gemeinden und Kommunen die Vorteile dieser unabhängigen Beratungsgremien. Denn Gestaltungsbeiräte geben wertvolle, rechtssichere Hilfestellung und lotsen Projekte zu kompromissloser Qualität, die am Ende dadurch hohe Akzeptanz unter Bürgern und Experten findet.
Im Fokus des zweiten Treffens der Gestaltungsbeiräte unter dem Motto „Bauwut versus Baukultur: Seenlandschaft“, das am Neusiedlersee und am Attersee stattfand, standen dennoch auch kritische Fragen: Wie können wir dieses wertvolle Instrument noch besser und flächendeckend in Österreich etablieren? Sind sie der Weisheit letzter Schluss oder laufen sie Gefahr, seitens der Politik instrumentalisiert zu werden?
Auftakt am Neusiedlersee
Ende Juni wurden die speziellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Seelandschaft rund um den Neusiedlersee diskutiert. Im Anschluss an die Eröffnungs-Runde gab Nikolaus Gartner, stv. Obmann Architektur Raumburgenland, den Beteiligten detaillierten Einblick in die baukulturellen Begebenheiten der Seeufer. Unter dem Titel „Bautätigkeit am Neusiedlersee – der Ist-Zustand und der gesetzliche Rahmen“ wurde die Geschichte der Bebauung rund um den Neusiedlersee, aber auch rechtliche und politische Aspekte, wie das Landesentwicklungsprogramm LEP 2011 und das burgenländische Raumplanungsgesetz, skizziert.
Im Anschluss daran stellte die Leiterin der Monitoringgruppe Icomos Austria und Sprecherin des Monitoringteams Fertö/Neusiedler See, Ulrike Herbig in ihrem Vortrag das Spannungsfeld zwischen Weltkulturerbe, Raumplanung und Gestaltungsfragen vor. Sie konzentrierte sich dabei auf einzelne Projekte der Seenrandgebiete und deren Bebauung und demonstrierte dies anhand spannender Beispiele wie das Seehotel Neusiedl am See oder das Seebad Breitenbrunn.
In der anschließenden, hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion – mit Johannes Pressl, Bürgermeister von Ardagger, Architekt Ernst Beneder, Andreas Lotz, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geographie der Bundeskammer der ZT, stv. Dir. Christian Janisch, Esterhazy Immobilien Entwicklung Regionen sowie Elias Molitschnig von der Kärntner Seenkonferenz – wurde intensiv über die speziellen Herausforderungen, die die baukulturelle Gestaltung von Seenlandschaften bieten, diskutiert. Bürgermeister Pressl betonte dabei, dass die Politik dazu angehalten ist, große Rahmenziele zu stecken, die zukunftsweisend sind.
Stefan Ottrubay, Direktionsrat von Esterhazy und somit auch Gastgeber am Weingut Esterhazy, eröffnete den Nachmittagsteil der Veranstaltung. Er betonte die große Verantwortung aller Bauherren – privater wie auch öffentlicher –, sich für qualitätsvolle Planung einzusetzen. Der Architekturwettbewerb und die Vorleistung, die Planer im Rahmen solcher Verfahren erbringen, müsse honoriert werden, andernfalls bleibe selbstverständlich die Qualität auf der Strecke. An die Politik adressierte er den Appell, sich dem Bestbieter- und nicht dem Billigstbieterprinzip hinzugeben. Gestaltungsbeiräte bieten wertvolles, fachliches Knowhow, das Gesellschaft und Politik kompromisslos nutzen sollten.
Jürgen Narath, Direktor und Leiter der Esterhazy Immobilien, unterstrich ebenfalls die Bedeutung baukulturell qualitätsvoller Immobilien-Entwicklung und dass Qualität in seinem Unternehmen stets den Vorzug habe. Den exzellenten Dialog mit den Vertretern der Planer hob er dabei besonders hervor.
Via einem interaktiven Tool konnten die Teilnehmer wichtige Fragen zum Thema gemeinsam erörtern. Die Politik wurde dabei ganz klar als Adressatin identifiziert. Sie muss dafür Sorge tragen, dass Partizipation, Resilienz, Klimaneutralität und Interdisziplinarität gefördert werden. Offenheit, Dialog, Einzelinitiativen sollen das Zusammenspiel von Immobilienbereich, Gemeinden und Ziviltechniker stärken. Gestaltungsbeiräten kommt dabei eine Vermittlerrolle zwischen Politik und Bürgern zu. Mehr Zeit für Projekte, mehr Architekturwettbewerbe können dabei ebenfalls unterstützen, so waren sich die Teilnehmer einig.
Fortsetzung am Attersee
Die Fortsetzung des Vernetzungstreffens fand eine Woche später, Anfang Juli, in Seewalchen am Attersee statt. Auch hier wurde wieder über die Bundesländergrenzen hinaus ein Blick in die Seenlandschaft Kärntens geworfen. Architekt Markus Klaura gab einen Überblick betreffend den Bauboom an Kärntens Seen und dass dieser gestoppt werden solle. Gepaart mit Daten und Fakten aus dem Süden Österreichs, stellte auch er für das Attersee-Publikum die Kärntner Seen-Konferenz vor.
Im Anschluss stellte Architektin Carmen Schrötter-Lenzi, Vorsitzende der Sektion Architekten im Kammerbereich Tirol und Vorarlberg die Arbeit der Gestaltungsbeiräte in Vorarlberg vor. Diese haben dort seit Beginn der 1980er Jahre Tradition. Schrötter-Lenzi betonte, dass es für diese sogar rechtliche Verankerung im Vorarlberger Baugesetz und im Raumplanungsgesetz gäbe. Am Beispiel Bodensee führte sie deutlich vor Augen, welch wichtige Arbeit Gestaltungsbeiräten zu Teil wird und stellte ebenso das Musterstatut der Länderkammer der Ziviltechniker:innen für Tirol und Vorarlberg vor.
Die darauf folgende Podiumsdiskussionen am Schiff MS Stadt Vöcklabruck, könnte man auch als „Elefanten-Runde“ der Attersee-Region bezeichnen: Im ersten Talk führten Rudolf Hemetsberger, Bürgermeister Attersee, Michael Stur, Bürgermeister Weyregg und Architekt Klaus Leitner, Vorsitzender des Gestaltungsbeirates Region Attersee eine angeregte Diskussion zu der Frage: „Was können Gestaltungsbeiräte zu einer kontinuierlichen, angemessenen Entwicklung der Gemeinden am See beitragen?“
Einigkeit bestand darin, dass das frühzeitige Einbinden von Gestaltungsbeiräten essenziell für ein raumordnungsverträgliches Bauen am See sei. Die Bürgermeister wünschten sich insbesondere von den Ziviltechnikern stärker nach außen zu kommunizieren, was in der Kompetenz von Bürgermeistern als Baubehörde erste Instanz läge. Sie stehen unter dem Druck, dass – wenn technische und rechtliche Rahmenbedingungen eines eingereichten Bauprojekts erfüllt sind – eine Zustimmung erfolgen muss. Oftmals würde suggeriert, dass es eine willkürliche Entscheidung wäre, was alle anwesenden Diskutanten strikt verneinten.
Auch die zweite Diskussionsrunde war sich, betreffend die Probleme der Baulandsicherung, einig. Einheimische, wie beispielweise junge Familien, könnten sich kaum Bauland in ihrem Heimatort leisten und würden daher wegziehen. Georg Baumann, Bürgermeister Unterach, Nicole Eder, Bürgermeisterin Steinbach am Attersee, Gerald Egger, Bürgermeister Seewalchen am Attersee und Andreas Lotz, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geographie, Bundeskammer der ZT, analysierten gemeinsam die Herausforderungen der Raumplanung rund um den Attersee.
Die Prämisse der Amtsträger sei es, eine lebenswerte Gemeinde zu erhalten und keine Zweitwohnsitz-Oase zu schaffen. Der Dialog zur örtlichen Raumplanung und Projekt-Entwicklern sowie den Ziviltechnikern müsse verstärkt werden – schon alleine, um den klimatechnischen Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können. Eine Hilfestellung in Form eines Ortsbild-Beirates wäre dabei außerordentlich sinnvoll, wurde öfters angemerkt. Bürgermeisterin Eder beispielweise wünschte sich, dass die Raumordnung nicht länger im parteipolitischen Fadenkreuz wäre, sondern auf eine rein fachliche Ebene gehoben würde. Lotz skizzierte dabei die schwierige Gratwanderung zwischen Stabilität und Flexibilität, die die die Politik hier vollziehen müsse. Die Herausforderungen von heute hätten aber auch bereits vor 30 bis 35 Jahren erkannt werden müssen und daher stelle sich die Frage, welche Probleme in den kommenden 30 bis 35 Jahren auf uns zukommen werden? Flächenwidmungspläne haben eine lange Tradition. Man wird sich in Zukunft ebenso überlegen müssen, in welchem Detaillierungsgrad Bebauungspläne Sinn machen. Zielvorgaben sind wichtig, aber es braucht auch Flexibilität, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Neue Investitionsmodelle erzeugten enormen Druck.
In Tirol sei man nun daher schon so weit, dass die Gemeinden Investoren vorschreiben, ob sie überhaupt investieren dürfen. Die Instrumente dafür müssten aber eindeutig vom Bundesland kommen, die Bürgermeister vor Ort unterstützt werden. Georg Baumann berichtete über den Agenda-21-Prozess, der in Unterach gestartet wurde. Tourismus sei dabei ein erklärtes Ziel der Region und gerne gesehen. Jedoch bestehe die Schwierigkeit darin, dass niemand ein Hotel in unmittelbarer Nähe haben will. Bürgerbeteiligung sei daher immer mit Maß und Ziel vorzunehmen, denn am Ende könne diese nicht endgültig Zielkonflikte auflösen.
Gerald Egger betonte ebenfalls, dass der Dialog zu den örtlichen Raumplanern und der Bevölkerung verstärkt werden müsse. Flächenwidmungspläne entstehen nicht ad hoc, sondern bedürfen intensiver Arbeit und Austausch. Die klimabedingten Veränderungen, die auf uns alle zukommen, müssen heute berücksichtigt werden und daher ist jeder Ortsbildbeirat ein sinnvolles und wirksames Mittel. Einig waren sich beide Gesprächsrunden, dass es Landesgesetze brauche, die auf Gemeindeebene vollzogen werden können.