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Wohnungsnotstand in Innsbruck ausgerufen

Ein solcher Beschluss ist die formale Voraussetzung, um die Möglichkeiten des Bodenbeschaffungsgesetzes des Bundes aus dem Jahr 1974 zur Anwendung zu bringen. Ob derart radikale Maßnahmen wirklich notwendig sind, darf schon deshalb hinterfragt werden, weil bereits jetzt den Gemeinden Instrumente und Werkzeuge für eine klimaschonende und kooperative Raumentwicklung unter Einbeziehung der Grundstückseigentümer zur Verfügung stehen.

Das Bodenbeschaffungsgesetz ermöglicht es, Vorkaufsrechte und Enteignungen zu erzwingen. In einem zweiten Schritt ist nun die Tiroler Landesregierung am Zug. Sie kann über Antrag der Gemeinde eine Mängelfeststellungsverordnung erlassen, in der festgestellt wird, dass in Innsbruck ein quantitativer und qualitativer Wohnungsbedarf besteht. In einem dritten Schritt kann die Gemeinde durch Verordnung festlegen, dass die Bestimmungen des Bodenbeschaffungsgesetzes im ganzen Gemeindegebiet oder in bestimmten Teilen anzuwenden sind. Möglich ist auch die Einbeziehung von Nachbargemeinden, selbst wenn dort ein Wohnungsnotstand nicht besteht.

Sind einmal die Formalitäten erfüllt, kann die Gemeinde in Kaufverträgen über die im Bodenbeschaffungsgebiet liegenden unverbauten Grundstücke anstelle des Kaufinteressenten eintreten, sofern sie diese Grundstücke für Wohnbauzwecke oder öffentliche Kommunalaufgaben benötigt. Die Enteignung ist neben dem Eintrittsrecht das zweite und schärfere im Bodenbeschaffungsgesetz vorgesehene Zwangsmittel. Die Enteignung kann zugunsten von Gebietskörperschaften oder gemeinnützigen Bauvereinigungen gegen Entschädigung in Anspruch durchgesetzt werden. Durch Enteignungen verschaffte Grundstücke dürfen ausschließlich zur Errichtung von „Volkswohnstätten“ verwendet werden. Eine Verwendung für öffentliche Zwecke kommt nicht in Betracht. Möglich wären all diese Maßnahmen bei Grundstücken, die als Bauland gewidmet und größer als 2.000 m² sind. In Innsbruck kommen 80 Grundstücke infrage.

Dass die Aktivierung des Bodenbeschaffungsgesetzes, das bereits 1974 beschlossen, aber seither noch nicht angewendet wurde, zu heftigen Reaktionen führen würde, war vorauszusehen. „Kommunismus pur“ war die Reaktion der Opposition. Anscheinend geht es jetzt in Tirol Schlag auf Schlag. Bereits im Jänner wurde im Rahmen dieser Kolumne über die geplante Leerstandsabgabe berichtet, die allen anderen Bundesländern voran, vom Land Tirol gefordert wurde. Damals stieg der Haus- und Grundbesitzerverband auf die Barrikaden, weil die Leerstandsabgabe einen ersten Schritt in Richtung Enteignung darstelle. Was ist im sonst so freiheitsliebenden Tirol los? Stehen vielleicht Wahlen vor der Tür?

Ob derart radikale Maßnahmen wirklich notwendig sind, darf schon deshalb hinterfragt werden, weil bereits jetzt den Gemeinden Instrumente und Werkzeuge für eine klimaschonende und kooperative Raumentwicklung unter Einbeziehung der Grundstückseigentümer zur Verfügung stehen. So ist etwa eine konsensorientierte Raumentwicklung durch befristete Widmungen, private Raumordnungsverträge oder die Schaffung von überörtlichen Planungsverbänden bereits nach der gegebenen Rechtslage möglich. Im Rahmen der Flächenwidmung kann eine Gemeinde bei Umwidmungen verlangen, dass Flächen, die nicht innerhalb einer gewissen Frist (meist zehn Jahre) verbaut werden, rückgewidmet werden.

Alle Länder sehen, in mehr oder weniger ausgeprägter Form, die Möglichkeit vor, dass Gemeinden durch privatrechtliche Vereinbarungen Bauland mobilisieren können. Auch das Tiroler Raumordnungsgesetz ermöglicht den Gemeinden mit einem Widmungswerber zu vereinbaren, dass gewisse Teilflächen ihr oder dem Tiroler Bodenfond für geförderten Wohnbau überlassen werden müssen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass Planungsverbände zwischen den Gemeinden eingerichtet werden. Tirol sieht sie im Raumordnungsgesetz sogar verpflichtend vor. Dass gerade aus jener Ecke, die sich für mehr Bürgerbeteiligung stark macht, eingriffsintensive Werkzeuge, die in die Grundrechte eingreifen, gefordert werden, ist überraschend. Oder vielleicht doch nicht?

Ein anderer, aber auch nicht unumstrittener Weg zeichnet sich im Burgenland ab. Der Entwurf für eine Novelle des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes sieht vor, dass als Bauland gewidmete Grundstücke mit einer Abgabe belegt werden sollen. Dadurch soll die jährliche Wertsteigerung kompensiert und Bauland als Wertanlage unattraktiv gemacht werden. Sie soll es der Burgenländischen Landesregierung auch ermöglichen, Höchstpreise für Bauland festzulegen und Bodenspekulation einzudämmen. Auch Rückwidmungen von Bauland zu Grünland sind vorgesehen. Auch diese Maßnahmen sind eingriffsintensiv und verfassungsrechtlich bedenklich. So stellt sich etwa die Frage, ob eine Besteuerung von Bauland durch ein Bundesland überhaupt möglich ist. Auch Baulandhöchstpreise und Rückwidmungen ohne Kompensation der Betroffenen greifen intensiv in die Grundrechte ein.

Stellt man die geplanten Maßnahmen in einen größeren Rahmen, zeigt sich, dass der Ruf nach mehr Staat und nach Eingriffen in die Marktmechanismen wieder lauter wird. Doch der Ruf nach dem allfürsorglichen Staat kann manchmal mehr Probleme schaffen als lösen. Um mit Adam Smith zu sprechen: „Ich habe kein Vertrauen in die Arithmetik der Politik“.

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