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Das Risiko umarmen

In unsicheren Zeiten ist das Verlangen nach Absicherung groß. Eine Möglichkeit für Bauherren und Investoren, Risiken zu minimieren, ist eine integrierte Projektversicherung, die Schutz für alle am Projekt Beteiligten bietet. Somit sind auch Schadensersatzansprüche der mitversicherten Unternehmen untereinander über diese Polizze gedeckt, wie Thomas Karamat, Client Director Construction und Michael Sturmlechner, Managing Director Multinational Clients bei Aon, globaler Dienstleister für Risikomanagement, im Interview erklären.

a3BAU: Wir leben in einer volatilen Zeit mit vielen wirtschaftlichen Risiken, die vor kurzem noch kaum eine Rolle gespielt haben. Sie versuchen mit der integrierten Projektpolizze einen Großteil der Projektrisiken abzufedern. Was ist die Grundidee dieses neuen Produkts?

Michael Sturmlechner: Wir verstehen uns grundsätzlich als Risikoberater, nicht als reiner Versicherungsmakler, und versuchen alle möglichen Risiken von Unternehmen versicherbar zu machen und am Versicherungsmarkt zu platzieren: vom Cyber-Bereich bis zur klassischen Haftpflicht. In diesem Sinne beraten wir Ziviltechniker, Planer, aber auch Privatkunden, kleine Gewerbetreibende in ganz Österreich.

Thomas Karamat: Bei Großprojekten sind viele Stakeholder involviert. Mit dieser Lösung haben wir praktisch ein Alleinstellungsmerkmal am Markt. Der Bauausführende mag eine Haftpflichtversicherung und der Planer eine Vermögensschadenhaftpflicht für Planungsfehler mit marktüblichen Versicherungssummen in deren Rahmenverträgen haben, aber wie schaut das bei einem komplexen Projekt aus, um dem Bauherrn oder dem Bauträger die Sicherheit zu geben, dass alle entsprechend den Erwartungen (z.B. höhere Versicherungssummen) versichert sind? Der optimale Einstieg für unsere Risikoberatertätigkeit ist bereits in der Planungsphase eines Bauvorhabens. Mit unserem 26-köpfigem Team, die ausschließlich sich um Bauprojekt sich kümmert, begleiten wir den Bauherren bis zum Ende (inkl. Nachhaftungszeit). Es werden alle Stakeholder – die Mieter, die Pächter, die Eigentümer, die Gemeinde – an einen Tisch gesetzt­ – alle können in unserer Polizze mitversichert werden.

Welches Risiko ist durch diese Art von Polizze gedeckt?

Sturmlechner: Die integrierte Projektversicherung ist hauptsächlich für den Bauherrn gedacht, weil er als Investor das Hauptrisiko trägt. Prinzipiell integriert unsere Lösung vier Hauptversicherungsarten: die Planerhaftpflichtversicherung, die Haftpflichtversicherung des Bauherrn – zum Beispiel für Ansprüche von nachbarlichen Gebäudeeigentümern – drittens die Bauwesenversicherung, die bei Sturm, Hagel etc. während der Bauphase wirkt, und die Bauhaftpflichtversicherung des Bauausführenden, der Schäden verursacht. Unsere Polizze ist deshalb so charmant, weil sie alle diese Versicherungen in einer Polizze, die dem Projekt X gewidmet ist, abdeckt.

Karamat: Die Grundidee ist, dass alles in einem versichert ist und keine fragmentierten Lösungen mit verschiedenen Polizzen von mehreren Versicherern, mit unterschiedlichen Deckungssummen, verschiedenen Selbstbehalten. Es ist ein übergreifendes und einheitliches Deckungskonzept für „alle am Bau beteiligten Unternehmen“ (AG, Planer, GU / ARGE, NUs) und den Bauherren mit durchgeschriebenem Versicherungsbedingungen, keiner Belastung der Hauptumsatzverträge aller am Bau Beteiligten durch mögliche Schadenfälle, generellem Regressverzicht des Versicherers gegen andere Versicherer und keiner Kündigungsmöglichkeit durch den Versicherer im Schadenfall.

Sehr oft gibt es Auffassungsunterschiede, wer für Schäden und Verzögerungen im Bauablauf verantwortlich ist, wodurch das Projekt ins Stocken gerät. Wie ist das bei der Integrierten Projektversicherung gelöst?

Karamat: Bei herkömmlichen Versicherungslösungen gehen die einzelnen Versicherer der Projektbeteiligte - um ihren Versicherungsnehmer zu schützen – grundsätzlich in Abwehr, wenn die Verschuldensfrage nicht geklärt ist. Dann beginnen die Streitigkeiten und der Aufklärungsprozess kann sehr lange dauern. Unsere Polizze ist originär in der Rangfolge.

Sturmlechner: Diese Polizze schaltet eben genau das aus, was sie ansprechen, nämlich die Schnittstellen beispielsweise zwischen Planer und Ausführenden durch die Cross-Liability-Deckung. Wenn der Planer also einen Fehler macht, und es kommt zu einer Verzögerung, ist dieser Schadensfall versichert. Zusätzlich kann man eine Betriebsunterbrechungsversicherung machen, wenn es zu einer Verzögerung kommt und man möglicherweise einen Mieteinnahmen-Entgang hat.

Kann man sich gegen explodierende Baukosten absichern?

Karamat: Wir beobachten schon, was am Markt passiert und in welche Richtung es geht, aber das ist grundsätzlich ein unternehmerisches Risiko …

Sturmlechner: … und kann man auch mit dieser Polizze nicht auf den Versicherer abwälzen.

Wie kann man sich die Risikoberatung vorstellen, die Sie eingangs angesprochen haben?

Karamat: Wir sind eine Spezialeinheit, die sich auf das Construction Business konzentriert – das geht von Infrastruktur, Wohnbau, Industriebau, Tiefbau – mit derzeit 26 Mitarbeitern, großteils Bauingenieure, Maschinenbauer, Juristen, aufgeteilt in Fachvertrieb, im Broking – die dann die Ausschreibung machen – Schadensspezialisten und Consulter, also Risikoberater. Unser Consultingteam unterstützt bereits bei der Ausschreibung. Da wir mehrere hundert Polizzen verschiedenster Komplexität haben, können wir dem Bauherrn beratend zur Seite stehen und auf potenzielle Gefahren.

Was ist die Basis für die Berechnung der Versicherungsprämie?

Karamat: Die Basis ist die Baukostensumme – technisch gesehen sind das die geschätzten Errichtungskosten gemäß den Önormen B 1801. Meistens wird Ratenzahlung vereinbart, wobei die erste Rate bei Spatenstich fällig wird. Erhöhen sich die Baukosten im Laufe des Projekts, erhöht sich die Prämie, d.h. es gibt eine Nachzahlung. Am Ende des Projektes, rund ein halbes Jahr nach der Übergabe, schaut man, was das Projekt tatsächlich gekostet hat – war es weniger, gibt es eine Vergütung, wenn es mehr war eine Nachzahlung. Meistens gibt es eine Steigerung.

Erfolgt eine kostenmäßige Aufteilung der Versicherungsprämie?

Karamat: Bevor die Ausschreibungen an die Ausführenden hinausgehen, gibt es von uns einen Formulierungsvorschlag für den Bauvertrag, wie die Prämie auf die Projektbeteiligten aliquot umgelegt werden kann.

Zahlen damit aber nicht die Projektbeteiligten doppelt für Versicherungen, weil sie selbst ja ohnehin versichert sind?

Karamat: Das ist nicht ganz richtig. Grundsätzlich fallen die Grundversicherungen der Projektbeteiligten zwar nicht weg, aber mit unserer Lösung wird der Versicherungsschutz ergänzt, sodass gerade die Planer mit dieser Versicherungspolizze viel höhere Versicherungssummen bekommen, die sie wahrscheinlich als einzelnes Büro selbst gar nicht bekommen würden. Wenn ein Büro groß ist und einen guten Schadenssatz hat, bekommen sie bei Anfrage bei Ihren Versicherer etwas höhere Deckungssummen, jedoch zu gegen Mehrprämie. Mit unserer Polizze können sich alle Projektbeteiligte relativ günstig höhere Summen einkaufen. Sein Rahmenvertrag wird auch nicht belastet, es kommt im Schadenfall zu keiner Vertragssanierung (Erhöhung der Prämie) und schon gar nicht zu einer Kündigung vom Versicherer. Wir empfehlen dem Planer daher immer, den Grundvertrag beizubehalten.

Was passiert, wenn sich ein Projektbeteiligter nicht an der Prämie beteiligen möchte?

Karamat: Als Auftraggeber bzw. Ausschreibender trägt im Endeffekt der Bauherr die Entscheidung.

Was kostet diese Integrierte Projektpolizze?

Sturmlechner: Das ist nicht nur von der Baukostensumme, sondern auch davon, ob es sich um ein kompliziertes Tiefbau- oder einfaches Hochbauprojekt handelt.

Karamat: Die Höhe der Prämie hängt natürlich von den Errichtungskosten ab, jedoch die Höhe des Prämiensatzes von der Komplexität des Projektes. Generell haben Infrastrukturprojekte und Industriebauvorhaben einen höheren Prämiensatz als allgemeine Wohnbauprojekte.

Wer ist Versicherungsgeber der Integrierten Projektversicherung?

Karamat: AON als Intermediär bietet die Integrierte Projektversicherung mit einer breiten Anzahl an Carrier (Versicherungen) am Markt in Deutschland und Österreich an.

Versichern Sie generell Projekte österreichischer Bauherren oder nur Projekte in Österreich?

Sturmlechner: Wir betreuen Kunden, die in erster Linie in der D-A-CH-Region arbeiten, aber können sie mit unseren Produkten und über unser AON-Netzwerk auch weltweit begleiten. Wir werden tätig, wenn das Versicherungsinteresse in Österreich liegt, der Bauherr also in Österreich angesiedelt ist, unabhängig davon, wo das Projekt umgesetzt wird.

Was sind typische Schadensfälle?

Karamat: In erster Linie sind es Planungs- und Bauleitungsfehler. Meistens sind die Bauleistungsfehler Ableitungen von Planungsfehlern.

Sturmlechner: Ergänzend muss man sagen, dass diese außergewöhnlichen Ereignisse zwar anzahlmäßig am wenigsten vorkommen, aber wenn so ein Naturereignis eintritt, dann sind damit die größten Schäden verbunden.

Sind Störungen in der Lieferkette versicherbar?

Sturmlechner: Supply Chain ist spätestens seit Covid bei unseren Kunden ein Riesenthema. Nicht alles ist da versicherbar. Wenn eine Fabrik eines Lieferanten abbrennt, dann ist das ein versicherbarer Schaden – sofern er im Vorhinein als potenzieller Schaden erkannt, benannt und mit einer so genannten Rückwirkungsvereinbarung in die Versicherung hereingenommen wurde. Auch umgekehrt: Wenn ein Kunde aufgrund eines Zwischenfalls nicht mehr produzieren kann und die Halbfertigprodukte abnimmt, ist das für den Lieferanten versicherbar. Aber die Lieferkettenunterbrechung aufgrund von (geo)politischen Ereignissen, Sanktionen etc. kann man nicht versichern. Man kann nur bestmöglich beraten – im Sinne von Diversifizierung bei den Beschaffungskanälen mit Ersatzlieferanten. Da geht es eher um Risikominderung, Vermeidung ist nicht möglich.

Integrierte Projektversicherung

Versichert sind der Bauherr, die versicherten Bauunternehmen, der Bauträger, Eigentümer und Gebäude-/ Grundbesitzer, sowie alle beauftragten bauausführenden Unternehmen, inklusive Bauhandwerker und Subunternehmer, General- und Totalunternehmer, Arbeits- und Bietergemeinschaften, versicherte Architekten und Ingenieure (wie z.B. Zivilingenieure, Ziviltechniker, Planer, planende Baumeister, Planungs- und Baukoordinatoren, Vermessungsingenieure, Projektsteuerer, örtliche Bauaufsicht).

Die Vorteile:

  • Ein Ansprechpartner für alle Bereiche – Aon übernimmt die Koordination der Vertragsbetreuung, Verhandlungen mit Versicherern, Schadenabwicklung, Sachverständigenkoordination
  • Sicherstellung hoher und einheitlicher Versicherungssummen für alle am Bau Beteiligten
  • Regressverzicht des Versicherers gegen die Mitversicherten
  • Schnelle und unbürokratische Schadenabwicklung
  • Kosten- und Planungssicherheit, Bauverzögerung Verlängerung bis 6 Monate prämienfrei
  • Verteilung der Kosten auf alle Beteiligten möglich
  • Schadenfälle belasten die laufende Haftpflichtversicherung nicht
  • Keine Kündigung im Schadenfall
  • Sachschäden am entstehenden Bauwerk
  • Nachdeckung für nach Übergabe auftretende Schäden

Alles in einer Polizze

In zunehmend unsicheren Zeiten steigt auch im Projektgeschäft das Verlangen nach einer Risikominimierung. Mit der „integrierten Projektversicherung“ hat Aon eine Lösung entwickelt, mit der ein Projekt und alle Projektbeteiligten über eine einzige Polizze versichert ist. Inhalt der integrierten Projektversicherung ist:

  • Planungshaftpflicht (je nach Projektkomplexität Pauschalversicherungssummen von 5 /10 Millionen Euro – originäre Deckung
  • Bauwesen/Montage
  • Bauwesen-Betriebsunterbrechung (Ertrags- und/oder Mietentgang, Mehrkostenaufwand wegen einer schadenbedingten Bauverzögerung usw.)
  • Bauherrenhaftpflicht (je nach Projektkomplexität Pauschalversicherungssummen von 10/20 Millionen Euro und mehr – originäre Deckung
  • Haftpflichtversicherung für Ausführende (je nach Projektgröße Pauschalversicherungssummen von 10 /20 Millionen Euro oder mehr – originäre Deckung
  • Umwelthaftpflicht/Umweltschaden (je nach Projektgröße Pauschalversicherungssummen von 10 /20 Millionen Euro oder mehr – originäre Deckung