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Baukartell: Die Konsequenzen illegaler Absprachen

Im Rahmen von Vergabeverfahren kommt es immer wieder zu Kartellabsprachen. Gegen die Baukonzerne Strabag und Porr wurden jüngst saftigen Geldbußen verhängt. Darüber hinaus gibt es weitreichende Konsequenzen sowohl für die darin involvierten Unternehmen, als auch die gesamte öffentliche Hand bei der Abwicklung von zukünftigen Vergabeverfahren.

62,35 Millionen Euro – diese Geldbuße hat das Kartellgericht vor kurzem auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) über die Porr Group rechtskräftig verhängt. Der Grund:  Verstöße gegen europäisches und österreichisches Kartellrecht. Dieses Kartell betraf nahezu sämtliche Sparten im Bereich Hoch- und Tiefbau (insbesondere den Bereich Straßenbau) in einem Zeitraum von 2002 bis 2017 in ganz Österreich. Die Porr Group war in diesem Zeitraum in erheblichem Ausmaß beteiligt. Der Entscheidung gegen die Porr Group gingen Settlementgespräche mit der BWB und letztlich ein Anerkenntnis der Porr Group voraus.

Diese im Rahmen des sogenannten „Baukartells“ stattgefunden Absprachen und kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen fanden vor allem bei Beschaffungsvorgängen statt, die von öffentlichen Auftraggebern nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes (BVergG) abgewickelt wurden. Durch diesen Umstand hat die Beteiligung an Kartellabsprachen nicht nur Konsequenzen für die unmittelbar daran beteiligten Unternehmen, sondern auch weitreichende Folgen für sämtliche (zukünftige) Beschaffungsvorgänge, die durch die öffentliche Hand abgewickelt werden.

Nach dem KartellG sind Handlungsweisen verboten, die den Wettbewerb behindern oder verfälschen (wie etwa Preisabsprachen oder die Aufteilung von Märkten). Bei einem festgestellten Verstoß kann das Kartellgericht auf Antrag der BWB – unter Berücksichtigung der Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, des Verschuldens, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Kooperation des betroffenen Unternehmens – Geldbußen bis zu zehn Prozent des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des betroffenen Unternehmens verhängen. Die Verhängung einer solchen Geldbuße ist allerdings bei Weitem nicht die einzige Konsequenz, die den in eine Kartellabsprache involvierten Unternehmen droht.

Sämtliche durch ein Kartell Geschädigte sind nämlich darüber hinaus berechtigt, einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch gegenüber den in das Kartell involvierten Unternehmen geltend zu machen.  Zumindest im Fall eines klassischen „Preiskartells“, bei dem öffentliche Auftraggeber in Folge einer Absprache der Bieterunternehmen im Rahmen eines Vergabeverfahrens letztlich Leistungen zu einem überhöhten Preis beziehen, drohen somit – zusätzlich zu bereits verhängten Kartellgeldbußen – hohe zivilrechtliche Schadenersatzforderungen. Das KartellG sieht dabei eine Reihe von Erleichterungen für Kartellgeschädigte bei der Geltendmachung von Schäden vor, wie etwa eine Bindung der Zivilgerichte an die Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden, eine Beweislastumkehr im Sinne eines vermuteten Schadenseintritts und eine erleichterte Nachweisführung zur Ermittlung der Schadenshöhe.

Darüber hinaus droht den in eine Kartellabsprache involvierten Personen eine strafrechtliche Verurteilung wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen im Vergabeverfahren nach § 168b StGB sowie aus vergaberechtlicher Sicht der Ausschluss von der Teilnahme an zukünftigen Vergabeverfahren.

Für in Kartellabsprachen involvierte Bieterunternehmen ist die Angelegenheit somit auch nach einem allfälligen Settlement über die Kartellgeldbuße in der Regel noch lange nicht erledigt, zumal geschädigte öffentliche Auftraggeber davon unabhängig zivilrechtliche Schadenersatzansprüche geltend machen können, weitreichende vergaberechtliche Folgen und allenfalls sogar strafrechtliche Verurteilungen drohen.

Auswirkungen auf Vergabeverfahren

Aber auch aus Sicht von öffentlichen Auftraggebern zieht die Beteiligung von Bieterunternehmen an unzulässigen Kartellabsprachen im Rahmen von Vergabeverfahren zahlreiche Folgen nach sich, die wesentliche Auswirkungen auf sämtliche zukünftige Beschaffungsvorgänge durch die öffentliche Hand haben können.

Unternehmen, die in kartellrechtliche Absprachen im Rahmen eines Vergabeverfahrens verwickelt waren, erfüllen regelmäßig vergaberechtliche Ausschlussgründe und sind damit (je nach Qualifikation dieses Verstoßes auf unterschiedlich lange Dauer) grundsätzlich von der Teilnahme an zukünftigen Vergabeverfahren ausgeschlossen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Umstand für öffentliche Auftraggeber spätestens dann zu Problemen führt, wenn nahezu der gesamte Bietermarkt in eine Kartellabsprache verwickelt war und somit von einer, möglicher Weise jahrelang dauernden „Vergabesperre“ betroffen ist.

Maßnahmen zur Selbstreinigung

Durch sogenannte „Selbstreinigungsmaßnahmen“ können in Kartellabsprachen involvierte Bieterunternehmen zwar dann weiterhin an zukünftigen Vergabeverfahren teilnehmen, sofern sie glaubhaft machen können, dass sie trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes „zuverlässig“ sind. Die Voraussetzungen, die das Gesetz an eine erfolgreiche Selbstreinigung stellt, sind dabei aber streng. So ist etwa für eine erfolgreiche Selbstreinigung der Nachweis einer „aktiven Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden an der Klärung aller Tatsachen und Umstände betreffend die Straftat oder Verfehlung“ ebenso erforderlich wie der Nachweis, dass ein Ausgleich für „jegliche“ durch die Verfehlung verursachten Schäden bezahlt wurde bzw. sich das betreffende Unternehmen zu einem solchen Ausgleich verpflichtet hat. 

Die Prüfung, ob die Selbstreinigungsmaßnahme im Einzelfall die Vorgaben des Gesetzes erfüllen, obliegt den jeweiligen öffentlichen Auftraggebern, die dabei regelmäßig mit schwierigen Abgrenzungs- und Nachweisfragen konfrontiert sind. Insbesondere die Voraussetzung des „vollumfänglichen Schadensaugleichs“ führt in der Praxis zu einem erheblichen Prüfaufwand für öffentliche Auftraggeber. Erfüllen die von einem Bieterunternehmen umgesetzten Selbstreinigungsmaßnahmen dabei nicht alle Vorgaben des BVergG, sind diese Unternehmen zwingend von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen. Öffentliche Auftraggeber bewegen sich bei der Prüfung der Selbstreinigungsmaßnahmen dabei stets in einem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen der Einhaltung der strengen Vorgaben des BVergG und dem Szenario, bei Anwendung eines zu strengen Prüfmaßstabs möglicher Weise sämtliche Bieter eines Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen zu müssen.

Abgesehen von den vergaberechtlichen Folgen sollten sich öffentliche Auftraggeber, die von Kartellabsprachen betroffen waren, jedenfalls Gedanken über die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen machen. In einem ersten Schritt ist dabei kritisch (allenfalls unter Beziehung externer Sachverständiger) zu ermitteln, ob und welcher materielle Schaden dem öffentlichen Auftraggeber durch die Kartellabsprachen entstanden sein könnte. In einem weiteren Schritt sollte evaluiert werden, ob Schadenersatzansprüche über den Weg einer zivilrechtlichen Klage oder über einen Privatbeteiligtenanschluss in einem allfälligen Strafverfahren geltend gemacht werden.

In der Praxis zeigt sich somit, dass die Beteiligung an Kartellabsprachen nicht nur für die involvierten Bieterunternehmen schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen kann, sondern auch öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von zukünftigen Aufträgen vor diverse Hürden stellt. Insbesondere steigt dadurch für öffentliche Auftraggeber der Prüfaufwand bei Vergabeverfahren, was am Ende des Tages auch das öffentliche Budget – und damit im Ergebnis jeden von uns – belastet. Der möglicher Weise zwingend vorzunehmende Ausschluss von Bietern von der Teilnahme an Vergabeverfahren im Fall von nicht ausreichend umgesetzten Selbstreinigungsmaßnahmen kann dabei auch zu einer deutlichen Verkleinerung des Bietermarkts und damit wiederum zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führen.

Sämtlichen Beteiligten an Vergabeverfahren ist daher geraten, durch die Einrichtung von adäquaten Compliance-Maßnahmen rechtswidrige Kartellabsprachen möglichst zu verhindern.

Das sagt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zum Baukartell:

Im Rahmen des Kartells wurde zwischen den beteiligten Unternehmen Absprachen getroffen mit dem Zweck, den Wettbewerb zu minimieren oder auszuschließen, um sich gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen zu verhelfen und so Marktanteile zu sichern. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, kam es zu Preisabsprachen, Marktaufteilungen, den Austausch wettbewerbssensibler Informationen, wie etwa Abstimmungen über zukünftiges Verhalten bei Angebotsabgaben, sowie zur Bildung kartellrechtswidriger Arbeits- und Bietergemeinschaften. Betroffen sind zahlreiche öffentliche und private Auftraggeber.

Die Umsetzung wurde an die regionalen Gegebenheiten und die betroffene Bausparte angepasst. Die Umsetzungshandlungen umfassten insbesondere bi- und multilaterale Kontakte in Form von regelmäßigen oder anlassbezogenen Gesprächsrunden, Kontaktaufnahmen per Telefon, E-Mail oder Fax und dem Versenden von Deckangeboten.

So entstand ein österreichweites gewachsenes, allgemein etabliertes Kollusionssystem, mit dem sich die Unternehmen über das jeweilige Angebots- und Marktverhalten abstimmten und informierten, um in weiterer Folge das eigene Marktverhalten daran anzupassen. Auf diesem Weg verhalfen sich die beteiligten Bauunternehmen gegenseitig zu Aufträgen, ohne befürchten zu müssen oder zumindest nur in geringerem Ausmaß befürchten zu müssen, von einem günstigeren Angebot im Wettbewerb unterboten zu werden.

Bußgeld gegen Strabag

Im Oktober 2021 hat das österreichische Kartellgericht ein Bußgeld in Höhe von 45,37 Millionen Euro gegen zwei Strabag-Konzerngesellschaften verhängt. Im Juli 2021 hatte die Strabag SE bekannt gegeben, dass die Konzerngesellschaften Strabag AG und F. Lang u. K. Menhofer Baugesellschaft m.b.H. & Co. KG im gegen sie anhängigen Kartellverfahren ein Anerkenntnis im Rahmen eines Settlements abgegeben und die BWB daraufhin einen Bußgeldantrag beim Kartellgericht gestellt habe. Das Anerkenntnis und die vollumfängliche Kooperation mit der BWB wirkten sich entsprechend positiv auf die Höhe des beantragten Bußgelds aus.

Thomas Birtel, CEO Strabag SE, über die Konsequenzen:

„Wir arbeiten seit Jahren an einer kontinuierlichen Verbesserung unseres Business Compliance Systems, dabei ist uns eine externe Validierung besonders wichtig. Um konkrete Beispiele zu nennen: 2019 wurde die Strabag AG Österreich durch die Austrian Standards zertifiziert, auch das jährliche Überwachungsaudit wurde 2021 positiv abgeschlossen. Die Strabag AG Österreich wurde zudem im August 2020 nach ISO 37001 zertifiziert. Zusätzlich haben wir eigeninitiativ eine bislang in Österreich einzigartige Maßnahme getroffen: Mit dem 2021 eingeführten, freiwilligen externen Monitoring soll die nachhaltige und kontinuierliche Verbesserung des Strabag-BCMS dokumentiert werden. Für die Dauer von zwei Jahren wurde ein Team unter Leitung der früheren österreichischen Staatssekretärin Brigitte Ederer und unterstützt von anerkannten Fachleuten des Zertifizierers Austrian Standards etabliert. Ziel ist es, sicherzustellen, dass das Strabag-BCMS angemessen entwickelt und effektiv implementiert ist und in der Praxis eingehalten wird. Das Monitoring-Team hat zu diesem Zweck Zugang zu allen relevanten Dokumenten und führt einen Dialog mit Mitarbeitenden und Führungskräften in ganz Österreich. Das Monitoring-Team berichtet direkt an den Vorstand.

Bußgeld gegen Porr

Auf Antrag der BWB hat das Kartellgericht gegen die Porr Group wegen eines Verstoßes gegen europäisches und österreichisches Kartellrecht eine Geldbuße in Höhe von 62,35 Millionen Euro verhängt. Die Porr AG und einige ihrer Tochtergesellschaften (gemeinsam „Porr Group“) waren an Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Mitbewerbern in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Hoch- und Tiefbau in Österreich beteiligt. Maßgeblich für die Bemessung der Geldbuße waren neben dem Anerkenntnis auch die Kooperation der Porr Group (außerhalb des Kronzeugenprogramms) bei der Aufklärung und die weitreichenden Compliance Maßnahmen, die unter anderem gesellschaftsrechtliche Entflechtungen im Bereich der Asphaltmischanlagen umfassten.

Karl-Heinz Strauss, CEO Porr Group, über die Konsequenzen:

Die Porr hat im Zusammenhang mit wettbewerbswidrigen Absprachen in Österreich voll mit den Behörden kooperiert. Als Konsequenz aus den Vorfällen hat das Unternehmen zahlreiche Maßnahmen gesetzt. Unter anderem:

>> Das bestehende Whistleblowing-System wurde erweitert. Es umfasst jetzt ausdrücklich auch Meldungen über Verstöße gegen kartellrechtliche Vorschriften.

>> Die Compliance-Aspekte im Recruitingprozess wurden verstärkt und das Bonussystem angepasst.

>> Der Zertifizierungs- und Normungsspezialist Austrian Standards wurde mit einem externen Compliance-Monitoring speziell im Bereich Kartellrecht beauftragt.

>> Bei den internen Prozessen wurde nachgeschärft: Die kartellrechtliche Compliance-Richtlinie wurde überarbeitet; die Bildung eines Konsortiums bedarf nun der Genehmigung durch die Rechtsabteilung.

>> Zudem wurden die E-Learning-Schulungen in den Bereichen Kartellrecht und Korruptionsbekämpfung ausgeweitet.

Diese Maßnahmen haben Erfolg gezeigt: Tatsächlich hat es bis dato bei keiner Ausschreibung nennenswerte Probleme gegeben. Dass das Unternehmen auf diese Verfehlungen so konsequent reagiert, kommt nicht von ungefähr: Die PORR war Vorreiterin bei der Korruptionsbekämpfung. Seit 2017 verfügt sie als erstes Bauunternehmen Europas über Zertifizierungen nach ISO 37001 (Anti-Korruptionsmanagement) und ISO 19600 (Compliance Management Systems) und erfüllt auch die ONR 192050 (Compliance Management Systeme).