BIM: Ohne Strategie geht es nicht. Interview mit Florian Kaiser, Wieselhuber & Partner sowie Hussein Bari von BIMobject
Herr Kaiser, Aus Ihrem Tagesgeschäft berichtet, wie sehr beschäftigen sich Ihre Kunden mit der Digitalisierung, um BIM zu ermöglichen?
Quasi alle beschäftigen sich mit der Digitalisierung - Ausmaß und strategische Implikation sind dabei jedoch stark heterogen. Mit BIM wiederum befassen sich die meisten Unternehmen, aber nur wenige konsequent. Die aus BIM resultierenden deutlichen Veränderungen in der Wertschöpfungskette, im Planungsablauf und damit im Zugang zu den Zielgruppen werden viel zu selten zu Ende gedacht oder nur oberflächlich umgesetzt. Viele Unternehmen haben vor zwei, drei Jahren mit viel Aufwand ihre Produkte in BIM-Objekte überführt und wundern sich jetzt, warum nichts passiert. Und genau darum geht es im Online-Seminar am 20. Oktober: Die strategischen Chancen von BIM aufzuzeigen und zum Weiterdenken anzuregen!
Herr Bari, BIMObject bezeichnet sich als globaler Marktplatz für die Bauindustrie. Vielleicht können Sie kurz die Plattform vorstellen.
Klar ist: Wir können nicht so weiterbauen wie bisher! Unsere Mission ist deshalb, den Bauprozess durch Digitalisierung für eine nachhaltigere Zukunft zu unterstützen. Wir versorgen Planer, Architekten und Ingenieure mit Informationen und Inspirationen, mit denen sie Gebäude schneller, smarter und grüner gestalten können. Mittlerweile zählen mehr als 2.150 Marken und die Top 100 Architekturbüros zu unseren Usern – in Sachen digitale Bauplanung geht es also voran.
Und wie würden Sie die derzeitige Umsetzbarkeit einer digitalen Planung und Bau-Ausführung einschätzen, wo sehen Sie insbesondere die Bauwirtschaft in der Dach Region bei diesem Punkt?
Florian Kaiser: Auch wenn es vielen Branchenteilnehmern nicht bewusst ist: Es gibt bereits quasi eine „BIM-Elite“. Das sind Fachplaner, Hersteller, Ausführende und Bauherren, die BIM fordern und 5D bereits konsequent und hocheffizient einsetzen. Die Effizienz stellt sich in diesen digitalen Wertschöpfungsverbünden jedoch nur ein, wenn keine „bremsenden“ BIM-Anfänger dabei sind. Daher sind diese Kreise wenig bekannt und nur schwer zugänglich. Diese Situation darf daher nicht zum falschen Schluss führen, dass BIM hierzulande derzeit noch nicht relevant oder darstellbar ist!
Herr Bari, wp hakt es denn? Fehlen entsprechende Daten Seitens der Hersteller, ist die Nutzung in den Planungsbüros noch nicht vorhanden? Welche Gründe verhindern noch die konsequentere Nutzung?
Es hakt eigentlich noch überall. Zwar steigt die Zahl der Nutzer unter den österreichischen Architekten und Planern stetig und in großen Schritten, allerdings handelt es sich immer noch um eine neue Planungsmethode, die neue Prozesse erfordert. Und die müssen überall erprobt, angepasst und optimiert werden. Hersteller erkennen durchaus das gigantische Marketingpotenzial - übersehen aber noch, wie sehr die Entscheidung für ein Produkt künftig von der Verfügbarkeit und Qualität der Planungsdaten abhängen wird.
Gleichzeitig werden wir die größten Potenziale von BIM erst dann ausschöpfen, wenn alle Daten auch im Betrieb der Gebäude nahtlos und vollumfänglich genutzt werden können. Von der Definition von Wartungszeiträumen bis hin zu Installationsanweisungen direkt aus dem Modell für jeden Handwerker vor Ort könnten wir heute schon alles leisten. Es wird aber noch kaum nachgefragt! Deswegen werden wir diese Daten vermutlich erst in einigen Jahren nachpflegen. Hier stehen wir also noch ganz am Anfang, das Potenzial liegt aber auf der Hand und ist gigantisch.
Herr Kaiser, welche Hinweise / Tipps geben Sie generell Ihren Kunden bei diesem Thema? Wo hakt es (noch)?
Am Anfang sollte die Frage stehen, was den Auftraggebern - also Bauherren oder Investoren - den größten Nutzen stiftet: Reduktion von Planungs- und Ausführungsrisiken, effizientere Planung, schnellere Ausführung, frühzeitige Simulation und Optimierung, Optimierung der Gesamtkosten inklusive Betrieb und Rückbau, Reduktion des CO2-Fußabdrucks? Genau hier sollten Hersteller ansetzen: Sie könnten sich in Kooperationen mit angrenzenden Gewerken überlegen, welche Leistungen im BIM-Kontext möglich sind. BIM sollte dabei gemeinsam mit dem Thema Modularisierung/PreFab gedacht und gestaltet werden, denn diese beiden Themen werden die Branche in den nächsten 20 Jahren auf allen Ebenen verändern.
Wo es hakt? Viele Unternehmen haben BIM noch nicht voll verstanden, Vorstand oder Geschäftsführung verbuchen es als einen Aspekt der Digitalisierung. In BIM-Abteilungen werden dann tausende BIM-Objekte verwaltet, was weder strategisch sinnvoll noch differenzierend ist.
In unseren Seminaren zeigen wir deshalb, welche Chancen BIM bietet und wie umfassend relevant es wirklich ist. Adressat ist dabei ganz klar der aufgeklärte BIM-Verantwortliche und Vorstand bzw. die Geschäftsführung. Wir helfen Unternehmen dabei, eine zukunftsgerichtete BIM-Strategie zu entwickeln und umzusetzen, denn jetzt ist der perfekte Zeitpunkt sich damit zu befassen: Der Anfangsnebel hat sich gelegt, erste Use-Cases werden erfolgreich praktiziert.
Herr Bari, Herr Kaiser, wie wichtig ist es für Hersteller, national, aber auch international die digitalen Daten für die eigene Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung zu stellen?
Kaiser: BIM-Objekte im angemessenen Level of Detail anzubieten, gehört dazu wie eine gut verständliche Montageanleitung! Doch schlecht erstellte „Datenmüllmodelle“ mit zu vielen Details helfen niemandem. Gewerkspezifisch sind die relevanten Parameter für die verschiedenen Nutzer und ihre Motive zu hinterlegen - was nur funktioniert, wenn man sich entlang der Customer Journey detailliert mit den Bedürfnissen der Anwender befasst. Keine schlechte Übung, die so auch die Vertriebsperformance steigen kann!
Bari: Schon heute ist das enorm wichtig, weil die richtigen Zielgruppen gezielt erreicht werden können. Wir sehen immer wieder, wie vor allem große Unternehmen ihre Großaufträge mit Sichtung der Daten starten. In Zukunft wird das noch ungleich wichtiger! Qualität, Umfang und Verfügbarkeit von digitalen Planungsdaten, wie auf BIMobject, wird genauso wichtig für die Entscheidung für ein Produkt sein, wie die Qualität des Produktes selbst. Entscheidungen werden digital vom Schreibtisch aus getroffen werden, Produkte digital verglichen, um durch digitale Modellberechnungen genau das passende Produkt und Modell für ein Gebäude zu finden.
Herr Bari, Sie können vielleicht einen kleinen Hinweis geben: nimmt der Datendownload auf BIMobject zu, ist man vielleicht doch auf einem guten Weg für die digitale Bauplanung?
Die Downloads nehmen bei uns schon seit Jahren ständig zu. Zum Vergleich: Wir hatten 2018 etwa 600.000 registrierte Anwender, heute sind es über 2,5 Millionen professionelle Anwender, die mit uns zusammenarbeiten. Allein in der DACH-Region hat sich die Anzahl der professionellen Anwender, in den letzten 12 Monaten um 30 % erhöht! Dadurch verzeichnen wir natürlich ständig zunehmende Downloads von mehr Nutzern. Gleichzeitig sehen wir durch die Pandemiesituation nochmal einen deutlichen Anstieg, so dass wir in diesem Jahr bereits drei Mal den Rekord für den downloadstärksten Monat gebrochen haben. Vielleicht sind wir also schon weiter, als es manchmal wirkt. Gleichzeitig bleibt noch viel Potenzial, das wir noch gemeinsam mit unseren Partnern realisieren wollen.
Herr Kaiser, Herr Bari, abschließende Frage: Bis wann müssen sich alle Beteiligten der Bau-/Bauzulieferbranche das jeweils notwendige Wissen zu BIM oder zur digitalen Bauplanung Ausführung aneignen, um zukünftig mit den Auftraggebern auch in der DACH-Region zusammenarbeiten zu können?
Bari: Das hängt von vielen Entwicklungen ab. Zu allererst: Es wird nicht notwendig sein, dass alle Beteiligte bis ins kleinste Detail BIM-Experten werden. Es wird aber entscheidend sein, dass die Wirkung von BIM auf alle Planungsprozesse verstanden wird, so dass rechtzeitig die nötigen Veränderungen vorgenommen werden. BIM wird auch in Österreich zunehmend die bevorzugte Planungsmethode für Großprojekte aller Art werden. Wer diese Entwicklung verschläft, wird sich davon möglicherweise nicht mehr erholen. Der Entwicklungsprozess wird sich beschleunigen, wann genau es also "zu spät" sein wird, lässt sich nur schwer sagen. Doch schon relativ bald wird es so weit sein, dass BIM nicht mehr als "Vorteil", sondern fehlende BIM-Fähigkeit als klarer "Nachteil" gesehen und bei Vergaben als Ausschlusskriterium gesehen wird.
Kaiser: Wir sind der festen Überzeugung, dass ein weiteres Abwarten auf Seiten der Unternehmer zu Lasten der Zukunftsfähigkeit geht. Bereits der aufgeklärte private „Häuslebauer” fragt heute nach BIM, denn er hat die Vorteile verstanden. Professionelle Entwickler, Bauherren oder Investoren verhalten sich da noch konsequenter. Als strategischer Berater sehe ich durch BIM die große Chance, die Wertschöpfungskette neu und besser zu denken, das eigene Angebot zu differenzieren, zu stärken und sich damit zukunftsfähiger und erfolgreicher zu positionieren.