Corona Baustelle
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Corona: Wer trägt die krisenbedingten Mehrkosten auf Baustellen?

Das Bau-und Immobilienrechtsteam von Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte geben ein rechtliches Update bezüglich des Maßnahmenkatalogs der Sozialpartner. Mehrkosten des AN aufgrund der Maßnahmen sind grundsätzlich berechtigt.

Wie auch zahlreiche andere Staaten, setzt Österreich zur Eindämmung der aktuell herrschenden COVID-19-Epidemie stark auf „Social Distancing“ und entsprechende gesetzliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit, wie vor allem ein grundsätzliches Betretungsverbot öffentlicher Orte. Dieses Verbot gilt bekanntlich nicht unbeschränkt: So sieht die einschlägige Verordnung des Gesundheitsministers (BGBl. II Nr. 98/2020) unter anderem Ausnahmen für Betretungen vor, wenn diese für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

Zusammenfassung des Maßnahmenkatalogs

Zu den krisenbedingten Mehrkosten

Es versteht sich von selbst, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen mit direkten Mehrkosten (etwa für den erhöhten Bedarf an Sanitärprodukten) und regelmäßig mit Ablaufstörungen (und damit verbundenen indirekten Mehrkosten, etwa durch eine Bauzeitverlängerung) verbunden ist. Zur Frage, wer diese Mehrkosten zu tragen hat, ist primär auf eine konkrete vertragliche Regelung abzustellen. Fehlt eine solche Vereinbarung, gelten folgende Grundsätze:

Wird ein Vertrag ohne Verweis auf die ÖNORM B 2110 (oder an die ÖNÖRM angelehnte AVB) geschlossen, sind sämtliche nicht vertraglich geregelten Fragen nach dem ABGB zu beantworten. Das ABGB sieht allgemein vor, dass der AN die Gefahr für alle Umstände trägt, die aus der „neutralen“ Sphäre stammen. Darunter sind alle Geschehnisse zu verstehen, die von keiner Vertragspartei verursacht wurden bzw. kontrolliert werden können. Für diese Verträge gilt daher, dass der AN keine Ansprüche auf etwaige Mehrkosten hat, die sich infolge der COVID-19-Krise ergeben.

Wurde zwischen den Parteien die Geltung der ÖNORM B 2110 (oder von an die ÖNÖRM angelehnte AVB) vereinbart, übernimmt der AG gemäß Punkt 7.2.1. der ÖNORM B 2110 das Risiko für alle Ereignisse, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom AN nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind. Grundsätzlich sind Mehrkosten des AN daher insoweit berechtigt, als diese direkt von der COVID-19-Krise verursacht worden sind. Zu beachten ist dabei jedoch, dass für sämtliche behauptete Mehrkosten im Einzelnen zu prüfen ist, worauf diese zurückzuführen sind:

  • Kann der AN etwa den Baubetrieb trotz der nunmehr vereinbarten Gesundheitsmaßnahmen nicht wie geplant fortführen, so dieser Anspruch auf Mehrkosten sowie eine Verschiebung der vereinbarten Termine. Hinsichtlich der Mehrkosten trifft ihn die Pflicht, diese nach Möglichkeit gering zu halten, etwa indem er Personal anderswo einsetzt oder jene Tätigkeiten vorzieht, die unter Einhaltung des Mindestsicherheitsabstands möglich sind.

     
  • Entsprechendes gilt, wenn der AN durch die Einhaltung der (erhöhten) Sicherheits- und Hygienebestimmungen Mehrkosten tragen muss, etwa, weil infolge der Mindestabstandsregelung weniger Personal eingesetzt werden kann, wodurch es zu einer Verlängerung der Bauzeit kommt. Auch derartige (nicht vermeidbare) Mehrkosten kann der AN auf den AG abwälzen.

     
  • Hinsichtlich der zusätzlich erforderlichen Schutzausrüstung kann der AN nur jene Mehrkosten geltend machen, die tatsächlich entstehen und sich nicht ohnehin aus SiGe-Plan und den üblichen gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Ebenso müsste er sich anrechnen lassen, wenn er gewisse Anschaffungen auch weitergehend auf anderen Baustellen verwenden kann.
  • Hat der AN hingegen den Baubetrieb eigenmächtig eingestellt, obwohl die Erfüllung der derzeitigen Sicherheitsvorkehrungen auch bei laufendem Betrieb möglich gewesen wäre, so kann dieser keine Mehrkosten bzw. Zeitverlängerung geltend machen.

  • Kann der AN den Baubetrieb nicht wie ursprünglich kalkuliert durchführen, weil bloße Folgewirkungen der COVID-19-Krise dies verhindern, ist weiter danach zu fragen, wer das Risiko für den betroffenen Bereich trägt: Das Risiko für Dispositionen betreffend sein eigenes Personal oder das Personal seiner Lieferanten und Subunter-nehmer trägt der AN selbst. Resultieren die Ablaufstörungen beispielsweise daraus, dass das vom AN eingesetzte Personal aus Ungarn anreist und (rechtlich oder faktisch durch Staubildung) am Grenzübergang gehindert ist, so sprechen folglich gute Gründe dafür, diese Folgewirkung der Sphäre des AN zuzurechnen. Mehrkosten oder Fristverlängerungen kann der AN ausgehend von dieser Erwägung sohin nicht begehren.

Fazit und Ausblick

Angesichts der Einigung der Sozialpartner besteht nunmehr kein Zweifel daran, dass der Betrieb von Baustellen bis auf Weiteres aufrechterhalten wird. Die mit den hierfür erforderlichen Sondermaßnahmen verbundenen Mehrkosten sind je nach konkreter Vertragsausgestaltung vom AN oder vom AG zu tragen, wobei vor allem zwischen ABGB-Verträgen und ÖNORM-Verträgen zu unterscheiden ist. Eine Einzelfallprüfung ist unerlässlich.

Bitte beachten Sie abschließend, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen lediglich um eine zusammenfassende Darstellung der möglichen rechtlichen Auswirkungen handelt, die eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Die Ausführungen sind genereller Natur auf Basis des aktuellen Wissensstandes. Da sich die Situation laufend ändert und adaptiert wird, können sie daher nicht die Beratung im Einzelfall ersetzen.

Bei Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung: Ihr KWR Bau-und Immobilienrechtsteam:

Clemens Berlakovits clemens.berlakovits@kwr.at

Jan Philipp Schifko jan.schifko@kwr.at

Julian Ring julian.ring@kwr.at