Deponieverordnung
Was bisher geschah: Seit 2017 müssen Mineralwolleabfälle genauso aufwändig entsorgt werden wie Asbestabfälle. Doch dazu besteht aus wissenschaftlicher Sicht keine Veranlassung. Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) hat das Problem in der Zwischenzeit erkannt und plant im Zuge der Novellierung des Abfallverzeichnisses den verschiedenen Mineralwolleabfällen eigene Abfallschlüsselnummern zuzuweisen. Der vorliegende Entwurf zur Novellierung der Deponieverordnung bringt allerdings neue und zusätzliche Auflagen im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage. Die Folgen wären eine weitere Steigerung der ohnehin schon um das 25fache gestiegenen Entsorgungskosten und ein weiterer Rückgang der thermischen Gebäudesanierung.
a3BAU: Die Abfallschlüsselnummern werden kommen, aber neue Auflagen verteuern die Deponierung von Mineralwolle erheblich – ein Schritt nach vorne, zwei zurück. Kann man das so sagen?
Udo Klamminger: Bis 2017 war es so, dass Mineralwolle mit der Baurestmasse entsorgt, offen in der Deponie eingebracht und somit kostengünstig entsorgt werden konnte. Das ist die letzten 50 Jahre so passiert. Damit lag der Preis pro Tonne bis Ende 2016 bei 65 Euro. Dann gab es die Verordnung zur getrennten Sammlung von Abfallfraktionen. Ab 2017 blieb bei einem Abbruch daher auch Mineralwolle übrig, von der man nicht genau wusste, wohin damit. Da hat man dann quasi den einfachsten Weg gewählt und diese zur selben Schlüsselnummer wie Asbest zugeordnet. Da der Deponieraum für Asbestabfälle knapp ist, sind die Entsorgungskosten in den letzten Jahren explodiert. Wir reden heute bereits über Deponierungskosten von 1.500 Euro pro Tonne und mehr. Der Prozess der letzten zwei Jahre war es daher, eigene Schlüsselnummern für die Mineralwolle zu bekommen, um aus der Asbest-Nummer herauszukommen und nicht in denselben Topf mit Asbest geworfen zu werden. Mittlerweile haben wir eine Schlüsselnummer für Glaswolle, für Steinwolle – jeweils für alte und neue. Da gibt es ja einen großen Unterschied in der chemischen Zusammensetzung. Seit 1996 wird nur mehr nach der neuen Rezeptur produziert, seit 1998 gibt es nur mehr neue Mineralwolle im Markt. Diese Unterscheidung durch unterschiedliche Schlüsselnummern war ein wichtiger Schritt. Aber jetzt drohen mit der Novelle zur Deponieverordnung neue Hindernisse.
Sprechen wir kurz über die Novelle der Deponieverordnung. Was kommt da auf die Branche konkret zu?
Klamminger: Hier gibt es jetzt die nächste ganz große Hürde, nämlich eine Verschärfung der Deponieverordnung, sodass unsere Materialien eben vorbehandelt werden müssen, also nicht nur getrennt gesammelt, sondern auch gepresst und foliert oder überhaupt mit Zement vermengt und verdichtet werden müssen. Erst dann dürfen sie deponiert werden. Es ist unverhältnismäßig, dass das weniger gefährliche strenger behandelt wird: Während Asbest nicht vorbehandelt werden muss, muss unser nachweislich ungefährliches Material vorbehandelt werden. Das verteuert die Deponierung nochmals enorm. Wenn die Deponieverordnung so kommt, haben wir weder derzeit noch in Zukunft die Möglichkeit, unser Material kostengünstig zu deponieren. Dadurch steigen die Entsorgungskosten weiter, was die thermische Sanierung massiv verteuert. Das trifft alle – von den Kommunen bis hin zum privaten Häuslbauer – und bringt uns der Lösung nicht näher. Damit werden alle Klimaziele in Richtung thermischer Sanierung verfehlt werden.
Ab 2027 gibt es ein gänzliches Deponierungsverbot – was passiert dann?
Klamminger: Damit haben wir überhaupt kein Problem, denn wir haben Prozesse begonnen, Forschungsinstitute beauftragt und arbeiten intensiv am Recyclingprozess. Wir streben an, es dann zu schaffen, die Ware zu recyceln und wieder einer Verwertung zuzuführen. Wobei ich ergänzen möchte, dass unsere Produkte ohnehin schon einen Lebenszyklus hinter sich haben, weil Glaswolle zu über 95 Prozent aus Altglas bzw. Flachglas besteht. Aber wir brauchen eine praktikable Lösung bis Ende 2026, die die wirtschaftspolitischen Ziele auch umsetzen lässt und nicht massiv behindert. Denn eine Amortisation für thermische Sanierung ist so definitiv nicht möglich – so viele Förderungen kann es gar nicht geben, dass es für einen Privaten Sinn macht, weil es sich nicht rechnet. Wir haben derzeit einen extrem niedrigen Ölpreis, der wird auch so bleiben. Derzeit haben wir 0,5 Prozent Sanierungsrate und bräuchten eigentlich 3,2 Prozent bis 2025, um die Klimaziele zu erreichen. Das lässt sich mit diesen Entsorgungskosten nicht machen.
Was sind Ihre konkreten Forderungen?
Klamminger: Wir fordern drei Dinge:
- Keine verpflichtende Vorbehandlung – weil diese die Deponierung verteuert und behindert – bis zur Recyclingwirtschaft Ende 2026
- Der lose Einbau auf der gesamten Deponie muss wieder möglich werden, so wie es bis 2017 war
- Kleinmengen können auch ab 2027 in Deponien eingebracht werden sollten nicht durch das Deponierungsverbot per se verboten sein. Kleinstmengen aus dem privaten Umfeld können nicht einer Recyclinganlage im Ausland zugeführt werden. Das ist logistisch nicht machbar.
Diese Forderungen sind umsetzbar, hier geht es ausschließlich um den politischen Willen. Wir brauchen hier eine Anpassung der Deponieverordnung. Wenn die Punkte so kommen wie sie in der Vorlage stehen, und wir vorbehandeln müssen, dann ist das der Tod für die thermische Sanierung.
Wie schaut der Zeitlauf für die Novelle der Deponieverordnung aus?
David Suchanek: Ende Juli wurde die Novelle in Begutachtung geschickt. Bis Anfang September konnten Stellungnahmen abgegeben werden. Die FMI hat eine Stellungnahme mit den bereits genannten drei Forderungen abgegeben. Auch andere Interessensvertretungen haben Stellungnahmen abgegeben. Nun wird Ministeriums-intern beraten. Das BMK kann die Verordnung ohne großartiges parlamentarisches Prozedere erlassen. Wann genau das sein wird, kann man derzeit noch nicht sagen.
Wer trägt die Kosten für die Behandlung der Mineralwolleabfälle, wenn ein mehrgeschoßiger Wohnbau saniert wird?
Klamminger: Am Ende trägt es immer der Bauträger, also der, der den Auftrag zum Abbruch gibt oder der Häuslbauer oder die Kommune. Die Kosten werden durchgereicht an den Auftraggeber. Wir reden vom 25fachen Preis von vor 2017, mit 1.500 Euro pro Tonne. Man muss sich vorstellen, dass der Verkaufspreis für das Material neu auf einer Europalette verpackt mit Kantenschutz, foliert, fixfertig aus der Fabrik heraus bei 1.000 Euro liegt. Wenn es nach 30 Jahren ausgebaut wird, sind wir bei 1.500 Euro und mehr für die Entsorgung. Das ist ein künstlich gemachter Flaschenhals, der die gesamte Klimapolitik aus meiner Sicht unter Druck setzt, weil die thermische Sanierung ein wesentliches Standbein ist. Und es geht ja auch um die gesamte Bauwirtschaft, die uns zur Bewältigung der Krise helfen sollte. Wir reden von 233.000 Arbeitsplätzen im Bauhilfsgewerbe, 71.000 Arbeitsplätzen in Bauunternehmen und 16.000 Arbeitsplätzen in der Entsorgungswirtschaft. Ziel ist ja die Konjunktur anzukurbeln, aber diese Novelle läuft völlig entgegen.
Befürchten Sie aufgrund der enormen Entsorgungskosten eine Substitution durch andere Dämmmaterialien?
Klamminger: Nein, ganz und gar nicht, denn die Mineralwolle ist alternativlos, wenn es in Richtung Brandschutz geht. Auch die Brandschutzbestimmungen sind ja verschärft worden. Es passiert einfach relativ viel - Sie erinnern sich an den Grenfell-Tower. Wenn es um Sanierung geht, vor allem in öffentlichen Gebäuden oder in Hochhäusern oder Fabrikshallen – dann spricht man immer von Mineralwolle, weil nur dieses Produkt die Möglichkeit hat, brandhemmend zu wirken.
Wieviel Mineralwolle ist derzeit verbaut – von welchem Volumen reden wir da?
Klamminger: Es gibt nur eine Zahl, wie viel Mineralwolle in den Deponien in den Asbest-Kompartimenten eingebracht wurde. In 2016, also bevor auch die alte Mineralwolle dazukam, waren das einige wenige hundert Tonnen. 2018 waren es 8.000 Tonnen, davon grob geschätzt 7.000 Mineralwolle. Bei der neuen Mineralwolle waren es 6.000 Tonnen. Und diese Zahl sollte in den nächsten Jahren steigen, denn in letzter Zeit war die Baukonjunktur ja ausschließlich vom Neubau getragen. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in die Förderung gehen, um unsere Altbestände zu sanieren. D.h. wir reden hier wirklich von einem substanziellen Zuwachs von mal drei oder vielleicht mal fünf. Der große Nachteil in der Entsorgung der Mineralwolle ist auch gleichzeitig ihr größter Produktvorteil: Mineralwolle ist nicht brennbar. Deshalb muss man das Material anders zerfasern und einer Wiederverwertung zuführen.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass Ihre Forderungen in der Novelle berücksichtigt werden?
Suchanek: Ich glaube schon, dass der Widerstand Ministeriums-seitig sehr groß sein wird. Wir sind schon länger in Gesprächen und bei den Abfallschlüsselnummern ist man uns entgegengekommen. Da hat man unsere Argumente akzeptiert. Was die Änderungen in der Deponieverordnung betrifft, stoßen wir seit Monaten auf taube Ohren. Da werden wir schon noch einen großen Kraftakt brauchen, dass wir das Ministerium überzeugen können.
Wo wird es schwierig werden?
Suchanek: Was die Vorbehandlung betrifft, wird es auch von anderen Verbänden und der Wirtschafskammer große Rückendeckung geben. Auch die Kleinmengenregelung könnte ich mir gut vorstellen wird akzeptiert werden, weil es bei anderen Bauabfällen ähnliche Regelungen gibt. Beispielsweise wurde für Gipsplatten eine Kleinmengenregelung geschaffen. Der größte Brocken ist das lose Einbringen wie bisher. Wir hoffen, dass wir noch gehört werden und dass bei den Anlieferungs- und Deponierungsbedingungen die Vorgaben erleichtert werden, denn sonst wird es schwierig. Denn für die Vorbehandlung brauchen wir entsprechende Anlagen, in denen die Mineralwolle gepresst und foliert oder mit Zement gebunden wird. Das sind die zwei Möglichkeiten, die die Verordnung vorsieht. Nach unserem Wissensstand gibt es in ganz Österreich nur zwei Anlagen, die das in Zukunft können, eine davon befindet sich in Genehmigung, die andere ist eine mobile Anlage. Die wird aber nicht die kompletten Mineralwolle-Abfälle in Österreich verpressen können. Nach 2027 fällt dieses Geschäft durch das Recyclen auch weg, wer investiert also für fünf Jahre in so eine Anlage. Da stellen wir uns schon die Frage, wie die Vorgaben bewältigbar sein sollen.
Klamminger: Der private Häuslbauer rechnet so: Bei 2.000 Euro Heizkosten im Jahr spare ich durch die thermische Sanierung dreißig Prozent im Jahr. Wenn die Entsorgung schon mehr als 1.500 Euro kostet, dann sind die ersten drei Jahre Einsparung nur durch die Entsorgungskosten schon einmal weg. Damit läuft man Gefahr, dass einfach nicht thermisch saniert wird.
Der Neubau ist von der Novelle praktisch nicht betroffen …
Klamminger: Vom Gesetz her ist es so, dass jedes mehrgeschoßige Wohnhaus über 22 Meter – das sind in etwa sechs bis sieben Stockwerke – als Hochhaus gilt und ganz spezielle Brandvorschriften hat. Es muss dann durchgängig mit Steinwolle gedämmt werden. Unter dieser Höhe haben Mehrparteienhäuser in der Regel EPS und nur Brandriegel bei den Fenstern und Balkonen. Daher werden Stein- und Glaswolle in der Zukunft eine ganz bedeutende Rolle spielen, insbesondere wenn wir nachdenken über Nachverdichtung und Überbauung von Supermärkten etc., um der Flächenversiegelung entgegenzuwirken. Damit wird es einen höheren Bedarf geben in Richtung Brandschutz. Hinzu kommt die Elektromobilität. In Zukunft werden auch die Garagen aufgrund der Elektrofahrzeuge einem speziellen Brandschutz unterliegen müssen. Das ist nur eine Frage bis zum ersten Ereignis, dann wird der Gesetzgeber relativ rasch reagieren. Wenn ein Elektroauto einmal brennt, wissen wir, was da los ist und wenn das in einer Tiefgarage passiert auch. Es wird kein Weg an unseren Produkten vorbeiführen, weil nur sie diesen Brandschutz bieten. Ein thermisches Nachrüsten ist in Wirklichkeit auch ein Nachrüsten in Richtung Brandschutz. Aber wir brauchen eine praktikable Lösung für die Entsorgung.
Wie wird das Recycling ablaufen?
Klamminger: Die Abfälle werden gesammelt und rückgeführt zu den Produktionsstätten. Unser nähestes Steinwollewerk bei Knauf Insulation ist in Slowenien. Dort ist eine Recyclinganlage bereits im Probelauf. Dasselbe werden Isover, Ursa und Rockwool tun. Das System dahinter: Der Dämmstoff-Lieferant für das neue Material bei einer Sanierung muss sich um das Recycling des alten Materials kümmern. Das wäre aus meiner Sicht eine praktikable Lösung. Denn das Zurücknehmen des Recyclingmaterials wird mit Sicherheit kein Geschäftsmodell sein, wo man sich wirtschaftlich etwas erwarten kann. Daher sollte derjenige die Kosten übernehmen, der das Folgegeschäft macht.
Das kann dann aber nur über eine Verpflichtung passieren?
Klamminger: Der Markt wird einiges selbst regulieren. Man weiß ja nicht, von wem das ursprüngliche Material stammt, nach dreißig oder vierzig Jahren. Die Rücknahme und das Recycling wird Teil des Gesamtofferts sein.