E-Mobilität: Keine Zeit für langsam
Ladeinfrastruktur im Wohnbau hatte der E-Mobility & Real Estate-Kongress zum Thema, der Mitte September im Wiener Ares-Tower stattfand. Hier ist noch viel Luft nach oben, wie Guntram Preßmair von e7 energy innovation & engineering feststellt: „Im großvolumigen Wohnbau sind nur 1,2 Prozent der Stellplätze mit einer Ladestation ausgestattet.“
Aus technischer und wirtschaftlicher Perspektive spreche alles für Gemeinschaftsanlagen, die über ein intelligentes Lastmanagement-System gesteuert werden. Dass diese vielfach nicht zustande kommen, liegt an den rechtlichen Rahmenbedingungen.
Zwar hat die WEG-Novelle 2022 die Installation von Heimladestationen erleichtert, jedoch gilt nach wie vor das Einstimmigkeitsprinzip. Eine wesentliche Neuerung stellt die sogenannte „Zustimmungsfiktion“ dar. Soll heißen: Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer muss nicht mehr aktiv eingeholt werden, sondern es genügt, diese über die Pläne zu informieren. Dann sind zwei Monate Zeit, um das Vorhaben unter Umständen aktiv schriftlich abzulehnen.
Ladelösungen in Wohngebäuden
Unter den Vortragenden des Kongresses fand sich mit dem ehemaligen ORF-Moderator Christian Clerici ein prominentes Gesicht. Der Mitbegründer des Elektroauto-Abo-Anbieters Vibe Moves You warnt davor, die Mobilitätswende zu verschlafen: „Wir tun das für uns selbst, für unser eigenes Überleben.“ Ladelösungen würden oftmals am bürokratischen Aufwand scheitern. „Drei Viertel der Wiener Bevölkerung lebt zur Miete. Die Installation einer Ladestation am eigenen Garagenstellplatz kann gut und gerne bis zu 18 Monate dauern.“
In dieselbe Kerbe stößt Dominik Wegmayer von Payuca. „E-Mobilität im Mietwohnhaus muss so einfach werden wie ein Netflix-Abo“, so der Co-CEO des Anbieters für intelligentes Parkraum- und E-Lademanagement. Mit seinem Angebot wendet sich Wegmayer an Eigentümergemeinschaften, Wohnbaugenossenschaften und Hausverwaltungen. „Wir scannen die Garagen und erstellen maßgeschneiderte Installationskonzepte.“
Wegmayer geht davon aus, dass die Wallbox am eigenen Garagenstellplatz zum Standard wird. Laut einer Umfrage, möchten 78 Prozent aller Dauerparker ihr Elektrofahrzeug bevorzugt zu Hause am eigenen Stellplatz laden.
Eine Investition mit Mehrwert
Zum Werterhalt ihrer Wohnimmobilien sollten Immobilienentwickler und -eigentümer ein Interesse an der Errichtung von Ladeinfrastruktur haben. Ausdrücklich angeführt wird diese in der Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union. Die EU-Taxonomie, die zur nachhaltigen Finanzierung beitragen soll, ist seit 2020 in Kraft.
„Jedes Unternehmen kann damit selbst entscheiden, ob es auf mehr oder weniger nachhaltige Geschäftsformen setzt und trägt dafür unter Umständen die Marktkonsequenzen in Gestalt höherer Finanzierungskosten“, erklärt Robert Lechner. Lechner ist geschäftsführender Gesellschafter der pulswerk GmbH, eines Beratungsunternehmens des Österreichischen Ökologie-Instituts. Die Verordnung hält er „für eines der intelligentesten legistischen Instrumente der EU – vor allem deshalb, weil sie auf Freiwilligkeit beruht“.
„E-Mobilitätskonzepte sind von erheblicher Bedeutung für das ESG-Ranking einer Immobilie“, weiß Peter Engert, der Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI). Auch nehme die Schaffung von E-Lademöglichkeiten in privaten Garagen eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der gesetzten Klimaziele ein.
„Wenn nicht zeitnah ein Umdenken beim Thema der E-Mobilität im Mietwohngebäude stattfindet, wird die gesamte Dynamik des transformativen Wandels gebremst“, warnt Philipp Wieser von OLÉ, Österreichs Leitstelle für Elektromobilität. „Für langsame Entwicklungen haben wir eigentlich keine Zeit mehr.“
Elektromobilität in Zahlen
Die Zahl der Pkw-Zulassungen mag seit 2018 rückläufig sein, bei der Neuzulassung von Elektrofahrzeugen gibt es Jahr für Jahr Zuwächse. Bis Ende September wurden laut Statistik Austria knapp 35.000 E-Pkw neu zugelassen. Das entspricht einem Anstieg von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr und einem Anteil von 19 Prozent an den gesamten Neuzulassungen. Bei Benzinern gab es hingegen einen Rückgang von 3,3, bei Diesel-Pkw von 1,6 Prozent.
Österreichweit sind damit nun an die 140.000 Elektrofahrzeuge unterwegs, bei stark steigender Tendenz. Dem gegenüber stehen 22.050 öffentliche Ladepunkte. Deren Zahl hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht und die einzelnen Ladestationen werden immer leistungsstärker.
Das diesbezügliche Asfinag-Konzept präsentierte Projektleiter Bernhard Hintermayer jüngst bei einem der regelmäßig stattfindenden Roundtable-Gespräche des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE). Aktuell sind 36 Ladestandorte mit in Summe 220 Ladepunkten in Betrieb. Der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Standorten beträgt 62 Kilometer.
„Im Jahr 2022 wurden an unseren Standorten 190.000 Ladungen durchgeführt – um 87 Prozent mehr als im Jahr davor“, erzählt Hintermayer. Im Schnitt wird an jedem der Standorte 16 Mal innerhalb von 24 Stunden geladen, die durchschnittliche Ladedauer liegt bei 44 Minuten.
Spätestens 2030 soll es E-Ladestationen an allen Asfinag-Rastplätzen geben. Bis dahin sind 1.500 Ladepunkte für Pkw sowie bis 2035 weitere 1.300 Ladepunkte für Lkw in Planung. „Ab 2025 ist zudem eine Megawatt-Charging-Technologie verfügbar die Laden mit 1.000 Kilowatt ermöglicht.“
Bidirektional ist phänomenal
Große Hoffnungen setzt man bei OVE auf bidirektionale Ladetechnologie, zu diesem Thema wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Beim bidirektionalen Laden wird Energie in beide Richtungen ausgetauscht, sodass das Elektroauto nicht nur mit Strom geladen werden, sondern auch Strom abgeben kann.
„Technisch ist das bereits möglich“, sagt Roman Eichinger, der Leiter der OVE-Academy. „Regulatorisch sind jedoch noch offene Punkte zu klären.“ Groß ist das Potenzial etwa in Parkhäusern. Überall dort, wo Elektrofahrzeuge über einen längeren Zeitraum stehen, würden neue Geschäftsmodelle mit Dienstleistungen für den Energiemarkt ermöglicht.
„Mit bidirektionaler Ladetechnologie wird der Fuhrpark zum Flottenkraftwerk“, meint Wallbox-Chargers-Produktleiter Daniel Utges. Unternehmen würden dadurch unabhängiger vom Stromnetz und könnten Energie und damit auch Kosten sparen.
Bidirektionales Laden ermöglicht unterschiedliche Formen der Rückspeisung, darunter die Rückspeisung an Geräte, die an das Fahrzeug angeschlossen sind (V2L = Vehicle to Load). Die technologischen und regulatorischen Hürden sind hier besonders niedrig. Anspruchsvoller gestaltet sich die Stromrückspeisung ins Gebäude (V2B = Vehicle to Building) oder ins öffentliche Stromnetz (V2G = Vehicle to Grid).
Utges: „Mit V2B können Unternehmen essenzielle Betriebsabläufe auch im Falle eines Blackouts aufrecht erhalten. Der Fuhrpark fungiert hierbei als Back-up-Stromquelle.“ Darüber hinaus sind Kosteneinsparungen auf unterschiedlichen Ebenen realisierbar. So können Flottenkraftwerke Spitzenlasten oberhalb der maximalen Anschlussleistung abfedern, wodurch sich das Unternehmen unter Umständen die Erhöhung der Anschlussleistung erspart.
Potenziale ergeben sich auch im Rahmen flexibler oder dynamischer Stromtarife. Mit Hilfe von EV-Speicherkapazitäten könnten in Zukunft gezielt Niedrigpreisphasen im Tagesverlauf für den Strombezug genutzt werden. Besonders hohe Einsparungen erzielen Unternehmen mit eigenem Solarpark.
„Die Königsdisziplin freilich ist V2G“, führt der Manager des Ladetechnologie-Anbieters Wallbox Chargers aus. „Wird der Fuhrpark ins Stromnetz integriert, lässt sich über diesen elektrische Energie direkt ins Netz einspeisen.“ Damit ergeben sich attraktive Verdienstmöglichkeiten.
Laden mit Lastmanagement
Automatisch an die definierte Kapazität des Netzanschlusses angepasst wird der Verbrauch bei einem Lademanagement-System mittels Lastausgleich. Ein solches bieten die Green-Motion-Building-Ladestationen von Eaton, die für den Einsatz in Gebäudegebäuden, Einkaufszentren und Mehrfamilienhäusern optimiert sind. Der statische oder dynamische Lastausgleich ist für die zeitgleiche Nutzung von bis zu 50 Elektrofahrzeugen konzipiert.
Mithilfe der in die Ladestation integrierten Radio Frequency Identification (RFID) können Betreiber den Zugriff auf authentifizierte Nutzer beschränken und die Ladekosten bestimmten Fahrzeugen zuordnen. „Davon profitieren Manager von Elektroflotten, die ihren Fahrerinnen und Fahrern eine Ladestation für den Heimgebrauch zur Verfügung stellen“, so Mario Anibas, Sales Application Engineer für Energiewende bei Eaton. „Für Spesenabrechnungen können sie so ablesen, ob das Gerät für private oder berufliche Zwecke genutzt wurde.“
An Mitarbeiterparkplätzen werden oft mehrere Fahrzeuge gleichzeitig geladen. Das kann zu teuren Lastspitzen oder sogar zur Überlastung des Stromnetzes führen. Vermeiden lässt sich dies mit dem Smartcharge-Lastmanagement von Weidmüller. So wie das Eaton-System ist auch dieses für bis zu 50 Wallboxen ausgelegt und lässt sich individuell an die Anforderungen vor Ort anpassen.
Nutzerfreundlich gestaltete Monitoring- und Administrations-Tools sorgen für Übersicht und einfache Steuerung des gesamten Ladenetzwerks. Dank Remote-Steuerung sind Statusabfragen sowie die Steuerung und Priorisierung von Ladevorgängen aus der Ferne möglich.