Andreas Körbler
Andreas Körbler im Interview zu Standards in der Baubranche
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Hohe Standards zu erreichen und zu halten ist kein leichtes Unterfangen

Wir müssen auf europäischer Ebene einheitliche Standards schaffen“, sagt Andreas Körbler, Geschäftsführer der Keller Grundbau und seit einigen Monaten auch Präsident der EFFC, einem Zusammenschluss der europäischen Spezialtiefbauunternehmen, die insgesamt 350 Unternehmen vereinigt.

Das ganze Interview mit Andreas Körbler zu seiner Präsidentschaft bei der EFFC

a3BAU: In der European Federation of Foundation Contractors – kurz EFFC – sind alle Big Player des Spezialtiefbaus in Europa vertreten. Sie haben Mitte Oktober die Leitung für zwei Jahre übernommen. Wie fühlt man sich als Präsident?

Andreas Körbler: Es bedeutet vor allem viel Arbeit. Die Organisation ist im Wesentlichen auf freiwilligen personellen Ressourcen aufgebaut. Das heißt, einige wenige Personen tragen nicht nur die Verantwortung, sondern müssen sich auch die tatsächliche Arbeit teilen.

Wer ist in der EFFC neben Österreich noch vertreten?

16 nationale Verbände – wie die VÖBU in Österreich –, verteilt über ganz Europa. Das wechselt sich ständig ab, manche Länder kommen hinzu, andere treten wieder aus der EFFC aus – je nach ihrer wirtschaftlichen Situation. Fix vertreten sind praktisch nur die Gründungsländer England, Frankreich, Deutschland und Spanien.

Wie würden Sie den Sinn und Zweck der Organisation definieren?

Die Grundidee ist, dass sich die rund 350 Spezialtiefbauunternehmen unter einem Dachverband vereinigen, um gemeinsame Interessen zu vertreten.

Gegenüber wem ist ein gemeinsamer Auftritt notwendig?

Großen Bauunternehmen gegenüber, weil wir im Spezialtiefbau ja zu 90 Prozent Subunternehmer sind. Da geht es um die gleichen Themen wie wir sie auf nationaler Ebene haben, wie zum Beispiel „Health and Safety“ oder in Zusammenhang mit der Standardisierung unseres Arbeitsplanums („Working Platform“). Wir bemühen uns auf europäischer Ebene einheitliche Standards zu schaffen, wie den Bohrgeräteführerschein, mit dem man überall in Europa arbeiten kann. Das ist derzeit nicht möglich.

Geht es auch darum, Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Mindeststandards aufzuheben?

Natürlich ist es das Ziel, dass alle Mitglieder die gleichen Standards haben. Derzeit gibt es ganz wenige Spezialtiefbauer, die einen hohen Standard mittragen. Dann kann es passieren, dass unsere Mitarbeiter (von Keller Grundbau, Anm.d.Red.) mit der kompletten Personenschutzausrüstung auf der Baustelle stehen und daneben andere mit „Flip-Flops“, überspitzt formuliert. Das ist ein wichtiges Thema.

Wie funktioniert die Umsetzung?

Die Board-Mitglieder treffen einander ein paar Mal im Jahr. Ein wichtiger Bestandteil dieser Treffen ist das Vorbringen der Ergebnisse der Working Groups, die sie in ihren einzelnen Spezialgebieten erzielt haben. Die Technical Working Group hat beispielsweise den Tremie Concrete Guide (Leitfaden über Kontraktorbeton für Tiefgründungen) herausgebracht. Dieser wurde mittlerweile auch auf Deutsch übersetzt und beide Versionen sind auf der Webseite der VÖBU verfügbar und können dort heruntergeladen werden. Hier haben die EFFC und das „Deep Foundations Institute“ (DFI) in den Vereinigten Staaten eine gemeinsame Analyse von Problemen bei im Kontraktorverfahren hergestellten Bohrpfählen und Schlitzwänden vorgenommen.

Wer sitzt in diesen Arbeitsgruppen?

In diesen technischen Arbeitsgruppen sitzen meist die europaweiten Tiefbauspezialisten, die oftmals auch in den Normenausschüssen sitzen. Das macht auch Sinn, da sie tagtäglich mit diesen Dingen konfrontiert werden. Selbstverständlich ist diese Zusammensetzung auch teilweise schwierig, da jedes Land versucht, seine eigenen Interessen durchzusetzen. Das kann dann z.B. dazu führen, dass man ein Tool entwickelt, auf das jede europäische Firma zwar Zugriff hat, aber nicht verwendet wird. So geschehen z.B. beim Carbon Calculator. Dieser ist nun aber aufgrund der Fridays-for-Future-Bewegung wieder in den Vordergrund gerückt.

Worum geht es dabei?

Das Tool berechnet je nach eingesetzten Materialien – also mehr Beton oder mehr Kies – und den verwendeten Geräten den CO2 - Ausstoß. Das muss nun etwas angepasst werden, da sich die Voraussetzungen geändert haben, aber das Tool ist ja schon vorhanden. Diese Arbeitsgruppe wurde in eine Sustainability Working Group umfunktioniert. Hierbei erkennt man, dass jede Entwicklung für uns von großer Bedeutung ist. Für jede von ihnen wird der richtige Zeitpunkt kommen. Es gibt also keine schlechten Ideen in unserem Bereich.

Unter dem abgelösten Präsidenten, José Candela aus Spanien, standen die Themen Brexit und Digitalisierung im Fokus. Wie werden Sie Ihre Präsidentschaft anlegen?

Der Brexit ist nun vollbracht, aber das Thema Digitalisierung wird uns auch weiterhin beschäftigen. Wir leben in einer schnelllebigen Welt, in der teilweise das heute entwickelte morgen bereits veraltet ist. Zusammen mit dem Thema „Health and Safety“ müssen wir intensiv versuchen, diesen Punkt vermehrt bei der Vereinigung der Europäischen Bauunternehmer in Brüssel zu lancieren. Es bleibt also spannend. Weiterhin möchte ich die nationalen Vereinigungen mehr involvieren. Da wir, wie bereits erwähnt, sowohl national als auch international über die gleichen Themen sprechen, könnten einige dieser Problematiken schneller und effizienter gelöst werden. Durch Telefon- und Videokonferenzen können die Mitglieder der einzelnen Vereinigungen somit eher an einem gemeinsamen Tisch zusammenkommen.

Stichwort Digitalisierung, was verstehen Sie in Ihrem Bereich – also dem Spezialtiefbau – darunter?

Im Prinzip geht es um Datenmanagement. Jeder Bohrgerätehersteller hat ein eigenes Datensystem. In nächster Zukunft wird sich auch zeigen, in welche Richtung es beim BIM-Standard gehen wird. Da sind wir stark von unseren Auftraggebern abhängig. Wir, am Ende der Kette, müssen die Daten aber ins BIM-Modell (wenn vorhanden), einarbeiten. Das müssen wir standardisieren.

Wie weit ist die Branche bereits digitalisiert?

Wir liegen leider weit hinten. Derzeit verwenden wir im Spezialtiefbau zwar schon BIM, aber nur wenn es gefordert ist, nicht freiwillig. Jede Landwirtschaft ist vermutlich besser digitalisiert als wir. Wir müssten eigentlich damit beginnen, alle Bodenaufschlüsse zu digitalisieren. Bereits hier beginnt aber das Problem. Diese Daten sind (noch) nicht vorhanden und es wird noch einige Zeit vergehen, bis diese zur Verfügung stehen – wenn überhaupt.

Gibt es in der EFFC eine Arbeitsgruppe Digitalisierung?

Noch nicht. Aber das ist der Plan. Das hängt aber davon ab, ob bzw. wann sich die Bauunternehmer zusammenschließen und sagen: Ja, wir wollen was machen in die Richtung. Erst dann können auch wir damit beginnen. Derzeit hat noch jeder seine eigenen Vorgaben und interne Prozesse. Auch bei Großprojekten erhält man zum größten Teil die Daten nicht auf BIM-Basis, sondern noch als normale Pläne zum Ausdrucken wie früher.

Kommen wir zurück zur Technik. Findet auf europäischer Ebene gemeinsame Forschung und Entwicklung statt?

Teilweise. Wir haben derzeit ein Projekt laufen, das heißt Tremie Fluid Guide. Da geht es um die Untersuchung der Suspensionen bei Schlitzwänden und Bohrpfählen. Da fließt weltweit Geld in das Projekt. Solche Entwicklungen stehen und fallen einerseits mit dem Engagement der einzelnen Personen, jedoch viel mehr mit der wirtschaftlichen Situation in den einzelnen Ländern.

Hat die Branche Nachwuchssorgen? Ist das ein Thema in der EFFC?

Das ist natürlich ein Thema auf allen Ebenen. Wobei sich das Berufsfeld des klassischen Bauarbeiters wandelt. Ein Baugeräteführer muss heute auch ein Elektroniker sein. Auf der Baustelle der Zukunft werden weniger Leute sein, weil die Geräte beispielsweise von alleine fahren. Auf der anderen Seite brauchen wir Experten auf der Baustelle, die darauf schauen, dass alles funktioniert. Das heißt, man muss die Ausbildung des Nachwuchses anpassen. Wir haben heute, auch bei Keller Grundbau, viel mehr Elektroniker, Mechatroniker und so weiter. Und wenn der nächste Schritt weg vom Diesel hin zu Elektrobetrieb geht, dann ist das noch einmal etwas anderes.

Es sind bereits Groß-Drehbohrgeräte im Einsatz …

Habe ich auch schon gesehen und es ist sehr interessant zu beobachten. Man muss sich dabei jedoch einige Dinge im Hinterkopf behalten. Wie groß ist die Reichweite? Sprich, wie lange kann ich damit arbeiten? Wie lange benötigt es zum Aufladen und wo kann ich das auf einer Baustelle machen? Ich brauche wahrscheinlich auch weiterhin ein Aggregat vor Ort, das den Strom erzeugt. Dies wird dann auch weiterhin mit Diesel betankt … Also ja, wir sollten elektrisch betriebene Geräte im Einsatz haben, wo Emissionen ein Thema sind, aber das ist zur Zeit noch überschaubar. Das wir alle, weltweit, auf unseren Baustellen ausschließlich mit Elektrogeräten arbeiten, glaube ich, ist eher utopisch.

Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?

Das wird spannend. Ich denke, es wird ordentlich in den öffentlichen Verkehr investiert werden. Das kann für die Wirtschaft, und für uns als Spezialtiefbauer, gut sein, denn dadurch werden wahrscheinlich einige große Infrastrukturprojekte ausgeschrieben.

Wenn wir in Richtung Auftraggeber gehen, Sie haben es schon angesprochen: Als letzter in der Auftragskette, als Subunternehmer der großen Baufirmen – wie beurteilen Sie aktuell die Entwicklungen in Sachen kooperative Projektabwicklung? Spüren Sie davon etwas?

Ja, wir sind am Ende der Kette und zu 90 Prozent Subunternehmer, aber ich finde kooperativ gut. Was die kooperative Projektabwicklung angeht, kann ich Ihnen sagen, dass es funktionieren kann, aber nicht muss. Viele große Bauunternehmen haben mittlerweile ihre eigene Spezialtiefbauabteilung und wickeln ein Projekt komplett ab. Dem gegenüber stehen jedoch genauso viele (auch große) Unternehmen, die auf die Kompetenz und das Know-how der Spezialtiefbauer bauen und dadurch entsteht eine gute kooperative Projektabwicklung. Wenn ich an den Koralmtunnel denke, ist das ein gutes Beispiel einer perfekten Kooperation, bei der man mit dem Bauherrn auf Augenhöhe ist. Obwohl wir „nur“ Subunternehmer einer großen ARGE waren. Aber mit der ÖBB Infrastruktur und deren Fachleuten und Consultants konnte das Projekt kooperativ abgewickelt werden. Und das resultiert nun darin, dass ich zusammen mit DI Herzeg von der ÖBB einen Vortrag über genau diese Kooperation beim diesjährigen Baukongress im April halten darf.

Die Keller Grundbau hat 2019 ihr 50-Jahre-Jubiläum gefeiert. Das Unternehmen hat sich in dieser Zeit zum Komplettanbieter im Spezialtiefbau entwickelt – kann man das so sagen?

Durchaus. Wir haben zum Beispiel im Triiiple (Wohnbauprojekt in Wien, Anm.d.Red.) die komplette Baugrube gemacht, mit Aushub, Wasserhaltung, mit allem Drum und Dran und haben dann erst bei der Sauberkeitsschicht übergeben. In der Slowakei treten wir oft als Komplettanbieter auf, auch in Tschechien bieten wir schon seit 15 Jahren die komplette Baugrube an, teilweise inklusive Bodenplatte. Es kommt immer auf den Bauherrn an, wo er die Schnittstelle setzt.

Wie beziffert sich die durchschnittliche Projektgröße bei Keller Grundbau?

Wir setzen in Südosteuropa 900 Projekte im Jahr um. Und die durchschnittliche Größe am Ende des Tages liegt zwischen 100.000 und 150.000 Euro, also eher kleine Volumina. Die großen Projekte sind aber die, über die man in den Medien liest. Für uns sind jedoch beide Arten von Projekten gleichermaßen von Bedeutung: vier Gewi-Pfähle in Vorarlberg genauso wie die Teilnahme an den großen Infrastrukturprojekten in Österreich.

Bmstr. DI Andreas Körbler

ist seit 2011 Geschäftsführer der Business Unit South East Europe Keller Grundbau Ges.mbH, Wien, seit 2018 Präsident/Vorsitzender der VÖBU (Vereinigung Österreichischer Bohr-, Brunnenbau- und Spezialtiefbauunternehmungen) und seit Mitte Oktober 2019 Präsident der European Federation of Foundation Contractors (EFFC)