Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche
In Hinblick auf den European Green Deal, der Europas Klimaneutralität bis 2050 anvisiert, beleuchteten Experten das Thema Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche. So sprach man neben den Möglichkeiten zur Reduktion der Treibhausgas- und CO2-Emissionen durch Sanierungen auch über den Einsatz erneuerbarer Energien bei Bauvorhaben sowie die Kostenfaktoren für Investoren, Vermieter und Mieter.
Klimaneutralität bis 2050 in Europa
Die Bau- und Immobilienwirtschaft muss einen verstärkten Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit legen, zumal entsprechend umgesetzte Neubau- sowie Sanierungsprojekte mittel- und langfristig stets kostengünstiger seien als nicht nachhaltige: Darin waren sich die Experten beim von Drees & Sommer initiierten Real Estate Impuls einig. Durch den European Green Deal, mit dem Europa als erster Kontinent die Klimaneutralität bis 2050 erreichen soll, sind neue Ansätze gefragt, um künftig ressourcensparender und umweltfreundlicher zu bauen. Dabei kommen Fragen zur Planung, Sanierung oder Finanzierung auf, die Bauherren, Investoren und Nutzer betreffen. Bei den Vorträgen wurden die Vorteile der Implementierung der Kreislaufwirtschaft im Bau- und Immobilienwesen für alle Beteiligten skizziert.
Investoren überzeugen
Die Vortragenden Anna-Vera Deinhammer (Koordinatorin für Kreislaufwirtschaft im Baubereich der Stadt Wien), Gert Widu (Nachhaltigkeitsbeauftragter der Bundesimmobiliengesellschaft BIG) sowie Christian Schön (geschäftsführender Gesellschafter & Nachhaltigkeitsexperte bei Investitionen der Auris Immo Solutions) waren sich darüber einig, dass der finanzielle Aspekt für alle Beteiligten eine ausschlaggebende Rolle spiele. Dazu merkte Christian Schön an, dass es vor allem bei den Investoren oft noch Überzeugungsarbeit bedürfe, damit diese sich auf Investitionen bei Green Buildings im Privatbereich einlassen. Dabei seien die Wohnrenditen weiterhin hoch und ökologische Gebäude sowohl für Nutzer als auch für Vermieter positiv hinsichtlich Kosten.
Nutzer wollen immer öfter wissen, was in den Gebäuden verbaut wurde und interessieren sich für Immobiliennachhaltigkeit. Kann man nun eine Green-Building-Zertifizierung vorweisen, wirke sich das für den Vermieter auf die Mieteinnahmen, die Bewertung und die Attraktivität für Vermietungen aus – die Fluktuationsrate sinkt. „Für die Mieter werden etwa durch die Nutzung erneuerbarer Energien die Betriebskosten gesenkt, was die Wohnung attraktiver macht und zu einer Steigerung der Wohnqualität führt. Für den Investor bedeutet das eine stetige Einnahmequelle, da es kaum Leerstände gibt“, erörterte Christian Schön die Investorensicht.
Planung als essenzielles Tool
Bei der Konzeption nachhaltiger Bauvorhaben und deren Umsetzung ist eine strategische und detaillierte Planung unerlässlich. Drees & Sommer setzt seit vielen Jahren vermehrt auf die Entwicklung innovativer Methoden, gerade im Bereich der Digitalisierung. Mittels Building Information Modeling (BIM) können alle Bauakteure von Anfang an in demselben Modell arbeiten und sind stets auf dem aktuellen Planungsstand. Details zu Material, Gewicht oder Oberfläche jedes Gebäudeelements sind genauso abrufbar wie etwa Angaben zum Brandschutz. Durch diese genaue Planung entstehen kaum unerwartete Mehrkosten. „Mehrinvestitionen, wie stetige Verbrauchsmessungen und Energiemonitoring zur Identifikation von Optimierungsmöglichkeiten während sowie nach der Bauzeit, sind ehrfahrungsgemäß nach spätestens drei Jahren wirtschaftlich gedeckt“, so Michael Jelencsits, Leiter der Engineering-Abteilung bei Drees & Sommer Österreich.
Kreislaufwirtschaft im Fokus
Auch die Kreislaufwirtschafts-Koordinatorin der Stadt Wien, Anna-Vera Deinhammer, setzt bei dem von ihr gegründeten „DoTank Circular City Wien 2020-2030“, eines der ersten Leitprojekte der Anfang dieses Jahres präsentierten „Wirtschaftsstrategie WIEN 2030 – Wirtschaft & Innovation“, auf akribische Planung und zielorientiertes Handeln. Nach den vom Gemeinderat beschlossenen Zielvorgaben der „Smart City Wien Rahmenstrategie“ – beispielsweise, dass ab 2050 80 % der Bauelemente und Materialien von Abrissgebäuden und Großumbauten wiederverwendet oder -verwertet werden müssen – werden bei der Sanierung von ausgewählten Stadtteilen innovative Lösungen für leistbares, ressourcenschonendes und hochqualitatives Wohnen und Zusammenleben von Anfang an mitgedacht. Erneuerbare Energiequellen, Fernwärme und Photovoltaik werden in den sanierten Wohnungen zu finden sein. Deinhammer: „Durch Verbesserungen im Bau sollen Energien länger gespeichert werden. Bis jetzt wurde in einem Neubau nach zehn Jahren Nutzung gleich viel Energie verwendet, wie während dessen Bau benötigt wurde. Der verbesserte Neubau benötigt diese Energiemenge in 35 Jahren.“ Mit den Sanierungen erreiche man neben der Senkung der Treibhausgas-Emissionen, des Energieverbrauchs und des konsumbasierten Material-Fußabdrucks auch eine Kosteneinsparung; zum einen, indem alte Gebäude saniert und nicht komplett neu errichtet werden, zum anderen durch die Energieersparnis.
Nachfrage nach Green Buildings steigt
Aus Sicht der Bauherren merkte Gert Widu an, dass gerade bei Bürogebäuden schon vielfach nach Green Buildings gefragt werde. Auch bei Blue Buildings – emissionsneutrale, energieautarke und digital vernetzte Gebäude, die aus kreislauffähigen Baustoffen bestehen und sich der Nutzung flexibel anpassen – nehme die Nachfrage zu. Auf die Planung dieser Blue Buildings hat sich Drees & Sommer spezialisiert, wie Michael Jelencsits konstatierte: „Das Ergebnis unserer Nachhaltigkeits-Beratung ist eine ausgewogene Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Nach unseren Erfahrungen genießen Blue Buildings intern und extern eine hohe Akzeptanz, ohne dass in wirtschaftlicher Hinsicht wesentliche Abstriche gemacht werden müssen.“
Christian Schön ergänzte dazu: „Je früher Experten in den Planungs- bzw. Bauprozess eingebunden werden, desto niedriger fallen die Mehrkosten aus bzw. können dadurch gänzlich vermieden werden.“ Auf lange Sicht sei damit ein ökologisch-bewusstes und klimafreundliches Gebäude kostensparender als herkömmliche Bauten, die weder bei der Errichtung, der Energieversorgung oder der Attraktivität beim Endnutzer mit den Werten eines Green Buildings mithalten können.