Personenfreizügigkeit muss ohne Lohn- und Sozialdumping gehen
Europa feiert 30 Jahre Binnenmarkt. Für die AK und die Gewerkschaft Bau Holz ist das ein Grund, ein Umdenken in Sachen Fairness einzufordern. „Der Wettbewerb innerhalb der EU wird oft unfair geführt, auf Kosten der arbeitenden Menschen, des Sozialstaats und all jener Unternehmen, die sich an die Regeln halten“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Insbesondere mit sogenannten „Entsendungen“, bei denen Menschen von Firmen aus den Nachbarländern für Aufträge nach Österreich geschickt werden, werden die Sozial- und Lohnstandards in Österreich oft unterlaufen. Mit 221.000 Entsendungen ist Österreich auch im EU-Vergleich auf Platz 3 hinter Deutschland und Frankreich. Nach wie vor können Firmen aus den Nachbarländern mit Entsendungen viel zu leicht das österreichische Lohn- und Sozialsystem unterlaufen. Der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) ist es jetzt gelungen, insbesondere Entsendetricks aus Slowenien über Interventionen bei der EU zu stoppen. „Die EU-Wettbewerbsbehörde in Brüssel hat eingelenkt und Slowenien davon überzeugt, den unfairen Sozialversicherungs-Entsendebonus mit 1. Jänner 2024 abzuschaffen“, sagt der GBH-Bundesvorsitzende Josef Muchitsch. Von diesem Erfolg profitieren nicht nur die entsendeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Zukunft besser sozialversichert sind, sondern auch die österreichischen Unternehmen. Denn für sie wird der Wettbewerb mit den Unternehmen aus den Nachbarländern fairer.
Eine Studie der AK Wien zu 30 Jahren EU-Binnenmarkt zeigt den drastischen Anstieg der Entsendungen nach Österreich in den vergangenen Jahren und zeichnet die Entwicklung des Kampfes gegen Lohn- und Sozialdumping nach. So gab es laut Studie zwischen 2011 und 2018 eine Aufwärtsentwicklung durch die Einführung einer behördlichen Lohnkontrolle durch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und Verbesserungen dieses Gesetzes 2015 und 2017 sowie Verbesserungen auf europäischer Ebene etwa durch die Durchsetzungsrichtlinie 2014. Die AK und die Gewerkschaften hatten maßgeblichen Anteil an den Verbesserungen durch diese Gesetze. Es folgte dann aber seit 2018 mehrere Rückschläge. So brachte im September 2021 die Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes deutlich mildere Strafen für die Firmen, die den Wettbewerb in Österreich und die Rechte der Beschäftigten mit Lohn- und Sozialdumping unterlaufen und die Allgemeinheit damit viel Geld kosten.
„Lohn- und Sozialdumping kosten uns Steuerzahlern nicht nur Millionen Euro im Jahr sondern zerstört und vernichtet unsere Arbeitsplätze – speziell am Bau. Mit Lohn- und Sozialdumping auf Kosten der Arbeiter Gewinne maximieren geht nicht!“, sagt Josef Muchitsch.
Die AK und die GBH fordern von der Bundesregierung und von der EU weitere Schritte, damit der Wettbewerb für Beschäftigte und Unternehmen in Europa fair abläuft:
- Im Mittelpunkt der EU-Politik müssen viel mehr als bisher die Interessen der Beschäftigten und Konsument:innen stehen.
- Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen endlich besser zusammenarbeiten.
- Es braucht verstärkte Kontrollen. Dafür muss die Finanzpolizei endlich massiv aufgestockt werden. + Nur mit höheren Strafen kann Lohn- und Sozialdumping wirksam bekämpft werden.
- Undurchsichtige Subunternehmerketten müssen beschränkt werden.
- Haftung des Erstauftraggebers für die Löhne muss endlich her. Damit könnten diejenigen Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können, die die stärkste Marktmacht haben und somit ein Interesse daran haben, unfaires Verhalten zu unterbinden.