Stuttgart Milaneo Shoppingcenter
Die Überbauung von Supermärkten liegt im Trend

Wohnen auf dem Supermarkt

Wohnen auf Supermärkten und Shoppingcentern wird langsam ein Trend. Zum einen weil Überbauung von bestehenden Flachdach-Kisten und Fachmarktzentren bei knappem Grund und Boden Sinn macht, zum anderen, weil Supermarktketten an ihren Standorten Wohnraum schaffen.

Immer rarer werden Bau-Genehmigungen für Fachmarktzentren und Shoppingcenter, die als Flachdach-Kisten daher kommen und oft für das Ausfransen der Ortsränder verantwortlich sind. Immer rarer und teurer auch die Grundstücke, umso größer andererseits der Bedarf an Wohnraum, nicht nur in den Ballungsgebieten, der auch noch „leistbar“ sein soll. Weshalb zunehmend Supermärkte und Shoppingcenter nachträglich oder gleichzeitig mit Wohnungen oder auch Hotels überbaut werden. 

Größtes, ältestes und bekanntes Beispiel für eine Shoppingcenter-Überbauung ist jene des Wiener Auhofcenters, wo der Bauträger WBV-GPA auf dem Einkaufszentrums-Dach einen „Vierkanthof“ mit 71 geförderten Wohnungen errichtet hat, die vor rund drei Jahren übergeben wurden. Die Querkraft Architekten um Jakob Dunkl haben damals geplant und sehen sich heute in dem auch für die Stadt Wien neuartigen Ansatz bestätigt: Früher sei das Auhofcenter tot und die Gefahr von Vandalismus groß gewesen. Weil heute dort Menschen wohnten, funktioniere auch die soziale Kontrolle, zitiert ihn „Die Presse“.

24 der 71 Wohnungen sind besonders kostengünstige Smart-Wohnungen, das Angebot reicht von Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen, deren durchschnittliche Größe zwischen 53 m² und 77 m² liegt. Der „Vierkanthof“ schafft einen großzügigen, begrünten Innenraum mit Spielplätzen und Sitzmöglichkeiten, dessen Licht unter anderem durch raumhohe französische Fenster zur Wohnungsbelichtung genutzt wird – und das alles sozusagen im ersten Stock.

Ein vergleichbares Projekt in Wien, wenn auch mit einem anderen Zeitablauf, wird gerade im 22. Bezirk in Wien Ecke Zschokkegasse/Rittersporngasse realisiert. Hier will der Diskonter Lidl einen Supermarkt errichten, auf den der Bauträger EGB 60 Wohnungen draufsetzt, die zu einem Drittel als Smart-Wohnungen ausgeführt und über das ganze Gebäude gleichmäßig verteilt werden. Planer ist hier die Dietrich Untertrifaller Architekten ZT-GmbH. Nach aktuellem Stand werden die Mietwohnungen mit Kaufoption voraussichtlich einen Eigenmittelbeitrag von 474 Euro pro Quadratmeter erfordern und Betriebskosten von 6,41 Euro/m² bewirken, allerdings ohne HZ, WW und KW.

Überbauung in Saalbach

Im Wintersportort Saalbach hat die Genossenschaft Wohnbau Bergland einen seit 2011 bestehenden Supermarkt der in Westösterreich (Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Kärnten und Südtirol) sehr starken Tiroler Supermarktkette MPreis mit Wohnungen überbaut, die Ende Oktober 2017 übergeben wurden. Insgesamt 1.578,61 m² Wohnfläche in 25 hochwertigen Mietwohnungen wurden von der Bergland innerhalb von 17 Monaten um rund 4,1 Millionen Euro mit Landesförderung errichtet.

Das fünfgeschossige Gebäude beherbergt Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen, die zwischen 57 m² und 70 m² groß sind und alle über Balkone verfügen. Erschlossen wird das Gebäude durch einen Lift und jeder Wohnung ist ein Carport-Platz zugeordnet. Diese Plätze sind streng separiert von den Kunden-Parkplätzen. Aus statischen Gründen wurde in Skelettbauweise gebaut, das oberste Geschoß in Holzbauweise. Das  bei solchen Projekten immer wieder auftretende Problem der Eigentümerschaft wurde so gelöst, dass die Bergland zuerst Miteigentum an der Liegenschaft erwarb, dann parifizieren ließ und schließlich die Besitzverhältnisse nach Nutzwerten aufgeteilt wurden.

In Grödig hat ebenfalls die Wohnbaugenossenschaft Bergland vor mehr als drei Jahren gleichzeitig mit der Errichtung eines Spar-Marktes im Ortszentrum diesen mit geförderten Wohnungen überbaut, was Platz und Kosten gespart hat. Den durch die Supermarkt-Belieferung entstehenden Lärm versuchte man in Grödig durch eine Einhausung des Anlieferweges in den Griff zu bekommen.

Die Bereitschaft, einen derartigen neuen Weg zu bebauen, ist noch nicht allzu ausgeprägt, wie selbst die Bergland feststellen musste: „Auch Strasswalchen denkt darüber nach, jedoch wäre dort lt. Bürgermeister ‚die Zeit noch nicht so reif, dass in der Provinz so gebaut wird‘“, schreibt die Genossenschaft, sichtlich bedauernd 

Blick ins Ausland

Während sich österreichische Beispiele durchwegs im geförderten Wohnbau abspielen, ändert sich mit dem Blick ins Ausland auch die Preisklasse: Auf dem Dach des Stuttgarters Einkaufszentrums Milaneo, das für deutsche Verhältnisse mit 43.000 m² vermietbarer Fläche nicht besonders groß ist, sind in 17 Einzelhäusern 415 Mietwohnungen entstanden, die bereits an drei Endinvestoren verkauft wurden. Bauträger war die Bayerische Hausbau, für die das Projekt insofern Neuland war, als „oben“ und „unten“ unterschiedliche Bauherren zu Gange waren.

Zahlreiche Rechtsfragen waren zu klären, die Aufstellung der Kräne ohne andere zu behindern, usw., denn das Einkaufszentrum war bei Baubeginn bereits ein Jahr in Betrieb. Auch statische Fragen galt es zu lösen: So stehen etwa die Wohnhäuser auf einer Betonplatte, die bis zu einem Meter dick ist. Dass die Wohnbebauung auf dem Dach teurer wurde als ein Neubau auf der vielzitierten grünen Wiese, äußert sich auch in den Mieten, die zwischen zwölf Euro und 17 Euro pro Quadratmeter liegen – kalt. Dennoch gilt das Milaneo als Musterbeispiel für integrierte Einkaufszentren in Innenstädten. Was allerdings nur für Neubauten gilt, denn die Statik bestehender Shoppingcenter lässt eine Überbauung selten zu.

Temporäres Wohnen

Eine etwas andere des Wohnens, nämlich eine temporäre, wird demnächst auf dem Dach des Shoppingcenters Ring-Center 2 in Berlin möglich sein: Der Hotelentwickler MQ Real Estate sorgt für das „erste weltweit modular errichtete Hotel auf einem Shoppingcenter“, wie er es selbst nennt. Dafür wird das Ring-Center 2, das von der ECE betrieben wird, um ein zusätzliches Geschoss aufgestockt, auf einer rund 8.000 m² großen bisherigen Parkfläche auf dem Dach innerhalb weniger Wochen. Die Vorarbeiten sind bereits erledigt. Heißen wird die Hotelanlage „Skypark“.

Das gesamte Hotel wurde in Energie-effizienter Holz-Modulbauweise entwickelt und größtenteils in einem deutschen Werk vorgefertigt. 151 Hotelzimmer-Module wurden produziert, betrieben werden sie von der neuen Hotelmarke niu der Novum Hospitality ab kommendem Herbst. Bei der ECE, die Wohnungen, Büros und Hotels schon bisher in ShoppingcenterNeubauten integriert hat, freut man sich über das erste „aufgesetzte“ Hotel, von dem man sich auch eine zusätzliche Frequenz für das Ring-Center 2 erwartet.

Der Immobilienentwickler ist stolz darauf, weltweit das erste Team zu sein, das sich konsequent auf die modulare Aufstockung von Bestandsgebäuden, insbesondere von Parkhäusern fokussiert hat“. Angesichts der dringenden Notwendigkeit der Nachverdichtung in vielen Städten könnte das eine Assetklasse der Zukunft werden.

Aldi baut Wohnungen für künftige Kunden

Bisher gehen Supermarktketten bei ihrer Standortwahl nach dem zu erwartenden Einzugsgebiet vor: Wie viele potentielle Kunden kann ich am Standort theoretisch ansprechen? Der Diskonter Aldi Nord geht nun den umgekehrten Weg und hat angekündigt, an mindestens 30 Standorten in Berlin mehr als 2.000 Wohnungen zu bauen, sogenannte „gemischt genutzte Immobilien“ – immer mit einem Aldi Nord-Markt mit dabei. Die neuen Supermärkte nach dem Aldi Nord Instore-Konzept (ANIKo-Stil) werden bis zu 1.400 m² groß sein. „Die Kombination von Aldi-Märkten und angeschlossenem Wohnraum ist deshalb eine konsequente und vor allem zukunftsorientierte Lösung“, glaubt man bei Aldi Nord.

Die ersten beiden „Leuchtturmprojekte“ werden bereits umgesetzt, und zwar 200 Wohnungen in den Stadtteilen Neukölln und Lichtenberg, weitere 15 Standorte der Kombination Aldi-Markt und Wohnungsbau werden gerade geplant. „Wir möchten aktiv bei der Nachverdichtung Berlins und beim ökologischen Stadtumbau unterstützen. Deshalb ist die Schaffung von Aldi-Märkten in Kombination mit Wohnraum nicht nur ein Vorteil für das Unternehmen und dessen Kunden, sondern ein Mehrwert für ganz Berlin“, sagt Aldi Nord. Wäre doch auch etwas für Wien, Graz, Linz, usw.?