Wohnen auf Zeit
Kurzzeit-Wohnformen liegen im Trend
© moodley brand identity – Tina Herzl

Wohnen auf Zeit

Die beruflichen Anforderungen ziehen in vielen Branchen eine erhöhte Reisebereitschaft nach sich. Deshalb drängen vermehrt Anbieter von Kurzzeit-Wohnformen auf den Markt, die dem klassischen Hotelbetrieb Konkurrenz machen.

Es ist allgemein bekannt, dass die Hotellerie unter dem regen Angebot von Buchungsplattformen wie Airbnb leidet. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren jedoch auch viele Anbieter von Wohnungen auf den Markt gekommen, die sich explizit für temporäre Nutzer eignen. Denn gerade der Anstieg projektorientierter Arbeitsformen, die wachsende Mobilität innerhalb Europas und die Internationalisierung insbesondere von Wien im letzten Jahrzehnt, aber auch anderer österreichischer Städte, hat den Bedarf an Wohnraum auf Zeit massiv ausgeweitet.

Es sind auch nicht nur Banker oder Juristen, die zu diesen modernen Nomaden gehören: Künstler wie Musicaldarsteller, Organisatoren und Gestalter von Events, Berater aller möglicher Sparten und schließlich auch Architekten und Ingenieure sind von Fall zu Fall auf eine Bleibe in der Fremde angewiesen. Auf der anderen Seite stehen Investoren wie Immobilienentwickler und Vermieter, welche auf Tuchfühlung zu den immer flexibler werdenden Mietern und ihren Wünschen gehen. 

Das Hotel als Wohnung

„Die erste Form des Kurzzeitwohnens ist das Hotel und diese Wohnform hat gerade in Wien im letzten Jahrzehnt sehr stark zugenommen“, erklärt Christian Heiss, Gründer und Geschäftsführer von Atelier Heiss Architekten. Für den erfahrenen Architekten Heiss ist es offensichtlich, dass in Wien-Umgebung auch das Angebot an Boarding Houses enorm gewachsen ist. „Die Klientel dieser Wohnformen ist wirklich bunt gemischt. In vielen Branchen wird von Mitarbeitern mehr und mehr an Flexibilität eingefordert“, so Heiss. „Denken sie etwa an einen Handwerker, der aus dem Bundesland kommt und in Wien arbeitet, weil hier einfach das Bauvolumen und das Preisgefüge besser sind.“ 

„Die Zielgruppe definiert sich über den Preis und das Leistungsspektrum, denn die Anforderungen an die Grundbedürfnisse des Wohnens haben sich in den letzten hundert Jahren bloß marginal geändert“, betont Heiss. Aber auch bei klassischen Hotels bleiben manche Gäste länger als man meinen möchte: „Wir haben beispielsweise das Hotel Daniel am Landstraßer Gürtel entwickelt. Hier gibt es immer wieder Leute, die ein halbes Jahr einbuchen und nur während der Woche dort sind. Meist ist es letztlich eine simple Kochzeile, die dazu führt, dass ein Raum von einem klassischen Hotelzimmer in ein Apartment kippt.“

Unisono gilt: Bei den zumeist kleinen Flächen ist die gute Aufteilung entscheidend. Allerdings ist dieser Trend allgemein in Städten, insbesondere durch den markanten Preisanstieg in Wien deutlich: Die Einheiten werden kleiner. „Eine kompakte 2-Zimmer-Wohnung weist heute 45 Quadratmeter auf“, beschreibt Heiss. Small ist beautiful.

Beide Seiten zusammenbringen

Jemand, der viel Erfahrung mit Vermieter und Mietern von Kurzzeitwohnungen hat, ist Herbert Maier, Geschäftsführer von Kurzzeitwohnen GmbH. Er betreibt die website kurzzeitwohnen.com, eine Plattform, die beide Seiten dieser Wohnform zusammen bringt. „Wir stellen fest, dass vermehrt internationale Firmen, die in Österreich niedergelassen sind, auf Fachpersonal zurückgreifen, das oft am Standort selbst nicht verfügbar ist“, führt Maier aus. 

Der gebürtige Salzburger sieht vor allem in seiner Heimatstadt und in Wien die stärkste Nachfrage. „Stark im Kommen sind Graz und Linz, in beiden Städten arbeiten wir intensiv am Ausbau unseres Angebots. Innsbruck ist einer der schwierigeren Märkte für uns, da die Landeshauptstadt Tirols sehr vom touristischen Sektor besetzt ist“, sagt Maier.

Erhellend ist eine Untersuchung der Userprofile, welche die Kurzzeitwohnen GmbH vor kurzem durchgeführt hat: Demnach sind 94 Prozent der Kunden von kurzzeitwohnen.com aus dem Business-Sektor. Bei diesen beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 57 Tage. Immerhin knapp 50 Prozent der Mietkunden kommen aus Österreich und 36,4 Prozent aus Deutschland. 

Mit 8000 Zugriffen monatlich ist die Website gut frequentiert, ein Drittel davon greift im Übrigen von mobilen Endgeräten wie smartphones und Tablets auf die Seite zu. Das beweist, dass einerseits eine nutzerfreundliche Gestaltung nötig ist und dass andererseits selbst so basale Bedürfnisse wie das Wohnen immer stärker etwa während einer Straßenbahnfahrt online behandelt werden. Niederschwellig zu sein ist auch ein Charakteristikum für die angebotenen Wohnungen. „Sie sollten 'löffelfertig' sein, da der Bewohner lediglich seine persönlichen Gegenstände und Kleidung mitbringt. Verbrauchsgüter wie Nahrungsmittel kauft er vor Ort“, stellt Maier dar. „Wichtig ist natürlich ein guter Internetanschluss und idealerweise eine Waschmaschine.“ 

Für den Vermieter ist die website ein Vertriebskanal. Einer von mehreren. Deshalb ist faire Preisgestaltung und eine gute Präsentation entscheidend. Dazu berät die Kurzzeitwohnen GmbH die Vermieter. Doch ein Leerstand lässt sich auch bei perfekter Präsentation und günstigem Preis nicht ausschließen.

Vorsorgewohnung 2.0

Ende 2017 soll die ehemalige Österreich-Zentrale der Firma Philips 120 bis 135 komplett möblierte Apartments für Menschen mit erhöhtem Reiseaufkommen anbieten. Die beiden Immobilien-Unternehmen 6B47 Real Estate Investors AG und die Sans Souci Group haben das denkmalgeschützte Gebäude 2014 erworben und ein innovatives Nutzungskonzept für Vorsorgewohnungen entwickelt, das unter der Bezeichnung „PhilsPlace“ auf den Markt kommen wird. Das Besondere daran ist die Mietdauer, denn diese erfüllt das Bedürfnis des Kurzeit-Wohnens punktgenau. 

Das 12-geschoßige Gebäude mit seinen 51 Metern Höhe wartet in seiner modernisierten Version mit stilistischen, statischen und technischen Besonderheiten auf. Denn die ehemaligen Bürogeschoße vom dritten bis zum zwölften Stock befinden sich in einem Kubus, der lediglich zwischen vier Stützen eingespannt ist, die in Summe eine Aufstandsfläche von nur 16 Quadratmetern aufweisen. Damit ist das Gebäude eine Meisterleistung an Tragwerkskonstruktion. 

„Bis auf die beiden Treppenhäuser mit den insgesamt vier Liften gibt es keine innenliegenden tragenden Wände“, veranschaulicht Kristin Oberweger, die Managerin der Betriebsgesellschaft, die Easy Living Management GmbH eine herausragende Eigenschaft des in den 60-er-Jahren vom Architekten Karl Schwanzer konzipierten sogenannten 'Philips-Hauses'. „Erst dadurch können wir die Zukunftsform des Wohnens, unsere 120 kompakten Full-Serviced Apartments als Mini- und Midilofts mit flexiblen Grundrissen realisieren.“ Mit den großen Fenstern und Raumhöhen von 3,5 Meter entsteht trotz kleinerer Wohnfläche von 31 bis 46 Quadratmetern ein mondänes Flair. Vor allem dank der Panorama-Perspektive. 

Dass auf hochwertige Materialen gesetzt wird, zeigt etwa die Wahl von 4-facher Verglasung und zusätzlicher Jalousie-Ausführung. „Die Schall- und Dämmwerte zählen zur Spitzenklasse“, hebt Oberweger eine Qualität der 160-Kilogramm schweren Fenster hervor. Auch das Interior setzt auf ästhetische Raffinesse und soll intelligente und flexible Raumlösungen fördern. „Wir haben in sechs verschiedenen Loft-Apartment-Typen zielgruppenspezifisch die Wandlungen des temporären Wohnens artikuliert und greifen gleichzeitig den Zeitgeist der 60er Jahre im PhilsPlace auf“, sagt Oberweger. „Mit zwei Handgriffen wird bei Bedarf aus einem großzügigen Schreibtisch ein komfortables Bett und der 180 Grad-drehbare Fernseher ermöglicht eine Nutzung sowohl von der Couch als auch vom Bett.“ 

Die Betriebsgesellschaft vermietet die Apartments auf Tages-Basis, aber auch längerfristig. Da aber die Wohnungen als Vorsorge-Wohnungen konzipiert sind, muss man sich fragen, was denn passiert, wenn sie einmal oder vielleicht sogar viele Male leer stehen? Vereinfacht gesagt fungiert die Easy Living Management GmbH als gewerberechtlich befugter Betreiber, der jede Art der Vermietung managt. „Der Eigentümer eines Apartments vermietet an das PhilsPlace“, führt Gerhard J. Lottes aus, CEO von 'Die Vorsorge Immobilienmakler und Bauträger GmbH', die Vertriebs-Tochter der Sans Souci Group und 6B47 Real Estate Investors AG. „Selbst bei einem Leerstand von 25 Prozent liegt die Rendite höher als bei klassischen Vorsorgewohnungen. Der Leerstand ist ein Erfahrungswert.“ 

Dem Konzept PhilsPlace kommt entgegen, dass Plattformen wie Airbnb zunehmend Restriktionen erfahren. In London etwa ist eine private Vermietung nur mehr 90 Tage im Jahr möglich. „Wir verfügen über eine Konzession als Hotelbetrieb und leisten alle erforderlichen Abgaben“, klärt Lottes auf. Die Mieterträge aus allen Apartments werden monatlich abgerechnet und gepoolt. Der Gesamterlös wird dann nach dem Nutzwertschlüssel auf alle Wohnungseigentümer aufgeteilt. 

Gelingen soll dies auch durch ein mit 300.000 Euro großzügig ausgestattetes Marketingbudget, das unter anderem dazu dient auf den exquisiten Plattformen für Firmenkunden wahrgenommen zu werden. Schließlich gehören Entsendungen von Mitarbeitern bei Konzernen zum Tagesgeschäft. Aber auch die Ausstattung des Hauses selbst mit dem speziellen 60er-Jahre-Flair sowie einer ausgedehnten Lobby von etwa 400 Quadratmetern, zahlreichen Angeboten im Haus und der unmittelbaren Umgebung spricht für eine gute Auslastung. Immerhin ist bereits ein halbes Jahr vor der Eröffnung die Hälfte der Apartments verkauft. 

Heiß umfehdet, wild umstritten

Der Markt wird offenbar zusehends kompetitiver. Anfang 2017 startet mit www.flatio.at ein neues Online-Portal für Vermietungen für eine Dauer von ein bis sechs Monaten in Wien. Dahinter steht ein tschechisches Immobilien-Startup, das in Wien seinen ersten Schritt in Richtung internationale Expansion wagt. Die guten Erfahrungen in der Heimat Prag und Brünn haben den Anlass dazu gegeben. „Wir sind nicht einmal ein ganzes Jahr am Markt und konnten innerhalb von Prag mehr als 13.000 Übernachtungen vermitteln“, sagt CEO und Gründer von Flatio, Radim Rezek. „Unser Ziel ist es, in den folgenden Jahren in ganz Europa für das Kurzzeitwohnen aktiv zu sein, weil wir hier einen markanten Bedarf sehen. Wien ist für uns der ideale Start für eine Internationalisierung, da es uns sowohl räumlich als auch von der Mentalität sehr nahe ist.“