Blick aus der Vogelperspektive auf die PV-Anlage mit 120 kW Leistung
© SST solar

Industriehalle als Energieerzeuger

Im neuen Firmengebäude des Solarkollektorherstellers SST Solar erzeugen große Solarthermie- und Photovoltaikanlagen Energie für Wärme und Strom.

Große Photovoltaikanlagen auf Dächern von Industriehallen sind keine Seltenheit, große Solarthermieanlagen an den Fassaden schon eher. Der österreichische Solarkollektorhersteller SST Solar GmbH hat bei seinem Firmengebäude beide Technologien kombiniert. Auf dem Dach produziert eine Photovoltaikanlage mit 120 Kilowatt Leistung Strom für den Eigenverbrauch und zum Einspeisen in das öffentliche Stromnetz. An der Ost- und Südfassade des Gebäudes sind 285 Quadratmeter Solarkollektoren installiert. Der Solarertrag ist so hoch, dass im Winter 2017/2018 nur zehn Raummeter Holz für das Nachheizen benötigt wurden - für rund 1.800 Quadratmeter Fläche.

Eine Besonderheit in dem Heizkonzept ist die Betonkernaktivierung. Der Hallenboden speichert die Wärme aus der Solarthermieanlage, der zusätzliche Wärmespeicher konnte entsprechend klein dimensioniert werden. Das Fazit des Unternehmers Renan Sen nach zwei Jahren am neuen Firmensitz: „Es ist ein tolles Klima im Gebäude und von den Betriebskosten her perfekt.“ Eine Vergleichsrechnung zwischen einer im Gewerbe üblichen Gasheizung einerseits und einem Heizsystem mit großer Solarthermieanlage und zusätzlicher Gasheizung andererseits belegt die Wirtschaftlichkeit des Systems.

Mit seinem Unternehmen SST Solar fertigt Renan Sen Großflächen-Solarkollektoren, aber auch Solarsysteme aus eigenen Kollektoren und zugelieferten Photovoltaikmodulen. Das „Connect System“ wird häufig in Sonnenhäusern eingebaut. Mit dem einheitlichen Raster für Module und Kollektoren sorgt es für eine ästhetische Optik der Solardächer. Im Sonnenhaus-Institut e.V., einem Kompetenznetzwerk für regenerative Energien im Bauwesen, ist Sen Mitglied des Vorstands. Bei Sonnenhäusern erzeugen große Solarthermie- und Photovoltaikanlagen Energie für Wärme, Strom und gegebenenfalls auch Elektromobilität. Das Ziel sind möglichst hohe Autarkiegrade in der Energieversorgung. Da lag es nahe, dass Renan Sen auch bei seinem Neubau so viel Solarenergie wie möglich erzeugen wollte.

Sonne und Holz liefern umweltfreundliche Wärme

2015 begann die Planung des Gebäudes. Errichtet wurde es 2016 in Nenzing in Vorarlberg in Österreich. Die 1.828 Quadratmeter Grundfläche teilen sich auf Büros (350 m²), Sozial- und Aufenthaltsräume (246 m²) und die Produktionshalle (1.232 m²) auf. Zunächst zur Wärmeversorgung:

Der Wärmebedarf wurde rechnerisch mit 97.000 kWh im Jahr ermittelt. „Der reale Bedarf der Produktion kann aber nicht genau berechnet werden, da die Tore immer wieder für An- oder Auslieferungen geöffnet werden müssen und dadurch natürlich viel Wärme entweicht“, erklärt Renan Sen. Die Solarkollektoren platzierte er senkrecht an zwei Fassaden. An der Ostfassade sind 93 m² Solarkollektoren montiert, an der Südfassade 192 m².

„Die Montage an der Fassade hat den Vorteil, dass die Kollektoren frei von Schnee bleiben und im Sommer aufgrund der senkrechten Montage nicht überhitzen“, sagt Sen. „Im Winter, wenn die Sonne flacher auftrifft, bringt die Anlage die volle Leistung.“

Betonkernaktivierung: Hallenboden speichert Wärme

In dem Gebäude gibt es zwei Heizkreise, was mit der Betonkernaktivierung zusammenhängt. In der Produktionshalle wurden die Heizrohre auf dafür montierte Gitter in der Bodenplatte verlegt. Anschließend wurde die Fläche mit Beton verfüllt. Dieser sogenannte Betonkern dient als Langzeitspeicher.

„Je nach Vorlauftemperatur der Kollektoren wird entweder der Wärmespeicher beladen oder direkt in die Fußbodenheizung/Betonkernaktivierung eingespeist“, erläutert Sen das Funktionsprinzip. „So können auch geringe Temperaturen bei diffuser Strahlung direkt in die Fußbodenheizung und somit in den Betonkern eingespeist werden. Wenn die Kollektoren nur 25°C warm sind, fahren wir direkt in den Betonkern.“ Die 1.232 m² große Bodenplatte ist 25 cm dick und wird komplett aufgeheizt. Wegen dieser Speichermasse im Boden reichen 5.000 Liter Fassungsvermögen für den Wärmespeicher aus.

Der zweite Heizkreis ist die Fußbodenheizung in den Büroräumen. „Wenn die Solaranlage nicht genügend Energie erzeugt, heizen wir mit dem Holzkessel nach“, sagt Renan Sen. Der Kessel hat 60 Kilowatt Leistung. Der Holzbedarf ist allerdings minimal. Selbst im vergangenen Winter mit den extrem kalten Monaten Januar und Februar mit Temperaturen bis -18°C benötigte er nur etwa 10 Raummeter Holz. Bis Weihnachten musste er nicht zuheizen, ab Ende Februar auch nicht mehr. „Somit werden mehr als 80 bis 90% der Raumwärme durch die Solarthermieanlage erzeugt“, überschlägt er. Die Temperatur in der Halle wird konstant über mindestens 18° gehalten. „Wir haben oftmals Temperaturen, die andere sich wünschen würden, 22 oder 23 Grad. Und wenn die Hallentore immer mal wieder auf- und zugehen, macht das gar nichts, weil die Bodenplatte genügend Wärme gespeichert hat.“

Die Regelungstechnik für das Heizsystem stammt von dem Hersteller Varmeco, ebenfalls Mitglied im Sonnenhaus-Institut. Die Steuerung Varcon 380 kann individuell programmiert werden und wurde auch hier auf das Schema angepasst.

Amortisationszeit nur zehn Jahre

Die gesamte Anlage, wie sie bei SST Solar montiert ist, würde in Österreich für einen Endkunden 100.650 Euro netto kosten. Dabei sind 48.000 Euro Förderung für solare Großanlagen sowie eine Ersparnis von 4.200 Euro durch dünnere Solarpaneele in der Fassade bereits berücksichtigt. Das Sonnenhaus-Institut hat auf dieser Basis folgenden Kostenvergleich angestellt: Um das Beispiel für den österreichischen Markt vergleichbar zu machen, ging man davon aus, dass in Österreich als Heizerzeuger in der Regel eher eine Gasheizung als ein Holzkessel und Pelletofen gewählt würde. Ansonsten bliebe alles gleich. Durch den niedrigeren Preis der Gasheizung (12.000 Ersparnis) würden die Gesamtkosten für eine Solarthermie- und Gasheizung nur 88.650 Euro betragen.

Das Sonnenhaus-Institut vergleicht nun diese Kombination mit einer gängigen Standardlösung, nämlich einer fertig installierten Gasheizung mit Deckenstrahlplatten. Sie wurde zum Nettopreis von 91.112 Euro angeboten. Die Solarthermie-Anlage mit Gasheizung wäre damit also um 2.462 Euro günstiger als eine Standardlösung (nur Gas). Durch den Solarertrag von 85.000 kWh entstünde im Betrieb eine jährliche Einsparung von Brennstoff in Höhe von ca. 3.100 Euro (gerechnet mit den aktuellen Gaspreisen). „Das zeigt, dass die Solarthermie-Gas-Heizung günstiger ist als die reine Gasheizung und die Mehrkosten sich schon nach wenigen Monaten amortisiert hätten“ resümiert Renan Sen. Dazu profitiert der Gewerbetreibende von der Ersparnis durch die kostenfreie Solarenergie. Abschreibungen und eventuelle Energiepreis-Steigerungen sind in dieser Vergleichsrechnung noch nicht einmal berücksichtigt.

„Außerdem sind Deckenstrahler in der Regel für eine Gewerbe- oder Produktionshalle - vor allem bei häufig geöffneten Toren – auch weit weniger geeignet. Die hier genutzte Bauteilaktivierung des Hallenbodens, deren Wirkung ähnlich einer Fußbodenheizung ist, stellt eine höhere Raum- und Arbeitsqualität sicher“, ergänzt Sen.

Photovoltaik-Großanlage für Eigenverbrauch und Einspeisung

Auch bei der Stromerzeugung setzt SST Solar auf Solarenergie. Der Strombedarf im Unternehmen ist nicht hoch. „Den höchsten Bedarf hat wahrscheinlich der Druckluft-Kompressor“, so der Firmeninhaber. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach hat er trotzdem so groß wie möglich dimensioniert, da er überschüssigen Solarstrom gegen eine Einspeisevergütung in das öffentliche Stromnetz einspeisen kann.

Die PV-Anlage hat eine Leistung von 120 kW. Die kristallinen Module hat SST Solar gekauft und das Montagesystem selbst gebaut. Die Module sind mit einem Neigungswinkel von 10 Grad nach Osten und Westen aufgeständert. Laut Berechnungen soll die PV-Anlage mindestens 120.000 kWh im Jahr erzeugen. „Heuer haben wir schon 93.630 kWh produziert“, sagt Sen Mitte September. Für den Überschussstrom hat er einen Einspeisevertrag mit der österreichischen Bundesförderstelle Oemag. Eingespeisten Solarstrom bekommt der Anlagenbetreiber 13 Jahre lang mit 8,25 Cent/kWh vergütet. Zusätzlich hat er einen Einmalzuschuss in Höhe von ¤ 375 je kWp Photovoltaik-Leistung von der Oemag erhalten.

„Das Firmengebäude erzeugt für uns mit dem einfachen System überhaupt keine Betriebskosten“, sagt Renan Sen zufrieden. In der Stromversorgung erzeugt die Photovoltaikanlage etwa fünf Mal so viel Strom, wie im Betrieb verbraucht wird. „Wir speisen bis zu 80.000 kWh Strom ins Netz ein und kommen deshalb mit einem deutlichen Plus raus.“

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