Klarheit in der Diskussion um Bodenversiegelung und Bodenverbrauch
Aber damit nicht genug. Fakt ist auch, dass im öffentlichen Diskurs Bodenverbrauch fälschlicherweise oft mit Bodenversiegelung gleichgesetzt wird, obwohl es sich hierbei um zwei unterschiedliche Begriffe handelt. Die Flächeninanspruchnahme in Österreich umfasst verschiedene Arten von Flächen, darunter Gebäudeflächen, Verkehrsinfrastruktur, Betriebsflächen und Freizeitflächen. Die aktuell diskutierte jährliche Obergrenze von neun Quadratkilometern bzw. täglich 2,5 Hektar hätte weitreichende Konsequenzen für viele Lebensbereich. Diese würden nicht nur den Wohnbau betreffen, sondern hätten auch erhebliche Auswirkungen auf Immobilien- und Mietpreise, Arbeitsplätze sowie die Entwicklung der Infrastruktur. Zusätzlich würde diese Grenze eine Hürde für Baugenehmigungen und den Bau öffentlicher Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Gemeindezentren und Gesundheitseinrichtungen darstellen. Dies wäre insbesondere für Gemeinden eine enorme Herausforderung, die dringend nach alternativen Lösungen suchen müssen, um die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Eine sorgfältig durchdachte Bodenstrategie ist für die nachhaltige Entwicklung Österreichs von großer Bedeutung.
Bodenverbrauch vs. Bodenversiegelung
Der Begriff "Bodenverbrauch" bezieht sich grundlegend auf die Nutzung von Land für Zwecke außerhalb der Land- und Forstwirtschaft. Offiziell gelten Flächen, die beispielsweise für den Bau von Gebäuden, Infrastrukturen oder Freizeiteinrichtungen wie Parks, Golfplätze oder Skipisten genutzt werden, als „verbraucht“. Diese Definition führt jedoch oft zu falschen Schlussfolgerungen. Zum Beispiel wird eine Parklandschaft oder ein Einfamilienhaus mit einer grünen Wiese zu 100 % als "verbraucht" betrachtet, auch wenn in den meisten Fällen nur ein kleiner Teil des gesamten Grundstücks tatsächlich bebaut ist. Daher ist anzudenken, den Fokus der Diskussion auf Bodenversiegelung zu lenken. Versiegelung tritt auf, wenn eine undurchlässige Schicht den Boden bedeckt, und nur ein Bruchteil der verbrauchten Fläche ist tatsächlich versiegelt. Diese Differenzierung ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und eine sachliche Diskussion zu fördern. Es lässt sich vereinfacht sagen: Nicht jede „verbrauchte" Fläche ist zwangsläufig „versiegelt“.
Die Versorgungssicherheit Österreichs wird oft als Hauptargument für die Reduzierung des Bodenverbrauchs genannt. Jedoch ist laut dem Rechnungshof die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Österreich von 2010 bis 2020 um etwa 277.000 Hektar gesunken. Im Vergleich dazu würde man bei einem täglichen Bodenverbrauch von derzeit 12,5 Hektar im gleichen Zeitraum auf etwa 46.000 Hektar kommen. Der Großteil dieses Rückgangs ist daher nicht auf einen tatsächlichen Verbrauch oder Verbauung zurückzuführen, sondern darauf, dass die Landwirte diese Flächen nicht mehr bewirtschaften.
Angesichts dieser Entwicklungen und der Notwendigkeit einer präzisen Darstellung, führte das Beratungsunternehmen Kreuzer, Fischer & Partner eine umfassende Untersuchung durch, um genaue Daten zur Flächeninanspruchnahme zu erheben.
Zahlen und Fakten zur aktuellen Flächeninanspruchnahme*
- Die Flächeninanspruchnahme in Österreich beträgt etwa 7% der Staatsfläche, wovon etwa 3,5% versiegelt sind. Die jährliche Neuinanspruchnahme beträgt lediglich 0,05% der Landesfläche.
- Es benötigt somit 20 Jahre, um den Anteil der Flächeninanspruchnahme an der Landesfläche und 40 Jahre, um den Versiegelungsgrad um nur einen Prozentpunkt zu erhöhen.
- Im europäischen Vergleich liegt Österreich mit einem Indexwert von 113 etwas über dem Durchschnitt in Bezug auf die Versiegelung von Flächen.
- Es ist wichtig, diese Daten korrekt zu interpretieren und nicht wie häufig in den Medien dargestellt, Österreich als Europameister im Versiegeln oder Verbauen zu bezeichnen.
- Die mediale Darstellung der Flächeninanspruchnahme durch Umrechnung in Fußballfelder kann zu falschen Rückschlüssen führen: Die Betonung der täglichen Nutzung von 16 Fußballfeldern für Bauprojekte lässt den Kontext außer Acht, dass die Gesamtfläche Österreichs etwa 11,8 Millionen Fußballfelder umfasst.
- Setzt man die Landesfläche Österreichs mit einem Fußballplatz gleich, entspricht die beanspruchte Fläche etwas mehr als der Hälfte eines Torraumes. Versiegelt ist etwa ein Drittel davon. Die jährliche Flächenneuinanspruchnahme ist nicht größer als das Kreissegment bei einer Cornerfahne (s. Grafik).
- Die in Diskussion stehende Obergrenze der Flächeninanspruchnahme zielt darauf ab, die jährliche Neuinanspruchnahme auf maximal neun Quadratkilometer zu reduzieren. Eine derartige Reduzierung würde unter anderem zu einer steigenden Arbeitslosenquote, erhöhten Miet- und Immobilienpreise führen und den Gestaltungsspielraum der Gemeinden massiv einschränken.
- Die steigende Beanspruchung von Flächen resultiert hauptsächlich aus dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. In der Zeit von 2015 bis 2022 stieg die beanspruchte Fläche um 5,3%, während die Bevölkerung um 4,9% und das reale Wirtschaftswachstum (BIP) um 11,7% zunahmen.
*Datenquelle: Grundstücksdatenbank des Bundesamts für Eich- und Vermessungstechnik (BEV), die auf Basis der DKM-Benutzungsarten ausgewertet werden.