Christian Plas denkstatt a3bau
Interview mit Christian Plas, Geschäftsführer der denkstatt GmbH, zum Thema Städte heizen und kühlen.
© Arthur Michalek

Klima in der Smart City

„Wir bauen eigentlich für die Vergangenheit“, sagt Christian Plas, Geschäftsführer der denkstatt GmbH und Experte, wenn es um Umwelt und Nachhaltigkeit geht. Für die Errichtung zukunftsorientierter Gebäude braucht es visionäre Planer und mutige Bauherren, denn die letzten Jahre ist alles darauf ausgerichtet worden, keine Energie für das Heizen aufzuwenden, dabei geht es eigentlich ums Kühlen. Und das benötigt die dreifache Leistung, so Plas.

a3BAU: Kein Tag vergeht ohne Horrormeldungen zum Thema Erderwärmung. Gerade die Ballungsräume könnten viel zum Klimaschutz beitragen. Sie leiten bei Austrian Standards das Komitee 269 „Nachhaltige Städte und Kommunen“. Was ist zu tun? Warum ist Normung in diesem Zusammenhang wichtig?
Christian Plas: Wir versuchen, einen westeuropäisch geprägten Gedanken von einer smarten City einzubringen, damit sich nicht ein stark technisch geprägter Ansatz, wie er in asiatischen Ländern zu beobachten ist, weltweit durchsetzt. Nach unserer Vorstellung sollte die Lebensqualität der Menschen im Vordergrund stehen.

Unterscheidet sich diese so wesentlich von der asiatischen?
Lebensqualität heißt für uns nicht unbedingt, dass in jedem Zimmer ein Bildschirm und in jeder Küche ein kommunizierender Kühlschrank steht. Ich denke, es sollte mehr um Luftqualität, ausreichend Wasser, funktionierenden öffentlichen Verkehr und vor allem Ökologie gehen.

Ist den Asiaten der Umweltschutz egal?
Ökologie und Umweltschutz wird auch in asiatischen Ländern behandelt, nur wird das halt anders beschrieben. Warum fühlen wir uns in einer norditalienischen Stadt so wohl, obwohl der Ort möglicherweise keine smarten Glasfaserkabel hat? Ich hab ausreichend Platz zum Sitzen, es ist schön schattig, ich habe meine Händler rundherum, da sind keine weiten Wege zurückzulegen. Ich muss also nicht mit ein paar Millionen anderen Menschen gleichzeitig von der Schlafstadt in die Arbeitsstadt fahren. Ich finde dort meine kulturellen und sozialen Einrichtungen, die nahe beieinander liegen, die eigentlich meine gesamten Lebensbedürfnisse gut abdecken.

Aber ist dieser Anspruch angesichts der zunehmenden Bevölkerung noch zeitgemäß, können wir uns das tatsächlich noch „leisten“?
Gerade angesichts steigender Bevölkerungszahlen müssen wir die unterschiedlichen Nutzungsformen wieder zusammenzubringen. Wir haben lange Zeit bedingt durchs Auto – weil es egal war – Wohnen und Arbeiten getrennt. Alle wollten am Stadtrand wohnen, mit verheerenden Folgen, wie man beispielsweise in London sieht. Ab 20:00 Uhr ist das innerstädtische Bankenviertel ausgestorben, das ist höchst wertvoller Platz – gar nicht zu bezahlen –, der ungenutzt ist und diese Viertel sind dann abends komplett tot. Deswegen versuchen wir gerade wenn es um Quartiersentwicklung geht, beispielsweise wie ein „Viertel Zwei“, unterschiedliche Nutzungsformen nah zusammenzubringen und sie an den öffentlichen Verkehr anzubinden und, so gut es geht, überhaupt ohne Parkplätze auszukommen.

Was ist von Smart City Rankings zu halten?
Das ist genau der Punkt. Diese Smart-City-Indikatoren laufen in die völlig falsche Richtung. Diese Kriterien sind sehr technologieorientiert. Einer der wichtigsten Faktoren ist die Zahl der elektronischen Krankenakte, um ein Beispiel zu nennen. Das ist uns eigentlich egal, weil wir eine völlig andere Krankenversorgung haben. Bei uns gewährleistet man die Qualität der Krankenbetreuung ganz anders.

Welchen Stellenwert hat die Ökologie?
Die Bedeutung ist, denke ich, allen klar. Im Detail sieht es dann eben oft anders aus. Und wenn wir uns die Frage stellen: Wie klimafit ist Wien? Dann muss ich sagen: unzureichend. Die Stadt ist eigentlich für ein völlig anderes Klima gebaut. Jüngsten Studien zufolge werden in Wien 2050 Verhältnisse wie in Skopje und in London wie in Madrid herrschen. Das sind sieben bis acht Grad mehr, weil sich in Innenstädten das Problem extrem verschärft. Die letzten zehn bis 15 Jahre ist alles darauf ausgerichtet worden, keine Energie für das Heizen aufzuwenden, dabei geht es eigentlich noch mehr ums Kühlen. Und das benötigt die dreifache Leistung. Was uns zugutekommt: Wir brauchen die Energie zum Kühlen, wenn die Sonne scheint.

Was halten Sie davon, wenn Orte und Städte den Klimanotstand ausrufen? Macht das Sinn?
Also momentan bedeutet es konkret noch gar nichts. Es ist ein Signal, aber dass der Klimawandel echt ein Problem ist, ist in den Köpfen noch nicht angekommen.

Schockiert mich jetzt ein wenig, wenn Sie sagen, dass der Klimawandel bei uns in den Köpfen noch nicht angekommen ist. Ich hatte das Gefühl, dass wir Im Vergleich zu anderen Kontinenten weit voraus sind in Sachen Klimaschutz …
Die österreichische Klimapolitik hat ganz regelmäßig miserable Kritiken von NGOs erhalten – aus meiner Sicht völlig zu Recht. Wir haben in den letzten 20 Jahren im Klimabereich nichts getan – null. Lange Zeit bestand unsere Klimapolitik aus dem Umstieg auf Biodiesel. Das beginnt erst jetzt ein bisschen zu bröckeln. Aber ich habe bis jetzt noch keine ernsthafte Maßnahme der österreichischen Politik bemerkt. Es gibt keine
CO2-Steuer, wir schauen, dass der Sprit billig bleibt, dafür verbieten wir die Plastiksackerln. Eine Tankfüllung entspricht 4.000 Plastiksackerln. Soviel zum Thema CO2-Footprint. Was verbieten wir? Die Plastik­sackerln. Und jeder ist stolz, dass er zwei Plastiksackerln eingespart hat. Dass er vielleicht einen Liter Benzin einsparen sollte, ist kein Thema.

Smart-City hat ganz viel mit Logistik und Verkehr zu tun ... Wo stehen wir da?
Alle Mobilitätsfragestellungen, sowohl individuelle als auch die Warenmobilität, sind ein Riesenthema. Als Politiker muss ich mir überlegen, welche Maßnahme ist denn geeignet, tatsächlich eine Veränderung herbeizuführen. Und dann braucht es halt auch ein bisschen Mut. Ich glaube, dass der Rückhalt in der Bevölkerung momentan nicht das Problem wäre.

Wie kann man bei der Wirtschaft ansetzen?
Die Wirtschaft tut in dem Rahmen, den man ihr gibt, das ihre. Wenn ich Rahmenbedingungen setze, dass es für einen Betrieb in Wirklichkeit völlig unvernünftig ist, eine Maßnahme zu setzen, dann kann ich nicht erwarten, dass er sie setzt. Die Energie ist so unglaublich billig. Und wenn der Transport auf der Straße so billig ist, warum sollte jemand das Doppelte für die Bahn zahlen?


Das heißt, es würde mutigere Politiker brauchen, die auch unpopuläre Maßnahmen setzen. Auf der anderen Seite hätten wir aber immer noch das Problem der Wettbewerbsverzerrung …
Ich bin ein glühender EU-Verfechter, aber wir haben ein paar Regeln in der EU, wo man sich wirklich selber ins Knie schießt. Eine dieser Regeln ist das Unbundling im Energiebereich, also das Trennen von Erzeugung und Netz, was unglaublich viele Optimierungsmöglichkeiten nimmt. Jeder der sich irgendwann mal mit Prozessmanagement auseinandergesetzt hat, weiß, wenn ich jeden Prozess isoliert betrachte, kommt ein Mist raus. Genau das haben wir in der E-Wirtschaft.

Findet hier ein Umdenken statt?
Ich glaube, dass das mit den neuen Technologien kommt. Wenn man eine wirklich zukunftsorientierte Energieversorgung haben will, dann schafft man es nicht mehr, das Netz von der Erzeugung zu trennen. Ich bin gespannt, wie die Exekutive darauf reagieren wird, ob das geahndet wird oder nicht? Denn es werden neue Dienstleistungsorganisationen entstehen, die beinhart beides machen.

Beschäftigen Sie sich in der Denkstatt auch mit konkreten Projekten oder Umsetzungen technologischer Art?
„We create sustainable value“ – das ist definitiv die Zielsetzung. Wir optimieren zum Beispiel die Kühlung in einem Lager, verknüpfen unterschiedliche Energieniveaus intelligent miteinander, sodass die Gesamt­energiebilanz des Unternehmens verbessert wird. Oder beraten hinsichtlich energieautarker Gebäude – also alles was zur Dekarbonisierung führt. Dekarbonisierung ist momentan für ganz viele Unternehmen ein Riesenthema und das Umstellen von linearen in Richtung zirkuläre Wirtschaftssysteme. Wo kann man eigene Produkte möglicherweise wieder verwenden oder verwerten. Da setzen wir Bewertungsmethoden wie Life-Cycle Assessment, Carbon Footprint, Water Footprint ein.

Wie schätzen Sie dabei die Bauwirtschaft ein? Wie grün ist die jetzt und wie grün will sie werden?
Es ist viel zu tun. Dass die Bauwirtschaft wirklich grün werden will, sehe ich eigentlich nicht. Wir hören sehr oft vom Projektpartner: „Naja, der Bauherr bestellt und wir bauen.“ Viele Entscheidungen sind aber eher reputationsgetrieben. Man kann nicht pauschal behaupten, dass es besonders klimafreundlich ist, wenn man mit Holz baut. Die Gesamtkonzepte müssen betrachtet werden.

Viele Projekte funktionieren ohne Förderung nicht, was sagt der Marktwirtschafter dazu?
Am Anfang braucht es immer eine Anschubförderung. Das macht mir keine Sorgen. Problematisch ist, wenn über Jahrzehnte etwas gefördert werden muss, um zu funktionieren. Da passt dann etwas nicht. Ich bin begeisterter Marktwirtschafter, nur kann ich nicht vom Markt erwarten, dass er gegen seine Rahmenbedingungen kämpft. Das funktioniert nicht. Ich muss die Rahmenbedingungen – und das ist eine politische Frage – setzen und dann macht der Markt. Es gibt aktuell ein interessantes Interview mit dem CEO von ABB in der Schweiz. Der sagt: Wir brauchen keine Mobilitätsförderung, das macht der Markt selber. Er ist überzeugt davon, dass neue Mobilitätskonzepte gewinnen werden. Aber nicht weil man für einen Tesla eine Förderung bekommt. Sondern weil die Leute den Tesla haben wollen, Punkt.

Sie sind von der E-Mobilität überzeugt?
Derzeit gibt es viele skeptische Stimmen. Wie zum Beispiel: Naja, aber die bösen Batterien. Ich glaube, in zehn Jahren brauchen wir keine Lithium-Batterie mehr, da haben wir andere Batterien. Da wird die Reichweite kein Thema mehr sein und auch die Steuerung für die Ladungen. Also, dass das Netz zusammenbricht, weil jetzt alle um sechs am Abend ihr Auto anstecken ist eine Sorge, für die es definitiv Lösungen geben wird.

Eines Ihrer Hauptthemen – wir haben es vorhin schon kurz angesprochen – ist die Quartiersentwicklung.
Es ist ganz schwierig, über eine ganze Stadt zu diskutieren. Da kannst du nur sehr programmatisch sein mit einer Rahmenplanung. Ein einzelnes Haus funktioniert schlecht mit gemischter Nutzung, aber ein Verbund von Wohnblöcken, das ist echt charmant. Für ein Quartier kann ich beispielsweise Mobilität und soziale Räume überlegen.

Da sind wir schnell beim Thema Belebung von Stadtvierteln und Sanierung ...
Das ist das größere Problem, weil der Neubau ist von der Technologie her viel leichter zu bewältigen. Ich finde von der Nutzung her ist die Planung im Bestand fast interessanter, weil du dich an etwas festhalten kannst. Es ist manchmal ein bisschen schwierig, finde ich, so auf dem Reißbrett zu sagen, wir machen jetzt gemischte Nutzung. Das schaut dann so aus wie das Regierungsviertel in
St. Pölten. Also das ist für mich so ein Negativbeispiel.

Sind Sie ein Verfechter davon Altes zu erhalten oder sagt man irgendwann: Das hat sich überholt, weg damit, Neubau?
Ich bemühe mich, möglichst wenig dogmatisch zu sein. Es gibt super Beispiele gelungener Einbindung von alter Substanz, aber wenn es einfach nicht mehr funktioniert, denk ich mal, ist Festhalten an Altem aus Prinzip einfach Blödsinn.

Stadtplaner Reinhard Seiß kritisiert den aktuellen Bürohaus-Boom. Es wird viel neu gebaut und besiedelt. Nur was macht man mit den alten Bürohäusern? Da reden wir von 15 oder 20 Jahre alten Gebäuden …
Das finde ich besonders reizvoll am Bauen. Was immer wir bauen, das muss eigentlich lange halten. Wenn ich jetzt etwas plane, werde ich es in drei Jahren bauen und in fünf Jahren ist es fertig und wird zehn, zwanzig oder dreißig Jahre genutzt. Dafür muss ich eigentlich planen. Das passiert aber nicht. Sondern Gebäude werden geplant, also ob sie 1990 gebraucht worden wären. Das ist einer unserer ganz großen Kritikpunkte, dass wir eigentlich für die Vergangenheit bauen. Das brauchen wir nicht. Ich verstehe natürlich, dass es schwierig ist, für die Zukunft zu bauen. Mobilität ist ein ganz gutes Beispiel dafür. Bei einem aktuellen Objekt, bei dem wir involviert sind und das mehrere Tausend Menschen nutzen werden, müssen wir uns überlegen, ob wir dort Garagen brauchen oder ob wir uns trauen, keine zu bauen.

Dazu braucht es visionäre und mutige Bauherren …
Genau. Das Objekt mit ganz wenigen Garagen zu bauen – und ganz wenig heißt wirklich ganz wenig – weil wir daran glauben, dass in 15 Jahren kein Mensch mehr mit dem eigenen Auto dorthin fahren wird, davon muss ich überzeugt sein.

Wenn der Bedarf an Garagen jetzt da ist, dann stellt sich für den Investor die Frage, kann man so ein Bürogebäude trotzdem an den Mann bringen? In 15 Jahren schon, aber wenn man das bis dorthin nicht überlebt ...?
Man könnte Übergangsphasen, Möglichkeiten zur Umnutzung schaffen. Das Thema Flexibilität in der Nutzung ist ganz wichtig. Ebenso muss das ökologische Bauen mit berücksichtigt werden.  

Lassen sich Gebäude eigentlich wirklich umnutzen? Haben wir dafür mutige Planer?
Ich glaube, dass es genug mutige Architekten gibt, immer gegeben hat. Aber ich glaube auch, dass die es total schwer haben, Bauherren zu finden, die sich wirklich nachhaltige Smartness trauen.