Empfangspult in einem Krankenhaus
Das Krankenhaus der Elisabethinen in Wien
© Lisa Rastl

Krankenhausbau

In der Berichterstattung rund um den Gesundheitssektor überwog in der Vergangenheit die Kostendebatte. Wolfgang Kradischnig und Peter Podsedensek, Gründer der Delta Podsedensek Architekten ZT GmbH, geben Einblick in die architektonischen Lehren, die in puncto Krankenhausbau bisher aus der Krise gezogen werden können, und erläutern die Rolle der Digitalisierung.

Alles begann vor ungefähr einem Jahr: Im chinesischen Wuhan wurde binnen zehn Tagen ein Krankenhaus mit 1.000 Betten aus dem Boden gestampft, in Manhattan legte das größte Hospitalschiff der Welt an und in Wien wurde vorsorglich ein Großlazarett in der Messehalle am Prater aufgebaut. Plötzlich steht eine hochspezialisierte Architektur-Disziplin, über die sonst wenig gesprochen oder geschrieben wurde, im Fokus der Öffentlichkeit.

In der internationalen Bau- und Architekturbranche gilt das Gesundheitswesen aufgrund seiner vielfältigen Anforderungen bereits seit jeher als Königsdisziplin. Krankenhäuser sind komplexe Gebäude, die zahlreiche unterschiedliche Funktionen unter einem Dach erfüllen müssen. Wesentliche Hauptverbindungswege, etwa zwischen Notaufnahme und OP, sind neben kilometerlangen Verkabelungen und Installationen möglichst kurz und barrierefrei zu halten. Auch der Reinheitsgrad einzelner Bereiche spielt bei der Gestaltung eine wesentliche Rolle, denn öffentliche und keimreduzierte Räume müssen strikt voneinander getrennt werden. Die Delta Podsedensek Architekten ZT GmbH gilt in diesem Bereich als international anerkannter Player und kann auch in Österreich auf zahlreiche Projekte referenzieren – darunter das Universitäts- und Forschungszentrum Tulln, die Biopharmazeutische Produktionsanlage LSCC von Boehringer Ingelheim, die Krankenhäuser der Elisabethinen in Linz und Wien sowie die Klinik der Diakonissen in Linz. Die beiden Unternehmensgründer Wolfgang Kradischnig und Peter Podsedensek zeigen auf, welche Erkenntnisse bisher, ein Jahr seit Ausbruch des COVID-19-Virus, für den Krankenhausbau der Zukunft gewonnen werden können.  

Gezielte Unterbrechung der Infektionsdynamik

Der Eingangsbereich ist Kradischnig zufolge ein Ort, der rasch zum Infektionsherd werden kann: „Die Vereinzelung und gesundheitliche Triage der Personen, bevor sie überhaupt die Innenräume betreten, wird stärker ins Bewusstsein rücken. Eine rasche, unkomplizierte Selektion, beispielsweise über Drehkreuze oder Schleusen wird wesentlich. Für solche Orte wird künftig in der Planung mehr Platz eingeräumt werden müssen.“ Podsedensek ergänzt: „Leitsysteme bzw. Wegkreuzungen in Krankenhäusern werden vermehrt ins Auge gefasst, sodass bestimmte Räumlichkeiten, wie Wartebereiche und Ambulanzen für eine Pandemie genutzt werden können, ohne dass es bei anderen Patienten zu Kontaktrisiken kommt.“ Eine große Herausforderung bestehe darin, die Räume so zu planen, dass sie auch in „Nicht-Pandemiezeiten“ sinnvoll genutzt werden können. Patienten, Mitarbeiter und Lieferanten sollen möglichst getrennt verkehren, ohne in ihrer operativen Arbeit eingeschränkt zu sein. In der Debatte rund um das Thema Infektionsherde spielen auch krankenhausspezifische Keime, an denen Patienten teilweise sogar sterben, eine Rolle – nicht erst, aber besonders seit COVID-19. Hygienische Aspekte machen bei der Planung von Gebäuden ein hohes Fachwissen in der Reinraumtechnik erforderlich, das verschiedene Stufen von Keimfreiheit vorsieht. So lässt sich erschließen, welche Formen und Materialien zu verwenden sind. Podsedensek kann hier aus seiner langjährigen Erfahrung schöpfen: „Wenige große Flächen lassen sich dabei besser reinigen als kleinteilige, die Zahl der Fugen sollte möglichst minimiert werden. Automatisierte Türöffner und „Push-to-open“-Mechanismen sind hygienischer als Griffe. Ein sensibler Bereich ist auch die Kante zwischen Wand und Vorbauten.“ 

Flexibilität stärker gefragt 

Die Errichtung von Krankenhäusern der höchsten Isolationsstufen ist den beiden Experten zufolge allerdings aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht tragbar. „Es gibt bereits Publikationen in diese Richtung, wie beispielsweise das Zweibettzimmer mit zwei getrennten Nasszellen, aber sobald es an die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Folgekosten geht, wird das sehr kritisch“, ist Kradischnig überzeugt. Seiner Meinung nach ist im Vergleich dazu der Trend zum Einbettzimmer zu bevorzugen. So können infektiöse Patienten nicht nur rasch und effektiv isoliert werden, sondern geschlechtergetrennte Mehrbettzimmer werden obsolet, was der flexiblen Belegung zugutekommt. Eine zukünftig verstärkte Investition in den Bereich Modulbau ist denkbar. Kradischnig ist überzeugt, dass die Branche hier viel aus der aktuellen Krise gelernt hat: „In Vergangenheit bestand kaum eine Notwendigkeit, ein Gebäude ohne konkreten Bedarf, vorsorglich, und binnen weniger Tage zu errichten. Nun werden Herausforderungen zur unbürokratischen und raschen Abwicklung solcher Projekte aber bewusst thematisiert.“ Österreichische Krankenhäuser haben den beiden Experten zufolge erkannt, dass sie rasch auf veränderte Bedürfnisse reagieren müssen. Nicht nur die Anforderungen der Nutzer, sondern auch jene der Pharma- und Gesundheitsbauten selbst, haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Der medizinische und vor allem der technologische Fortschritt sorgen dafür, dass die Lebenszyklen der Nutzung immer kürzer werden, was auch dem Trend zur Gebäude-Revitalisierung Aufschwung verleiht. 

„Smart Hospital“ ist das Ziel

Wie in vielen anderen Branchen, hat COVID-19 auch im Gesundheitswesen den Stellenwert der Digitalisierung offengelegt. „Wir haben gesehen, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern ist und, dass eine gemeinsame IT-Infrastruktur sowie Cloud-Systeme benötigt werden. Um schnelle und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten, muss der Datenaustausch auch zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken einwandfrei funktionieren“, ist Kradischnig überzeugt. Dass dies noch nicht der Fall ist, beweist eine schlagzeilenträchtige Panne unserer deutschen Nachbarn in Bayern. Im August mussten Reiserückkehrer wochenlang auf ihre COVID-19-Untersuchungsergebnisse warten und einige Infizierte konnten nicht mehr ermittelt werden, da in den Testzentren handschriftliche Papierdokumente verwendet wurden.

Über die Bedingungen der Pandemie hinaus seien Maßnahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit und Vorkehrungen gegen Cyber-Kriminalität besonders wichtig. So soll auch die Datensicherheit bei der digitalen Medikamentenabgabe erhöht werden. „Was fehlt, ist eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Bisher gibt es meist lediglich kleinteilige Insellösungen, die in verschiedenen Krankenhäusern umgesetzt werden. Nun liegt es an uns, neu gewonnenes Wissen zu nutzen und für künftige Projekte umzusetzen“, so Kradischnig.Generell hat die Pandemie die Komplexität von Projekten im Gesundheitssektor nicht nur verstärkt, sondern vor allem offengelegt. Diese Entwicklung führt dazu, dass es schwieriger wird, Projekte mit verschiedenen Ansprechpartnern und Schnittstellen problemfrei abzuwickeln. „Ein gesamtheitlicher Dienstleistungsansatz – Architektur, Baumanagement und IT aus einem Guss – ist nun mehr denn je gefragt. So entsteht Anstoß zu Partnerschaften innerhalb der Architektur- und Baubranche“, betont Podsedensek abschließend und verweist dabei auf den Zusammenschluss der Delta ZT Wien und der Architekt Podsedensek ZT, der im Herbst letzten Jahres stattgefunden hat.