Round Table Wohnbau
Round Table zum Thema Leistbarer Wohnbau
© Thomas Max

Round Table: Preistreiber im Wohnbau

Bauen und Wohnen muss leistbar bleiben. Anfang August fand in den Räumlichkeiten des Österreichischen Kommunalverlags auf Initiative der Plattform Bau!Massiv! ein hochkarätig besetzter Round Table zum Thema „Wie sehr verteuern regulative Maßnahmen den Wohnbau?“ statt.

Die Diskussionsteilnehmer

  •  Arch. DI Johannes Kislinger, GF AH3 Architekten und Vorstand der Plattform Innovative Gebäude
  •  Dr. Andreas Pfeiler, GF Fachverband Stein- und keramische Industrie in der WK Österreich
  •  Johann Singer, Wohnbausprecher der ÖVP und Bürgermeister von Schiedlberg (OÖ)
  •  Dipl.-Ing. (BA) Christian Struber MBA, GF Salzburg Wohnbau und Bundesobmann der Arge Eigenheim
  •  Bmstr. Dipl.-Ing. Elmar Hagmann, Mitglied der Geschäftsführung der Wilhelm Sedlak GesmbH

Zum Einstieg definierten die Teilnehmer den Begriff „leistbar“ aus Ihrer Sicht.

Christian Struber: Leistbar heißt für mich, wenn zwei junge Menschen, die Mitte 20 sind, eine Ausbildung abgeschlossen haben, dann sollten sie mit dem, was sie verdienen, in die Lage versetzt werden, sich eigene vier Wände leisten zu können, in welcher Rechtsform auch immer. Unsere Thematik ist, dass wir uns – zumindest in den urbanen Räumen –davon wegentwickeln. Deshalb braucht es wahrscheinlich mehrere Anstrengungen, als nur die Frage zu klären: Kann ich bei den Baukosten etwas tun? Ein Ansatz, wenn es darum geht, war man noch alles an Auflagen, Bestimmungen und Ideen in den Wohnbau hineinpackt, könnte das Besteller-Prinzip sein. Wen sich das Umweltressort einer Landesregierung gewisse Dinge für den Wohnbau wünscht, dann darf es das, wenn es dafür das notwendige Geld mitgeliefert. Derzeit ist es so, dass alles was der liebe Gott erfunden hat und für sinnvoll erachtet wird, dem Wohnbau und letztendlich der Wohnbauförderung aufs Auge gedrückt werden. Und noch ein Aspekt: 1970 haben die Österreicher im Schnitt 21 Quadratmeter zum Wohnen zur Verfügung gehabt, jetzt sind es 46 Quadratmeter. Dass 46 Quadratmeter mehr kosten als 21, das wird in der Diskussion gefließentlich vernachlässigt.

Christian Struber Salzburg Wohnbau

Christian Struber zum Thema "Besteller-Prinzip"

Elmar Hagmann: Wir haben die Situation, dass der geförderte Wohnbau ein Level erreicht hat, das den freifinanzierten bei weitem übersteigt. Gerade in Wien mit dem Ökokauf, den Holz-Alu-Fenstern usw. Da muss man sich fragen, welche Zielgruppe soll mit geförderten Wohnungen versorgt werden. Meiner Meinung nach ist das schon fast eine Mittelstandsförderung und weit weg davon, dass wir wirklich günstigen Wohnraum für Leute schaffen, die nicht Mitte 20 sind und zwei Einkommen haben. Wir haben ein Top-Niveau, das wir uns einfach nicht mehr leisten können.

Andreas Pfeiler: Es sollte unser großes Ziel sein, Wohnraum für junge Menschen leistbar zu machen. Das ist er nicht mehr. Ich kann einer Zwei-Klassen-Förderung, wie es bereits angesprochen wurde, durchaus etwas abgewinnen. Denn eines unserer wichtigsten assets ist, dass wir eine Durchmischung im Wohnbau – sowohl im urbanen als auch im ländlichen Bereich – haben. Wenn wir das aufgeben, haben wir Verhältnisse wie in anderen großen europäischen Metropolen. Es wäre wichtig, diesen sozialen Mix zu erhalten in Form von unterschiedlichen Fördermodellen.

Johannes Kislinger: Die eine Frage, wurde schon angesprochen, die Angemessenheit. Welche Ansprüche stellen wir? Bauträger denken darüber nach, sind die 1-Zimmer- oder 2-Zimmer- oder 3-Zimmer-Wohnungen die Lösung. Die Durchmischung ist zwar ganz wichtig für die Qualität in Österreich und da ist der soziale Wohnbau ein großer Faktor, aber wir müssen die hohen sozialen Standards überdenken. Es kann nicht sein, dass die Gießkanne den Bezirk Mödling genau so bedient wie den Bezirk Gmünd. Daher sollten wir darüber nachdenken, wie wir differenzieren können. Die andere Frage, die sich stellt – ich weiß nicht, ob absichtlich heute der Welterschöpfungstag für die Diskussion gewählt worden ist – wir sollten auch darüber nachdenken, wo es mit dem Flächenverbrauch hingeht?

Johann Singer: Tatsache ist, dass die Qualität im Wohnbau in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen ist. Das hat nicht nur mit dem Flächenanspruch des einzelnen, sondern auch mit der Qualität der Bauweisen zu tun. Jede einzelne Maßnahme, und das spüren wir im Moment, hat seine Berechtigung und seinen Sinn, nur in der Summe stehen wir jetzt vor dem Problem, wie das alles noch leistbar bleibt. Die Anforderungen der Jetztzeit und der Zukunft werden steigen, gerade was Klimapolitik betrifft. Da kann ich Christian Struber nur zustimmen, dass man schauen muss, wer schafft an und wer zahlt. Politisch müssen wir mit diesem Thema behutsam umgehen. Wir können nicht der Bevölkerung vorgaukeln, dass mit Obergrenzen (bei den Baukosten im geförderten Wohnbau, Anm. d. Red.) die Geschichte erledigt ist. Wir müssen da und dort Dinge zurücknehmen, auch wenn das politisch nicht als Erfolg verkaufbar ist. Die Gesellschaft hat sich verändert. Wir glauben, dass alles in dem Staat in dem wir leben, gratis ist. Diese Eigenverantwortung, die jetzt politisch wieder ein wenig mehr spürbar ist, müssen wir auch leben.

Johann Singer ÖVP Bautensprecher

Johann Singer: "Normen verteuern den Wohnbau"

Müller-Hofstetter: Stichwort Eigenverantwortung. Sind all diese Vorschriften nicht eine Entmündigung des Bürgers. Brauchen wir wirklich so viele Normen?

Hagmann: Wenn wir von den Normen sprechen, dann müssen wir einmal festhalten, dass diese zu 95 Prozent aus Europa kommen. Die Einflussnahme national ist gering, wir müssten uns daher international viel mehr engagieren, vom Nebenher-Aktivismus wegkommen und schauen, dass wir bezahlte Experten dorthin schicken, die ihren Fokus auf maximal zwei Normen haben. Es gibt ja Leute, die sitzen in zehn Ausschüssen und sind überall Experten. Und es gibt nichts Schlimmeres als den Expertenwettstreit, wo einer noch mehr Expertise als der andere hat. Damit entsteht ein Klima, in dem überzogene Forderungen hausgemacht sind. Das ist ein langsamer Prozess, wo wir uns überlegen müssen, was kann man dem Bürger zumuten. Typisches Beispiel ist der Unterlaufschutz, den es bis vor kurzem nicht gab. Früher ist man davon ausgegangen, dass jeder seine Umgebung wahrnimmt und nicht gegen die Treppenkante läuft. Heute versuchen wir, jedes technisch Machbare zu realisieren, damit sich auch der Dümmste nicht verletzt. Ich glaube, dass wir da einfacher werden müssen und dem Bürger wieder mehr Eigenverantwortung lassen sollten.

 

Elmar Hagmann Sedlak Bau

Elmar Hagmann erklärt: Was ist humanes Bauen?

Struber: In Wien hat sich ein Bewohner im Rausch an einer Glastüre verletzt. Ein halbes Jahr später hatten wir eine Norm, dass auch Innentüren zwischen Stiegenhäusern aus einer Dreifachverglasung bestehen müssen. Das geht so schleichend und die Norm ist auch kein Gesetz. Aber das nächste Mal, wenn so etwas passiert, dann sagt der Gutachter, es gibt da eine Norm, an die man sich nicht gehalten hat und schon ist das Verschulden klar zugeordnet. Anderes Thema: 25 Leute sterben im Jahr bei Brandunfällen, ungefähr 700 sterben bei Autounfällen, an die 2.000 an Krankenhauskeimen. Was wird geändert: die Brandvorschriften. Jeder Tod ist beklagenswert, aber wir setzen da am falschen Ende an.  Es hat einmal den Vorschlag gegeben, wir streichen jedes zweite Gesetz und schauen was passiert. Und dann werden viele feststellen, dass gar nichts passiert.

Kislinger: Das Thema ist aber auch, dass die Beamtenschaft keine Verantwortung mehr übernehmen möchte. Als Planer habe ich die Eigenverantwortung, ein Beamter versteckt sich hinter Gesetzen. Wir bauen behelfsmäßige Stiegenhaus-Türme für die Baustelle und wir brauchen einen Sicherheitsbeauftragten dafür und Bauzäune, die amtlich gesichert sind. Das ist das Amerikanisieren, wo nur mehr Anwälte warten, bis irgendwo wer stolpert.

Stichwort Energie-Effizienz. Wichtig, aber viele Maßnahmen verteuern den Wohnbau. Wie sollen wir mit dem Thema umgehen?

Pfeiler: Das ist eine Frage des Anspruchs unserer Gesellschaft. Wenn wir uns als Ziel setzen, den Energiebedarf zu reduzieren, dann suchen wir nach Lösungen. Eine davon könnte sein: Wir ändern unsere Gebäudekonzepte. Da bin ich wieder beim Besteller-Prinzip. Ich kann mir wünschen, dass wir weniger Energie verbrauchen, aber ich muss der Gesellschaft klar machen, dass das etwas kostet. Oder, wenn es nicht für alle gleichermaßen sofort gelten muss, dann schaffe ich eine Schiene für jene, denen man die Kosten zumuten kann. Es werden nicht die sozial Schwächsten sein. Das wird sich nicht ausgehen.

Johannes Kislinger

Johannes Kislinger: "Energieoptimerung ist nicht alles, aber wichtig!"

Inwieweit muss sich der Staat hier kümmern …?

Singer: Der Staat muss sich hier einmischen. Aber – und da ist die Diskrepanz des gesamten Themas sichtbar – wir müssen schauen, dass wir im Normenbereich wegbringen, was nicht notwendig ist, damit wir wieder mehr Ressourcen haben. Es wird nicht gehen, dass wir sagen, wir streichen 25 Prozent davon und dann haben wir zehn Prozent weniger Baukosten. Wir haben Herausforderungen jetzt und in der Zukunft, die wir auch unterbringen müssen. Ich bin nicht überzeugt, dass wir es schaffen, das Bauen in Summe günstiger zu machen, sondern wir müssen schauen, dass wir die Herausforderungen im aktuellen Kostenrahmen unterbringen. Das politische Commitment zu Klimaschutz und Energie ist relativ klar, die Umsetzung wird jetzt ausverhandelt. Mein Zugang ist, dass die Zuordnung gelingt, wer ist wofür finanziell verantwortlich.  Aus meiner Sicht geht es nicht, dass wir alle diese Maßnahmen dem Wohnbau zuordnen.

Eine Frage an die Bauträger-Vertreter. Wie viel ist der Nutzer bereit, für Energie-Maßnahmen zu zahlen?

Hagmann: Das ist genau das Kernproblem, warum viele Dinge ins Leere gehen. Wir technologisieren die Häuser, der Nutzer möchte das nicht oder wendet diese Technik nicht an. Wenn die kontrollierte Wohnraumlüftung umgangen wird, indem man sie zustopft und eine Fensterlüftung macht, dann ist das ganze System obsolet. Es ist ein langfristiger Prozess, dem Menschen beizubringen, was es bedeutet, energieeffizient zu wohnen. Vor zehn Jahren hat man das Passivhaus propagiert, dann hat man gesehen, das funktioniert nicht. Jetzt geht man zum Niedrigenergiehaus zurück, aber auch da gibt es gewisse technische Probleme. Die Nachweisverfahren setzen dann gewisse Einsparungswerte an, aber in der Nachbetrachtung sieht man, dass man diese Werte fast nie erreicht.

Kislinger: Ich möchte nicht die Diskussion führen, ob das Passivhaus funktioniert oder nicht. Ein wichtiger Schritt ist aber das Monitoring. Sämtliche große geförderte Projekte werden begleitet, dann wissen wir wirklich was Sache ist. Als Techniker sage ich, wir werden uns gemeinsam mit der Baustoffindustrie anstrengen, dann wird es fantastische neue Lösungen geben.

Pfeiler: Wir müssen uns um die Energieeffizienz kümmern, egal um welchen Baustoff es geht. Ob das vorhin genannte System der Kontrollierten Wohnraumlüftung die Lösung ist oder unser System mit der Bauteilaktivierung, das wird sich weisen. Ich bin überzeugt, dass die Gebäude irgendwann ein wesentlicher Bestandteil der Energieinfrastruktur sein müssen, wenn wir etwas ändern wollen. Mit unserem System der Bauteilaktivierung nutzen wir die Speichermassen und greifen auf ein Konzept zurück, das man seit Jahrtausenden verwendet, nach dem Motto: „Keep it simple as possible. Man muss vielleicht einen gewissen Komfort zurückschrauben und akzeptieren, dass es im Sommer 32 Grad hat. Man muss nicht jede technologische Entwicklung ausnutzen, um den eigenen Komfort zu verbessern, wenn er auf Kosten von Ressourcen unseres Planeten geht.

Andreas Pfeiler FV Steine Keramik

Andreas Pfeiler: "Ein solider Bau braucht nur wenig Gebäudetechnik"

Hagmann: Für den Nutzer ist Behaglichkeit wichtig und die Raumkonfiguration und Nutzbarkeit, das sind die Kernthemen. Es ist schön, dass wir über das Förderungssystem in Wien hochwertige Architektur geschaffen haben, aber das interessiert den Nutzer, glaube ich, gar nicht. Für den zählt Lage, Erreichbarkeit, Grundriss.

Struber: Bauen ist das eine, aber es sollten auch die Lebenszykluskosten bei den Architektur-Entscheidungen im Wettbewerb eine Rolle spielen. Das würde auch zu dazu führen, dass wir zur Realität zurückkehren.

Singer: Ich warne davor, zu glauben, dass wir alle diese Wünsche und Vorschläge erfüllen können. Von Seiten der Politik muss man ganz genau überlegen, in welchen Bereichen wir investieren wollen und in welchen Bereichen es keine Anhebung der Standards mehr geben wird, denn genau das System hat uns dazu gebracht, dass wir heute hier sitzen.

Müller-Hofstetter: Ist das eine Absage an die Anhebung der Baukosten-Obergrenzen im geförderten Wohnbau, die derzeit diskutiert wird?

Singer: Die Kosten, die hier gedeckelt wurden, sind kaum mehr realistisch. Aber wenn so wie in Wien eine Streichung der Obergrenzen erfolgt, dann birgt das die Gefahr, dass die Baukosten letztendlich noch mehr steigen könnten. Da gibt es Erfahrungen aus der Vergangenheit.

Struber: Wobei man schon der Realität ins Auge schauen muss, dass wir in allen Branchen jedes Jahr Gehaltserhöhungen, bei vielen Grundstoffen Preissteigerungen haben. Einen Teil kann man durch Innovation kappen, aber irgendwann wird der Punkt erreicht sein, wo man bei der Wohnbauförderung nachbessern muss. Aber ich glaube eine Maßnahme, um aus der Schere der steigenden Grundkosten herauszukommen, ist: Wir müssen im urbanen Bereich strategisch beginnen, jene Flächen, die einigermaßen überbaubar sind, zu überbauen. Wir haben in Innsbruck ein Studentenheim auf eine Tankstelle gebaut. Das Bewilligungsverfahren war heavy, aber jetzt haben wir es. Nahversorger, Parkplätze etc. Das sehen wir ein brauchbares Potenzial.

Das Stichwort Bodenpreise ist gefallen. Welche Konzepte brauchen wir, damit Grundstücke leistbar werden?

Kislinger: Ich sehe im Modell der SIR (Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen, Anm. d.Red.), wo die Wohnbauförderung mit der Raumplanung gekoppelt ist, eine Erfolgsstory und die Möglichkeit, Raumplanung aktiv zu betreiben und nicht ständig hinterherzuhinken. Derzeit ist es noch viel zu kompliziert, zwei Widmungen an einem Standort zu haben, Stichwort Schichtenwidmung.

Singer: Die Grundstückssituation ist für mich eine der wesentlichsten Themen überhaupt. Wir haben uns im Regierungsprogramm für die ressourcenschonende Bebauung ausgesprochen, und müssen dafür die Raumordnung öffnen. Wobei ich dazu sagen muss, das kommt bei der Bevölkerung nicht immer gut an. Weil alle, die es sich leisten können, die haben ganz klare Vorstellungen, wie ihr Wohnen ausschaut. Wir müssen uns auch die Raumordnung im Bestand besser überlegen, denn wir haben Riesen-Objekte, die in der Form heute nicht mehr gebraucht werden.

Hagmann: Wir denken derzeit vor allem darüber nach, wie wir den super ineffizienten Prozess von der Flächenwidmung bis zur Bauwerksfertigstellung verbessern. Denn wenn wir in der Flächenwidmung nicht ansetzen, damit wir kostengünstige Bauvolumina hinbringen, dann brauchen wir uns über die Kosten nicht wundern. Dann kommen wir zum super ineffizienten Planungsprozess, wo wir ja nie Design-to-budget machen, sondern alles mal reinpacken und dann umplanen auf das, was ich vielleicht an Budget bekomme. Und am Ende wird dann noch etwas rausverhandelt. Vom effizienten Prozess – Wir haben dieses Geld und machen gemeinsam das Beste daraus – sind wir weit weg.

Das heißt der Bauherr ist noch nicht mündig genug?

Hagmann: Wir haben keine Team-Player, sondern eine Reihe von Satelliten, die alle um ihren eigenen Stern kreisen und hin und wieder kollidieren, hin und wieder schrammen sie aneinander vorbei und hin und wieder gelingt ihnen gemeinsam ein Bauwerk zu errichten, wo der Bauherr immer raunzt, dass es sich mit den Baukosten nicht ausgegangen ist. In dieser Neid-gelernten Situation der letzten 50 Jahre werden wir auch nicht effizient bauen können und gute, schlagfertige Teams bilden, wo alle in der Prozesskette leben können und Geld verdienen.

Struber: Da bin ich beim Thema Faire Vergaben. Wir müssen in Salzburg Einzelvergaben machen und da kann ich mir das alles abschminken. Wenn ich einzeln ausschreiben muss, werde ich nie dieses Team finden. Das steht diametral zu einigen Vorgaben im Vergabegesetz.

Kislinger: Das Thema Vergabegesetz gehört selbstverständlich zum leistbaren Wohnen dazu. Das Bundesvergabegesetz trennt ganz klar die Ausführung von der Planung, das ist ein wesentlicher Pfeiler. Aber genau das ist ein Preistreiber. Wir sind keine Team-Player, sondern als Planer verpflichtet, nicht mit der ausführenden Stelle an einem Tisch zu sitzen. Das ist aber ein Kostenfaktor, denn es wird dann in der Folge umgeplant. Ich würde mir diesen Dialog wünschen, den wir laut Bundesvergabegesetz aber nicht führen dürfen. Und jetzt kommt es: Im Wohnbau sind wir zwar vom Vergabegesetz ausgenommen, aber der Wohnbau pflegt das gleiche System.

Struber: Wir als Salzburger Wohnbaugruppe machen das schon, aber natürlich auch mit so kleinen Erscheinungen, die nicht besonders sexy sind. Ein Beispiel: In der Sportwelt Amade haben wir ein Haus gebaut und die Ausführung regional vergeben. Als ich einige Monate später auf die Baustelle gekommen bin, haben ungarische Arbeiter den Trockenbau erledigt. Was ist passiert? Das Unternehmen, das wir beauftragt haben, hat den Auftrag an eine andere Salzburger Firma weitergegeben und die hat den Trockenbau an eine ungarische Firma vergeben. Jeder hat dabei was verdient, wir sind auf der Strecke geblieben, weil wir regionale Vergaben versprochen haben.

Hagmann: Ich denke, wir müssen da mehr in Richtung Partnerschafts-Modelle denken, weil der Bauherr ja oft nicht mehr weiß, was Dinge kosten. Da gibt es in Österreich überhaupt keine Kultur, sondern wir haben unsere Vergabe-Hierarchie und schauen, dass wir möglichst wenig miteinander reden, haben dann Änderungen und leben vom Nachtragswesen. Wir haben nichts anderes im Sinn bei der öffentlichen Auftragsvergabe als den billigsten Preis und am Ende die beste Abrechnung hinzubringen.

Müller-Hofstetter: Das bedingt aber die Aufhebung der Trennung von Planung und Ausführung …

Hagmann: Selbstverständlich. Wir reden davon, dass wir alle Kosten am Tisch legen, die teilen wir und dann bekommen wir eine fee für die Abwicklung. Dann suchen wir auch die Subunternehmer gemeinsam aus. Wenn wir der Meinung sind, dass die ungarische Firma in Ordnung ist, dann entscheiden wir uns gemeinsam dafür. Wenn wir aber sagen, wir wollen um 5.000 Euro mehr die regionale Firma, dann entscheiden wir das auch gemeinsam.

Kislinger: Das ist auch eine Frage der Kultur und eigentlich nur im deutschsprachigen Raum üblich.

Hagmann: Also besonders patschert.

Kislinger: Was ich vermisse als Planer ist eine Plattform, wo man Best-Practice-Erfahrungen hinsichtlich gelungener Ausschreibungen und Vergaben austauscht. Da geht so viel wertvolles Wissen verloren.

Hagmann: Im Föderalismus behält jeder alles für sich. Wir wissen zwar, wie es geht, aber wir teilen das Wissen nicht.

Singer: Da muss ich mich jetzt zu Wort melden. Ich denke, da sind wir alle miteinander gefordert, nicht nur die Politik. Sie haben die Kooperationen angesprochen: Ich denke, das müssen wir lernen. Wenn wir die Eigenverantwortung leben, kommen automatisch solche Modelle zustande und es wird selbstverständlich, dass man diese Prozesse öffentlich macht und alle, die Möglichkeit haben, da etwas für sich mitzunehmen.

Hagmann: Das wird auch von der Technik unterstützt. Weil BIM allein funktioniert ja ohne Team-Struktur nicht, und wird auch über den Lebenszyklus nicht funktionieren, wenn ich nicht vom Building Information Modeling zum Building Assembling Modeling bis zum Building Operating Modeling komme. Es übernimmt niemand die Kosten für den Aufbau des digitalen Zwillings, wenn er nicht über 30 Jahre und mehr genutzt wird. Deshalb bin ich ein Fan von BIM, das ist das Ende der baubegleitenden Planung, die wir in Österreich in einer Kultur betrieben haben, die schon schmerzhaft ist.

Ich würde gern noch ein letztes Thema ansprechen. Würde die Förderung des ländlichen Raums nicht zur Entlastung der Wohnsituation in den Städten führen …

Singer: Ich trete durchaus dafür ein, die Probleme in der Raumordnung regional zu lösen, weil die Herausforderungen, die ich als Bürgermeister in Schiedlberg habe sind ganz andere als im Pinzgau oder Pongau. Wobei ich auch der Meinung bin, dass wir raumordnerisch schon auch in größeren Dimensionen denken müssen, denn es sind Riesen-Herausforderungen durch die Abwanderung hin in die Zentralräume.

Struber: Im aktuellen Regierungsprogramm gibt es die Begriffe Mietermanagement oder Raumordnungsmanagement. Das Wort Management bedeutet ja schon vom Begriff her, dass da jemand etwas muss und da sind wir beim springenden Punkt. Es gibt mit Sicherheit viele Gemeinden, die das offensiv von sich aus in die Hand nehmen und Vorbehaltsflächen für den Wohnbau schaffen. Wir haben in Salzburg auch bereits Gespräche geführt – der Gemeindeverband, die Wirtschaftskammer und die Gemeinnützigen – um eine Struktur aufzubauen, wie wir den Gemeinden behilflich sein können bei der Umsetzung von Ideen, um den ländlichen Raum zu entwickeln.

Pfeiler: Wenn unsere Gesellschaft nicht mehr bereit ist, mit regionalen Baustoffen zu bauen, sondern die Materialien, weil sie billiger sind, aus dem Ausland holt, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir die Regionen aushöhlen. Das ist aber ein Kreislauf, der zu stoppen ist. Es ist unsere Aufgabe, den Leuten klar zu machen: Wenn ihr da wohnen wollt, diese Strukturen erhalten wollt, die eine ländliche Region braucht, dann kann man nicht nach dem Slogan einer großen Elektronikmarkt-Kette handeln. Deshalb forcieren wir als Plattform Bau!Massiv! die Regionen. Volkswirtschaftlich kommen diese etwas höheren Investitionen ja wieder zurück. Es kann nicht sein, dass wir den Transport von Baustoffen aus dem Ausland stützen, nur weil es billiger ist.

Ein Schlusswort der Politik dazu …

Singer: Ich sage einmal danke für das was heute hier an Information gekommen ist, weil es wichtig ist für uns in der Politik, die Meinung von Experten zu hören. Ich bedanke mich auch, dass nicht immer die Politik an allem schuld ist. Ich darf aus meiner Sicht die Eigenverantwortung herausstreichen, dass wir das Gemeinsame stärken und versuchen müssen, eine Spur offener zu werden, mehr zuzulassen. Es gebe noch viel zu ergänzen zur Regionalität. Mitunter haben wir nur zwei Zahlen, die miteinander verglichen werden und wir nehmen einfach das billigere. Wie diese Zahlen zustande gekommen sind, das hinterfragen wir schon gar nicht mehr, weil Sie den Transport gerade angesprochen haben. Aber um es zusammenzufassen: Die Leistbarkeit ist eine immense Herausforderung, bei der wir alle gefordert sind.

Die Diskussionsteilnehmer

Arch. DI Johannes Kislinger

GF AH3 Architekten und Vorstand der Plattform Innovative Gebäude

Dr. Andreas Pfeiler

GF Fachverband Stein- und keramische Industrie in der WK Österreich

Johann Singer

Wohnbausprecher der ÖVP und Bürgermeister von Schiedlberg (OÖ)

Dipl.-Ing. (BA) Christian Struber MBA

GF Salzburg Wohnbau und Bundesobmann der Arge Eigenheim

Bmstr. Dipl.-Ing. Elmar Hagmann

Mitglied der Geschäftsführung der Wilhelm Sedlak GesmbH