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In Sachen Hochhäuser zeigt sich Linz als „Stadt des Ermöglichens und nicht des Verhinderns“, wie an der Vielzahl der jüngst errichteten Türme abzulesen ist
© Reinhard Seiß

Stadtplanung in Linz

In Linz haben Kommunal- und Landespolitik eigene Vorstellungen von einer „Smart City“: eine neue Stadtautobahn trotz Klimawandels, der Abriss erschwinglicher Sozialwohnungen in Zeiten steigender Mieten, Hochhäuser zur „Aufwertung“ historischer Quartiere – und ein Großprojekt im geschützten Grüngürtel. Der Widerstand dagegen wächst. Text: Reinhard Seiß

Das geplante LASK-Stadion hat das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht: das 20.000 Zuschauer fassende Fußballstadion für den Bundesligisten LASK, das am Südrand von Linz entstehen soll – auch mit Steuergeldern, in einem vom Land Oberösterreich verordneten Grünzug und ohne leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsanschluss.

Knapp 200 Architekten, Raumplaner und Ingenieure anderer Planungsdisziplinen, viele von ihnen in wirtschaftlicher Abhängigkeit von öffentlichen Aufträgen, schlossen sich daraufhin zur Initiative „Fairplanning“ zusammen und richteten im Jänner dieses Jahres eine erste Protestnote an die Verantwortlichen. Ihre Hauptforderung lautet, und das zeigt bereits, in welch verkommenen Zustand sich die kommunale und regionale Planungspolitik hierorts befindet, dass die Regierenden ihre eigenen Raumordnungsziele gemäß ober­österreichischem Raumordnungsgesetz ernst nehmen. Neben einer klaren Ablehnung der Stadionpläne verlangen die Experten, auch auf andere aktuelle Projekte gemünzt, dass „orts- und landschaftsprägende Bauvorhaben öffentlich diskutiert, nachvollziehbar verhandelt und gemeinwohlorientiert geplant werden“. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Doch es hapert an allen drei Kriterien einer demokratischen Baukultur.

Zur Nachvollziehbarkeit der planungspolitischen Entscheidungen sei erwähnt, dass die „Sportstadt Linz“ ihr bestehendes Stadion für 21.000 Personen, 20 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, erst vor sieben Jahren um 32 Millionen Euro saniert hat. Und, dass der Linzer Bürgermeister Klaus Luger erst kürzlich den Hochhausboom in seiner – keineswegs aus allen Nähten platzenden – Stadt mit den Worten rechtfertigte, dass eine „Wohnbau-Verdichtung in die Höhe“ die Voraussetzung dafür sei, „die Grüngürtel in Urfahr und in Pichling weiterhin unangetastet lassen zu können“. In genau diesem Naherholungsgebiet allerdings, unmittelbar am Pichlinger See, kann er sich nun besagte Fußballarena vorstellen, wofür insgesamt 20 Hektar Grünland für Stadion, Nebengebäude, Trainingsplätze sowie 3.500 ebenerdige Parkplätze aufgingen – und die ÖVP-dominierte Landesregierung bereits die Grünzugsabgrenzung „angepasst“ hat.

Umstrittene Vorhaben

Die Bereitschaft zur öffentlichen Diskussion wiederum ist in der Linzer Planungspolitik traditionell eher gering. Angesichts der wachsenden Kritik an dem umstrittenen Vorhaben stimmt der SPÖ-Bürgermeister zunächst einer Volksbefragung zu. Als sich Planungs- und Verkehrsstadtrat Markus Hein von der Koalitionspartnerin FPÖ, ungeachtet deren Propagierens der direkten Demokratie, jedoch gegen ein Plebiszit aussprach, ruderte Luger wieder zurück. Er sei „kein glühender Fan von Volksbefragungen", und ob man für oder gegen ein LASK-Stadion sei, wäre „keine politische Frage“. Das Stadtoberhaupt ignoriert damit salopp, dass sich die meisten Proteste nicht gegen ein Stadion an sich, sondern gegen den Standort richten. Dass bereits 6.100 Unterschriften ausreichen würden, um eine solche Befragung von Bürgerseite her zu erzwingen, hält der Sozialdemokrat im Übrigen für „eine viel zu niedrige Quote, die Linz vom Land aufgezwungen wurde". Daher ließ Luger offen, ob sich seine Partei am Ergebnis einer solchen Befragung überhaupt orientieren werde.

Gegenteilige Meinungen schätzt man im Rathaus eben nicht sehr. Dies zeigte auch ein anderes Projekt, das für Aufregung sorgte: In der Altstadt von Linz-Urfahr sollte mit dem sogenannten Weinturm auf einer 800 Quadratmeter kleinen Gründerzeitparzelle „das beste bisher für Linz geplante Hochhaus“ entstehen. Den Stadtvätern gefiel’s, auch weil die Planer, Kleboth und Dollnig Architekten, ihren 24-stöckigen Luxusapartmentturm als „Impuls zur Aufwertung der Nachbarschaft“ anpriesen.

Doch regte sich ausgerechnet in der Nachbarschaft Widerstand gegen diese Form der Aufwertung. Eigentümer und Bewohner der zwei- bis fünfgeschossigen Häuser rings herum lehnten es ab, im Schatten eines 75 Meter hohen Gebäudes zu leben – und erhielten Unterstützung von kritischen Linzer Architekten wie Wolfgang Pauzenberger, der von reiner Willkürpolitik spricht: „Nicht nur die Planer haben sich hier im Maßstab vergriffen, auch die Stadt misst mit zweierlei Maß. Erst vor wenigen Jahren wurde einem direkten Nachbarn der Weinturm-Parzelle aus Ortsbildgründen untersagt, seinen Hoftrakt um ein Stockwerk auf drei Geschosse auszubauen.“

Unbeeindruckt von Protesten

Da sich die Stadtväter zweieinhalb Jahre lang gänzlich unbeeindruckt von allen Protesten zeigten, überraschte es umso mehr, als der Bürgermeister und sein Planungsstadtrat Ende 2018 plötzlich in einer Presseaussendung verlautbarten, dass der Weinturm doch nicht gebaut werde. Außenstehende vermuten wirtschaftliche Hintergründe. In ihrer offiziellen Darstellung nutzten die beiden Spitzenpolitiker jedenfalls das Scheitern des Bauvorhabens, um sich als strenge Hüter der Linzer Stadtentwicklung zu gerieren. Groteskerweise habe jedoch nicht das „städtebaulich interessante Projekt“, sondern der Standort(!) einigen Kriterien jenes recht schwammigen 10-Punkte-Programms widersprochen, das sie sich als Check-Liste für Turmbauvorhaben „selbst auferlegt“ hatten – so, als gäbe es einen richtigen Städtebau, unabhängig von der Parzelle und ihrem Umfeld.

Ebenso unglaubwürdig klang die Behauptung, dass bei dem „sehr aufwendigen Prozess“ ihrer Projektprüfung – wie in diesem Fall – schon mal „mehrere Jahre vergehen“ können, obwohl sich Linz gerade in Sachen Hochhäuser öffentlich als „Stadt des Ermöglichens und nicht des Verhinderns“ positioniert hat. Was das bedeutet, ist unschwer an der Vielzahl jüngst errichteter und genehmigter, mehrheitlich höchst beliebiger Türme abzulesen. Zum Abschluss ihrer Aussendung hielten die beiden Regierungspolitiker noch mit Blick auf die unliebsame Rathausopposition und die kritische Architektenschaft fest, dass sie sich auch künftig nicht „durch Zurufe aus der Politik oder die Forderungen anderer Interessengruppierungen“ von ihrer proaktiven Hochhausstrategie abbringen lassen würden.

Je unsachlicher die Politik agiert, umso schwieriger ist es freilich, mit rationalen Argu­menten im öffentlichen Diskurs gegen sie zu bestehen. Dies mussten im Dezember 2018 auch jene Anrainer, Umwelt- und Klimaschützer zur Kenntnis nehmen, die jahrelang gegen den Linzer Westring gekämpft hatten: Zwei Jahrzehnte nach Beschluss des Kyoto-Protokolls begann nun tatsächlich der Bau einer neuen Stadtautobahn, der A26, die künftig den Pendlerverkehr aus dem westlichen Mühlviertel aufnehmen und in Bahnhofsnähe bis an das Zentrum heranführen soll. Ganz im Stil der Verkehrspolitik der Nachkriegszeit wird dafür auch eine komplette Häuserzeile in der Waldeggstraße abgerissen – und blieben mögliche Alternativen für die Pendler, allen voran die überfällige Attraktivierung der Mühlkreisbahn samt Errichtung entsprechender Park&Ride-­Anlagen, unberücksichtigt. Schließlich reichen die Planungen für den Westring bereits ins Jahr 1972 zurück, auch wenn sie vom Bund zwischenzeitlich sogar verworfen wurden. Oberösterreichs Verkehrspolitik und insbesondere VP-Langzeitlandesrat Franz Hiesl, der den Schienenverkehr geradezu als menschlichen Irrweg sah, hielten aber an dem Projekt fest.

Zweifel an der Angemessenheit

Selbst das straßenbaufreundliche Verkehrsministerium zog 2010 die Angemessenheit der Autobahnplanung in Zweifel und drängte auf eine Redimensionierung in Form einer Landesstraße, während die Asfinag eine Realisierung der damals noch 8,4 Kilometer langen A26 für unfinanzierbar erklärte. So strengten Stadt und Land einen klassisch österreichischen Kompromiss mit dem Bund an: Wenn das Geld für eine überflüssige Autobahn fehlt, baut man sie eben nur zur Hälfte. „Argumente“ für den 4,7 Kilometer langen Südteil fielen der Politik und ihren „Experten“ genügend ein – auch wenn Umweltministerium und Umweltbundesamt sie in ihren Stellungnahmen als völlig unseriös entlarvten. So sei die pro­gnostizierte Verkehrs- und Emissions­reduktion als Folge des Westrings eine ebenso absurde Phantasie wie die behaupteten Vorteile für den Siedlungs- und Wirtschaftsraum.

„Opfer für die autogerechte Stadt werden gleich an mehreren Ecken von Linz erbracht“, weiß der Raumplaner Max Mandl und verweist auf den überzogenen Ausbau der bestehenden sechsspurigen ­Donaubrücke der A7, die gerade durch zwei ­zweispurige Bypass-Brücken auf insgesamt zehn Spuren ausgeweitet wird. „Dafür stellt man an beiden Brückenköpfen riesige Autobahnkleeblätter in die Stadt. Es ist schon beschämend, dass Linz mit seinen Uferzonen nichts Besseres anzufangen weiß.“ Wo die Traun in die Donau einmündet, treibt FP-Verkehrslandesrat Günther Steinkellner aktuell die Planungen für eine Ostumfahrung voran – während fehlende Landesgelder bis heute den Bau der seit 2011 projektierten zweiten Straßenbahnachse durch Linz verhindern.

Mit unzeitgemäßer Politik sieht sich auch NEOS-Gemeinderat Lorenz Potocnik konfrontiert – unter anderem im Franckviertel, wo die GWG, die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz, „zeitgemäßen Wohnraum“ schaffen möchte. Dafür wird in dem traditionellen Arbeiterbezirk, wo heute viele Zuwanderer, sozial schwache und alte Menschen leben, eine ganze Siedlung aus den frühen 30er-Jahren abgerissen. Die acht Häuserzeilen mit großzügigen Grünräumen sind das Herzstück einer Wohnanlage, die selbst von der Kulturabteilung der Stadt als Baudenkmal eingestuft wird.

Nachdem bis vor drei Jahren von einer Sanierung die Rede war, und etliche Mieter schon eigenes Geld investiert hatten, bot eine Gas­explosion, die den Abbruch eines Gebäude­trakts erforderlich machte, dem Rathaus Anlass, den Bebauungsplan zu überdenken. Der im Vorjahr fertiggestellte Ersatzbau für das beschädigte Wohnhaus hat mit den
umliegenden Bauten aus der Zwischenkriegszeit nichts gemeinsam – und gibt einen Vorgeschmack auf das, was wohl kommen wird: acht Geschosse statt bisher vier, eine abweisende Sockelzone ohne Bezug zum Außen­raum, eine pflegeleichte Grünfläche samt Tiefgaragenentlüftung.

Unwirtschaftlich für wen?

Die GWG scheint einem solchen Strukturwandel einiges abzugewinnen und behauptet, dass sich alle Sanierungsvarianten als „unwirtschaftlich“ erwiesen hätten. „Unwirtschaftlich für wen?“, fragt Potocnik und mahnt, dass ein gemeinnütziger, ja kommunaler Bauträger zuvorderst die Leistbarkeit von Wohnraum für bedürftige Bürger im Auge haben sollte. Und wenn es der Stadt um Sparsamkeit und Effizienz gegangen wäre, hätte sie auf eine kostengünstige Modernisierung der 418 Wohnungen drängen müssen, die, so der studierte Architekt, rund sieben Millionen Euro erfordern würde – während eine neue Siedlung mehr als das Sechsfache koste. Doch würde die GWG mit den Altbauten dauerhaft nichts mehr verdienen, zumal die Sanierungskosten bei Gebäuden aus der Zeit vor 1945 nicht auf die Mieten aufgeschlagen werden dürfen. Eine neue und dichtere Verbauung dagegen würde lukrative Erträge garantieren. „Darum hat die Wohnungsgesellschaft alles unternommen, um die Bausubstanz möglichst schlecht zu reden – und ihren Abrissbeschluss mit einem Gefälligkeitsgutachten durchgezogen“, so Potocnik.

Gegenwärtig belaufen sich die monatlichen Mieten für die 35 bis 50 Quadratmeter kleinen Wohnungen auf beispiellos geringe 190 bis 330 Euro, einschließlich Betriebskosten. Trotzdem bezieht die Hälfte der hier lebenden Menschen bereits jetzt Wohnbeihilfe. Im Zuge der Neubebauung werden teils doppelt so große Wohnungen entstehen, die auch mindestens das Doppelte kosten. „Die sozial schwächsten Bürger von Linz benötigen einfache und billige Wohnungen, die für niemanden mehr Gewinne abwerfen müssen“, fordert der Stadtsoziologe Peter Arlt. Dass solche Wohnungen gegebenenfalls in anderen Vierteln verfügbar wären, ist für ihn keine Lösung: „400 der einst 1.000 Bewohner wurden bereits abgesiedelt und auf verschiedene Standorte aufgeteilt. „Dadurch werden die sozialen Strukturen auseinandergerissen, die hier über Jahrzehnte gewachsen sind“, weiß Arlt. Vor allem für die vielen allein­stehenden und alten Menschen bedeutet das eine Katastrophe. Aber auch Kinder und Jugendliche verlieren so ihre Freunde, da sie ihre Schulen wechseln müssen.“

Für Lorenz Potocnik liegt die einzige Hoffnung auf einen generellen Kurswechsel und somit auf eine nachhaltigere Entwicklung von Linz darin, dass auch die breite Bevölkerung bald erkennt, welch große Hypothek eine verfehlte Wohnbau-, Planungs- und Verkehrs­politik für die Zukunft alle Bürger bedeutet: ob in sozialer, ob in volkswirtschaftlicher, ob in ökologischer Hinsicht – oder ganz einfach in Hinblick auf die Lebensqualität ihrer in rasantem Umbruch befindlichen Stadt. ■