Steht der Wohnbau bald still?
Stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen bremsen die Immobilien- und Bauwirtschaft aktuell. Wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, so war für 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu beobachten (Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmen). Dazu kommt, dass viele genehmigte Bauprojekte zurzeit „on-hold“ sind und nicht begonnen werden. Das Wohnbaupaket der Bundesregierung wurde von der Bauwirtschaft zwar begrüßt, doch geht die Umsetzung nur schleppend voran. Was es daher jetzt brauche, um ins Handeln im Interesse der Bevölkerung zu kommen, wäre ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft.
Lösungen für Lebensräume der Zukunft
Erstmals haben daher Ende Juni Vertreter der gewerblichen und gemeinnützigen Bauträger gemeinsam über die aktuelle Situation berichtet und der Politik ein Angebot gemacht, das Lösungen für die Lebensräume der Zukunft enthält. Unterstützung erhielten sie dabei von den Bausozialpartnern. Die Pressekonferenz im Presseclub Concordia wurde von Vöpe-Präsident Andreas Köttl, Klaus Baringer, Verbandsobmann der GBV, Peter Krammer, Obmann des Fachverbands der Bauindustrie und Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz abgehalten.
Vöpe-Präsident Andreas Köttl appellierte an die Politik, dass diese heute handeln müsse, damit die Menschen morgen wohnen könnten. „Oft wird unterschätzt, was für eine Vorlaufzeit wir bei den Projekten haben. Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns in drei bis fünf Jahren fehlen. Wesentlich für unser Arbeiten sind die Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren. Dabei ist es unerheblich, welche Rechtsform ein Bauträger aufweist. Denn zeitgemäße Entwicklungsprojekte, wie nachhaltige Quartiere, entstehen aus der Kooperation zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Entwicklern und der öffentlichen Hand.“
Dringende nachhaltige Maßnahmen gefordert
GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer betonte, dass die gemeinnützigen Bauvereinigungen ein wesentlicher Hebel bei der Problembewältigung sein können. „Wir brauchen aber dringend nachhaltige Maßnahmen, beispielsweise in Sachen Wohnbauförderung. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt lagen wir Anfang der 1990er Jahre bei 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, aktuell stehen wir nur mehr bei 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist daher das Gebot der Stunde.“
Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie zeigte die alarmierende Entwicklung auf: „Der Wohnbausektor erlebt derzeit den stärksten Einbruch seit mehreren Jahrzehnten. Das 2,2 Milliarden Euro umfassende ‚Wohn- und Baupaket‘ der Bundesregierung hat bisher nur marginale Verbesserungen bei der Kreditvergabe bewirkt. Auf den Baustellen – da, wo es primär wirken sollte – ist es nicht angekommen. Wir spüren, dass Gutverdienende zu Unrecht davor geschützt werden, in Wohnungen zu investieren. Was auch hemmt, ist die auf allen Ebenen spürbare Belastung durch Überregulierung und der komplizierten Baugenehmigungsverfahren. Es dauert drei Jahre von der Idee bis zur Baugenehmigung. Es bedarf einer koordinierten Anstrengung von Politik, Behörden und der Bauwirtschaft, um diese Herausforderungen zu bewältigen und langfristig eine ausgewogene Wohnraumversorgung sicherzustellen.“
Gefahr für leistbares Wohnen in Österreich
Abg z. NR Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz forderte Perspektiven ein: „Der Einbruch im Wohnbau und seine rückläufige Prognose gefährden nicht nur leistbares Wohnen in Österreich, sondern auch Tausende direkte Arbeitsplätze am Bau sowie in nachgelagerten Branchen. Der Anstieg der arbeitslos Gemeldeten in der Baubranche mit einem Plus von 19 Prozent ist alarmierend. Mittlerweile haben wir allein am Bau knapp 10.000 gemeldete Arbeitnehmer bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse weniger als im Vorjahr und die Tendenz der Beschäftigtenzahlen zeigt leider weiter deutlich nach unten.
Köttl sprach auch den Wunsch nach einem Bautenminister aus, um der Wohnbaupolitik entsprechendes Gewicht zu verleihen: „Seit dem Aus von Bautenminister Heinrich Übleis wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen: Der Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie der Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“
Ermöglichen würde das auch eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft. Klaus Baringer: „Wir schlagen eine Allianz vor, in der Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘.