Bauroboter versetzt Mauersteine
Baubot ist ein mobiles Robotersystem zur Ausführung verschiedener Aufgaben auf Baustellen und in Fertigungsanlagen. Die Basisplattform bietet eine geländegängige Mobilität in Kombination mit einem präzisen Industrieroboter, während Hardware-Tools und Software verschiedene unktionale Anwendungen ermöglichen
© printstones

Bauroboter erobern die Baustelle

Roboter sollen die Bauarbeiter bei anstrengenden manuellen Tätigkeiten entlasten. Durch die Verknüpfung mit dem BIM-Modell könnten auch Baustellenabläufe schneller und effizienter gemacht werden. Bauindustrie und Baumaterialhersteller haben das Potenzial erkannt und entwickeln bereits eigene Anwendungen für die Baustelle.

Wenn die Bauarbeiter morgens auf die Baustelle kommen, ist der Großteil der Arbeit schon erledigt. Über Nacht wurden von Robotern alle Löcher an der Decke gebohrt, die Montage der abgehängten Decke kann jetzt zügig erledigt werden. Science-Fiction? Nicht, wenn es nach Herwig Hengl und dem Team von Printstones geht. Das Start-up hat einen mobilen Roboter entwickelt und ist drauf und dran, die digitalen Helfer mit Applikationen auszustatten, um für Menschen sehr anstrengende und hochrepetitive Tätigkeiten auf der Baustelle zu erledigen.

Herwig Hengl

» Wenn körperliche Stärke und Geschicklichkeit keine Grundvoraussetzung für einen Job auf der Baustelle mehr sind, werden diese Positionen einer breiteren Bevölkerungsgruppe zugänglich. «
HERWIG HENGL, Co-Founder Printstones

Begonnen hat alles an der TU Wien, wo Hengl am Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen an der Idee tüftelte, Pflasterflächen vor Ort auf der Baustelle zu drucken. „Um unsere Simulationen zu überprüfen, mussten wir echte Straßenaufbauten fertigen. Das war speziell bei den Pflasterflächen sehr mühsam, ein Ablauf wie vor 1.000 Jahren. Also haben wir uns überlegt, wie man diese Tätigkeit automatisieren könnte. Da wir kein geeignetes Gerät finden konnten, entwickelten wir selbst einen mobilen Roboter, der die Druckdüse führen kann.“ Die Idee für den Baubot war geboren.

2017 gründeten Hengl und Saban Keskin für die Umsetzung des mobilen Roboters das Start-up Printstones. Im selben Jahr pitchte das Team seine Idee beim universitären Inkubator INiTs, wo sich jährlich rund 200 Innovationen präsentieren, und konnte überzeugen. Mit den Investoren wurden auch weitere Ideen an das neu ­gegründete Unternehmen herangetragen. Hengl: „Mittlerweile konnten wir 54 potenzielle Anwendungen rund um die Baustelle identifizieren. Derzeit fokussieren wir uns auf drei, darunter Materiallogistik. Der Roboter soll Baumaterialien laden und in verschiedenen Räumen und Stockwerken verteilen.“

Bauroboter läuft Stiegen hoch
Der Baubot kann auch Stiegen überwinden

Mit BIM-Daten füttern

So könnte man auch den tatsächlichen Materialfluss auf der Baustelle abbilden. Hier kommen nun die Bauindustrie und Building Information Modeling ins Spiel. Planer und ausführende Firmen haben nämlich großes Interesse, den Roboter mit BIM-Daten zu füttern – und danach das BIM-Modell mit den Echtdaten wieder zu aktualisieren. Der Roboter kann somit verlässliche Daten über die tatsächlich durchgeführten Arbeiten auf der Baustelle liefern. Für Baukonzerne ist dabei nicht nur interessant, den Baufortschritt zu verfolgen, mit den Echtdaten könnten auch eine transparente Abrechnung sowie eine dokumentierte Qualitätssicherung erfolgen.

Bei der Entwicklung wurde bewusst eine offene Plattform gewählt, erzählt Hengl: „So kann der Roboter modular verwendet werden, d. h. dass man das Werkzeug und die Software dazu austauschen kann.“ Was dazu geführt hat, dass aktuell zwei mobile Roboter ohne spezifische Anwendung zur Auslieferung anstehen. An ausgewählte Partner werden nur die Roboter mit der mobilen Plattform und der Steuerungstechnologie, also das „Development-Kit“, ausgeliefert. „Darauf basierend entwickeln unsere Partner proprietäre Anwendungen und Werkzeuge. Entwickler können ein SDK als Schnittstelle zur Funktionalität des Roboters verwenden“, erklärt Hengl.

Bauroboter beim Schleifen
Unterstützung beim Verschleifen

Der Kampf um Wettbewerbsvorteile am Markt hat also bereits begonnen. Bei den Herstellern entsteht Druck, bei dieser Entwicklung dabei zu sein, weil es sonst passieren könnte, dass Werkzeuge zum Einsatz auf der Baustelle entwickelt werden, die dann mit dem eigenen Material nicht mehr funktionieren und die Kunden auf andere Materialien ausweichen. Das erklärt das große Interesse der Baustoff- und Fertigteilindustrie, so Hengl. Die Idee ist, dass die Hersteller ihren Kunden ein Werkzeug zur Verfügung stellen, damit diese auf der Baustelle Baumaterialien oder vorgefertigte Bauelemente schneller und präziser montieren können.

Was kann der Baubot?

Vereinfacht gesagt kann der Baubot alles, was man mit einem Roboter applizieren oder montieren kann. Im Demo-Video (auf YouTube/Suchbegriff Baubot) werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten demonstriert, darunter Handhabung und Transport von Baumaterial, Überwachung, Schrauben, Plasmaschneiden oder Bohren. Der Roboter kann Treppen steigen, durch Türen fahren und wird mit elektrischer Energie betrieben. Derzeit kann die Betriebszeit, je nach Anwendung, bis zu acht Stunden betragen. Das Fahrzeug hat eine Höchstgeschwindigkeit von 3,2 km/h bei einer möglichen Nutzlast von 500 kg. Die Positionierung des Roboterarms hat eine Genauigkeit von unter einem Millimeter.

Bauroboter unterstützt beim Vermessen
Hilfe beim Vermessen

Und was macht tatsächlich Sinn? In erster ­Linie ist der Baubot für Anwendungen vorgesehen, die stark repetitiv sind und/oder den menschlichen Körper stark belasten. Das kann entweder das Manipulieren schwerer Materialien oder Arbeiten in ungünstigen Positionen sein, was früher oder später zu Arbeitskräfteausfall, Arbeitsunfähigkeit und Frühpensionen führt. Angesprochen auf den von Hilti eingesetzten semi-autonomen Bohrroboter Jaibot, meint Hengl: „Das ist eine sehr gute Applikation, die einen großen Nutzen bringt. Über Kopf bohren ist körperlich sehr anstrengend und repetitiv.“

Herausforderung Mensch und Maschine

Die größte Herausforderung auf der Baustelle ist sicherlich das Zusammenspiel von Mensch und Roboter – und auch die größte für die Sicherheitstechnik. „Am einfachsten ist es, wenn der Roboter allein agiert, nicht in Kollaboration“, ist sich Hengl bewusst. Wie selbstständig der Baubot arbeiten kann, hängt stark von der Tätigkeit ab. Im ersten Schritt werde man ein Areal dementsprechend absperren und für den Roboter vorbereiten müssen. Im Idealfall arbeitet der Roboter über Nacht und die Arbeiter finden einen Teil der Arbeit am nächsten Morgen erledigt vor. Denn der mobile Roboter kann auch im vorprogrammierten Modus verwendet werden. In diesem Fall wird der Arbeitstag des Roboters im Voraus simuliert.

Bildschirm
Simulation der Baustellensituation

In dieser Variante könnten die Roboter in Zukunft fernüberwacht eingesetzt werden. Die BIM-Daten können im Vorhinein eingespielt, die Arbeiten simuliert und eine Vorabüberprüfung durchgeführt werden. Das heißt, der Baubot wird z. B. in einem Kleintransporter auf die Baustelle transportiert und dort von einer geschulten Bedienperson konfiguriert. Danach ist der Roboter einsatzbereit und kann autonom arbeiten. Die Bedienperson muss kein IT-Experte sein, versichert Hengl, das kann das Personal des Subunternehmers übernehmen oder es wird Firmen geben, die sich auf die Bedienung der Roboter spezialisieren. Möglicherweise wird es auch ähnlich wie in der Baumaschinenvermietung Firmen geben, die über einen Pool an Robotern verfügen, die angemietet oder geleast werden können.

Bauroboter auf der Baustelle
Baubot auf der Baustelle

Bleibt noch die Frage, was die digitalen Helfer kosten werden: Auch wenn man sich bei Printstones in der Öffentlichkeit noch nicht auf einen Preis festlegen möchte, so versichert Hengl, dass – je nach Anwendung – der Baubot günstiger und effektiver als ein Bauarbeiter sein kann.

Ausblick: In Zukunft sollen BIM-Daten verwendet werden, um den Roboter in seiner Arbeitsumgebung zu simulieren und die Arbeitsabläufe virtuell zu optimieren. Auf diese Weise hat der Roboter die Arbeit Tausende Male vor seinem ersten Einsatz auf der Baustelle erledigt. Eine zentralisierte KI sollte anschließend nicht nur durch die virtuellen Simulationen, sondern auch durch die realen Erfahrungen aller aktiven Roboter trainiert werden. Was als einfache Roboter­zusammenarbeit beginnt, kann sich zu einem Schwarm an Robotern entwickeln, die zusammenarbeiten und Innovationen in verschiedenen Bereichen ermöglichen. Science-Fiction oder schon bald Realität?