"Die Baustelle neu denken"
a3BAU: Herr Lorenz, Hilti ist für viele immer noch „der rote Koffer“. Doch das Unternehmen positioniert sich inzwischen als Digitalisierungspartner der Bauwirtschaft. Was bedeutet das konkret?
Oliver Lorenz: Wir sehen die Bauwirtschaft mit großen Herausforderungen konfrontiert – etwa Fachkräftemangel, zunehmender Wettbewerbsdruck oder Themen wie Nachhaltigkeit und CO₂-Reduktion. In Zeiten wie diesen, in denen die Baukonjunktur in Österreich schwächelt und der Preisdruck am Markt hoch ist, ist es für unsere Kunden wichtiger denn je, sich strategisch Gedanken über die Zukunft des eigenen Unternehmens zu machen. Es geht darum, sich wettbewerbsfähig aufzustellen, Prozesse zu optimieren und die Produktivität gezielt zu steigern. Als langjähriger Partner der Branche – über unsere Produkte und den Direktvertrieb – wollen wir nun auch verstärkt dazu beitragen, die internen Prozesse unserer Kunden effizienter zu gestalten. Deshalb haben wir unser Portfolio um digitale Lösungen erweitert. Unsere Geschäftsstrategie basiert daher heute auf drei Säulen: Elektrowerkzeuge – zunehmend vernetzt via IoT, das zweite Standbein ist die Befestigungstechnik – unterstützt durch digitale Planung – und schließlich drittens Softwarelösungen, zur Prozessoptimierung auf der Baustelle und im Büro.
Wann hat Hilti begonnen, in eigene Software zu investieren?
Bereits vor über zehn Jahren mit der Einführung von On!Track, unserer Betriebsmittelverwaltungssoftware. Damit können Kunden ihren gesamten Gerätepark inklusive Nicht-Hilti-Geräten verwalten. Heute ist On!Track eine weltweit führende Lösung in diesem Bereich. Ein wichtiger nächster Schritt war dann die Akquisition von Fieldwire, einer Software zur Kommunikation zwischen Büro und Baustelle. Damit lassen sich Aufgaben verteilen, Fortschritte tracken, Berichte erstellen – all das strukturiert und nachvollziehbar. Denn viele Informationen gehen heute noch über WhatsApp oder andere Kanäle verloren, weil die Kommunikation noch sehr traditionell abläuft.
Fieldwire ist nicht allein auf dem Markt. Was unterscheidet Ihre Lösung vom Mitbewerb?
Drei Dinge: Erstens: Usability – Fieldwire ist intuitiv und auch für Nicht-Digital-Natives leicht bedienbar, die sich zumindest auf ihrem Smartphone oder Tablet zurechtfinden. Das ist ein entscheidender Unterschied. Gerade bei der Digitalisierung von Prozessen stellt sich die zentrale Frage: Wie nehme ich meine Mitarbeiter mit? Man kann mit Druck arbeiten – doch das geht meist auf Kosten der Zufriedenheit. Besser ist es, eine intuitive und benutzerfreundliche Lösung anzubieten, die Akzeptanz schafft und den Wandel erleichtert. Zweitens: Wir lassen die Kunden bei der Implementierung nicht allein. Wir sind durch unseren Direktvertrieb sehr nahe an unseren Kunden. Wir haben auch in Österreich weit über 100 Mitarbeitende, die tagtäglich vor Ort beim Kunden sind und können dadurch auch sehr gut unterstützen und supporten. Unser Direktvertrieb ist vor Ort und unterstützt den Change-Prozess. Drittens: Langfristigkeit. Als langjähriger Partner der Bauwirtschaft bieten wir die Sicherheit, dass Daten, die heute dokumentiert werden, auch in vielen Jahren noch verfügbar und betreut sind.
Sie haben ein gutes Stichwort genannt: Datenverarbeitung. Ist in der Baubranche bereits angekommen, dass es künftig ohne strukturierte Daten kein effizientes Arbeiten mehr geben wird – und dass es dabei um weit mehr geht als nur Produktivitätssteigerung durch Software?
Bei großen Baukonzernen ja. Im Mittelstand sehen wir ein gemischtes Bild. Viele wollen, aber sie finden im Tagesgeschäft keine Zeit für die Umstellung. Das braucht Schulung, Strategie – und oft auch einen Generationenwechsel. In Österreich sind wir da nicht gerade „change-affin“. Ein Beispiel: BIM ist international längst etabliert. In den Niederlanden wird selbst bei kleineren Projekten gewerkeübergreifend digital geplant. In Österreich hingegen dominieren oft Einzelmodelle.
Woran liegt das?
Es sind mehrere Faktoren: die Kleinteiligkeit der Branche, fehlende Impulse von öffentlicher Hand, aber auch kulturelle Muster. Manche Unternehmen profitieren schlicht davon, dass Projekte nicht vollständig durchgeplant sind. Auch das bremst den Fortschritt. Wirklich integrales BIM erfordert ein Umdenken: Der Bauherr oder Generalplaner muss kollaborative Planung einfordern und zulassen.
Könnte eine BIM-Verpflichtung einen Anschub bewirken?
Ich glaube nicht, dass ein Zwang der richtige Weg ist. In manchen Branchen – etwa in der Pharmaindustrie – sehen wir, dass komplexe Projekte von selbst höhere digitale Standards einfordern. Natürlich könnte eine Anpassung von Vergaberichtlinien, etwa wie Planung und Ausschreibung erfolgen sollen, die Entwicklung beschleunigen.
Hilti bietet selbst BIM-Dienstleistungen an?
Ja, insbesondere in der TGA – also bei HKLS- und Elektrobefestigungen. Wenn etwa ein Pharmaunternehmen ein neues Werk errichtet, übernehmen wir die Detailplanung der Befestigungstechnik im BIM-Modell, liefern Vorfertigungseinheiten und stellen sicher, dass genau das gebaut wird, was geplant wurde. In den Niederlanden betreiben wir ein großes BIM-Kompetenzzentrum und auch in Österreich bieten wir diese Leistungen bereits punktuell an.
Ein weiteres Produkt, das stark auf Digitalisierung setzt, ist der Jaibot. Auch dafür braucht man ein BIM-Modell, oder?
Der Hilti Jaibot ist ein halbautonomer Bohrroboter für Decken- und Wandmontagen. Er liest die Bohrpunkte direkt aus digitalen Plänen – z. B. BIM-Modellen – und führt diese automatisiert aus. Es muss nicht zwingend eine vollintegrale BIM-Planung sein – theoretisch lassen sich die Bohrpunkte für den J-Bot auch aus jedem 3D-CAD-Plan auslesen. Wir haben in Europa bereits mehrere Hundert Referenzprojekte umgesetzt.
Wie wird der Jaibot angeboten?
Der Jaibot wird aktuell projektbezogen vermietet. Der ideale Use Case sind Großraumbüros oder Hallen mit vielen Bohrpunkten an der Decke. Nach der Einweisung kann der Bediener das Gerät selbst betreiben, Hilti bleibt im Hintergrund als Support-Partner verfügbar.
Neu hinzugekommen ist nun auch ein Scanner?
Genau. Seit Anfang dieses Jahres bieten wir einen einfach nutzbaren 3D-Laserscanner an, der Räume vollautomatisch erfasst. So entsteht eine Punktwolke, die ins BIM-Modell übertragen wird. Dieser integrale Kreislauf aus Bestandserfassung, Planung, Ausführung und Dokumentation ist nun bei uns vollständig abgebildet.
Und wie steht es um das Hilti-Flottenmanagement?
Es ist eines unserer erfolgreichsten Modelle. Der Großteil unserer Geräte wird nicht mehr verkauft, sondern gemietet. Das bietet Kunden kalkulierbare Kosten, eine standardisierte Akkutechnik – eine Akkuplattform für alle Geräte – und viele Zusatzservices: etwa den automatischen Geräteaustausch bei Defekt oder die Echtzeit-Ortung via On!Track-App. Zusätzlich automatisieren wir die Verwaltung durch Gateways in den Fahrzeugen – Bewegungsdaten fließen so direkt in die Geräteverwaltung ein.
Welche Strategie verfolgt Hilti insgesamt?
Unser Mission Statement lautet „Making Construction Better“. Wir wollen der beste Partner für Produktivität, Sicherheit und Nachhaltigkeit am Bau sein – und gleichzeitig einer der besten Arbeitgeber. Unsere Innovationskraft speist sich aus zwei Quellen: einer starken F&E-Abteilung in der Konzernzentrale und dem engen Austausch unserer Produktverantwortlichen mit dem Außendienst und den Baustellen. Diese Nähe zum Kunden ist unser größter Vorteil.
Oliver Lorenz
ist seit 2024 Geschäftsführer bei Hilti Austria. Lorenz begann bereits während seines Studiums seine Karriere bei Hilti. Er war in unterschiedlichen Positionen in der Hilti-Gruppe sowie in der Konzernzentrale in Liechtenstein und als Geschäftsführer bei Hilti Deutschland tätig.
Seit Anfang letzten Jahres ist Oliver Lorenz alleiniger Geschäftsführer der Hilti Austria GmbH.