(v.l.) Berthold Kren (CEO Holcim Central Europe), Roland Pomberger (Lehrstuhlleiter Abfallverwer-tungstechnik und Abfallwirtschaft Montanuniversität Leoben), Hans Roth (Gründer Saubermacher AG) und Ralf Mittermayr (Vorsitzender des Vorstands Saubermacher AG), Peter Koren (Vize-Generalsekretär IV)
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Ersatzbrennstoffe: Alternative Energiequelle für Österreichs Industrie

Im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzt die (Zement-)Industrie zunehmend abfallbasierte Rohmaterialien, die u. a. von Saubermacher aufbereitet werden. Um noch mehr recycelte Wertstoffe an die Bauindustrie zu liefern, hat Saubermacher in einen neuen Standort in Graz-Puntigam investiert.

Ersatzbrennstoffe (EBS) werden aus energiereichem Abfall, der nicht stofflich verwertet werden kann, produziert. Österreichs Entsorgungsbranche ist weltweit Vorreiter: Seit 2003 erzeugten Recyclingprofi Saubermacher und Zementhersteller Holcim in einem gemeinsamen Werk in Retznei rund 1,5 Millionen Tonnen hochwertige EBS. Ihre Nutzung in der (Zement-)Industrie hat nicht nur rund 1,2 Millionen Tonnen fossiles CO2 eingespart und 1,4 Millionen Tonnen an Steinkohle substituiert, sondern dank Co-Processing auch den Abbau von bis zu 320.000 Tonnen mineralischer Rohstoffe (u.a. Kalkstein) vermieden. Ab 2024 schonen zusätzliche Recyclingmaterialien, die Saubermacher am neuen Standort in Graz aufbereitet, weitere Primärressourcen bei der Klinkerherstellung. Neben Zementwerken unterstützt Saubermacher als führender EBS-Hersteller auch andere Produzenten bei der Kreislaufwirtschaft. So kommt Österreichs Industrie einer Circular Economy wieder ein Stück näher.

Zementproduktion ist ökologische Herausforderung

Für die Errichtung und Sanierung von Gebäuden und Infrastruktur wie etwa Brücken und Tunnel ist Zement ein unverzichtbarer Bestandteil. Doch seine Produktion verursacht erhebliche Treibhausgasemissionen, verbraucht knapper werdende Rohstoffe und ist sehr energieintensiv. Umso wichtiger ist eine ökologische Erzeugung. Abhilfe schaffen sogenannte Ersatzbrennstoffe (EBS), die mittels spezieller Verfahren aus energiereichem Abfall hergestellt werden. Verarbeitet werden dafür nur Abfälle, die derzeit (noch) nicht recycelt werden können. Pionier auf diesem Gebiet sind Saubermacher und Holcim mit ihrem 2002 gegründeten Joint Venture ThermoTeam mit Sitz in Retznei.

„Mit ThermoTeam haben wir gemeinsam einen neuen und globalen Standard für die sinnvolle Nutzung von nicht stofflich verwertbaren Abfällen gesetzt. Der Umweltnutzen von EBS ist enorm“, freut sich Hans Roth, Saubermacher Gründer über die erfolgreiche Zusammenarbeit. Heute ist Saubermacher der führende EBS-Hersteller in Österreich und produziert allein in Retznei rund 100.000 Tonnen jährlich. Hochtechnologische Aufbereitungsprozesse, viel Analytik und langjähriges Know-how stellen die hohen Qualitätsansprüche der Kunden sicher. Zudem trägt auch die EBS-Herstellung zur Verbesserung der Recyclingquote insgesamt bei: Seit 2003 wurden im ThermoTeam rund 35.000 Tonnen Altmetalle und PET aussortiert und dem Recycling zugeführt.

Österreichs Zementindustrie beim EBS-Einsatz Vorreiter

Die österreichischen Zementwerke sind beim Einsatz von EBS weltweit führend, gefolgt von Deutschland, Polen und Tschechien. Die EBS von ThermoTeam nutzt u.a. das Holcim-Werk Retznei. Dank eines Förderbandes zwischen den beiden Fabriken sind keinerlei LKW-Transporte dafür nötig. „Die EBS-Substitutionsrate im Werk Retznei liegt bei über 95 Prozent und damit weit über dem Österreich-Durchschnitt von mehr als 80 Prozent oder dem EU-Durchschnitt von über 40 Prozent“, informiert Berthold Kren, CEO Holcim Österreich.

Co-Processing reduziert Rohstoffeinsatz

Dank Co-Processing werden die EBS auch stofflich verwertet und so der Bedarf an natürlichen Rohstoffen reduziert[1]. Laut Untersuchungen der Montanuniversität Leoben werden derzeit bis zu 17 Prozent der EBS stofflich verwertet. Zudem fällt kein Abfall an, was Deponievolumen spart. „Das und der um bis zu 30 Prozent höhere Wirkungsgrad im Vergleich zur herkömmlichen Müllverbrennung zeigt deutlich den ökologischen Mehrwert der industriellen Nutzung“, erläutert Ralf Mittermayr, CEO Saubermacher AG. Neben Zementwerken unterstützt Saubermacher auch die Papier-, Faser- und Spanplattenindustrie auf ihrem Weg zur Kreislaufwirtschaft und versorgt diese zusätzlich mit speziellen Ersatzbrennstoffen. Noch sieht die EU den EBS-Einsatz als rein thermische Verwertung. „Die Montanuniversität Leoben arbeitet bereits an einer weltweit gültigen ISO-Norm. Es ist zu erwarten, dass die EU dann den Recyclinganteil anerkennt und so der EBS-Einsatz auch einen Beitrag für das Erreichen der Recyclingziele insgesamt leisten kann“, informiert Roland Pomberger, Professor für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft/Montanuniversität Leoben.

Bau- und Abbruchabfall ist wertvoller Recycling-Rohstoff

Die österreichische Baubranche ist mit über 11,4 Millionen Tonnen mineralischen Bau- und Abbruchabfällen sowie rund 41 Millionen Tonnen Aushubmaterial der größte Abfallerzeuger Österreichs. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzt die (Zement-)Industrie zunehmend abfallbasierte Rohmaterialien, die u. a. von Saubermacher aufbereitet werden. Holcim Österreich ist Vorreiter im Markt und recycelt etwa 250.000 Tonnen Baurestmassen pro Jahr. Weltweiter Innovationsführer ist der neu entwickelte ECOPlanet RC Zement, bei dem Holcim Österreich den Gesamteintrag von recyclierten Baurestmassen im Zement auf mehr als 25 Prozent erhöht und zusätzlich CO2 über einen innovativen “Rapid Carb” Prozess direkt in das Recyclingmaterial einbringt.

Kreislaufwirtschaft trifft auf Bausektor

Um noch mehr recycelte Wertstoffe an die Bauindustrie zu liefern, hat Saubermacher in einen neuen Standort in Graz-Puntigam investiert. Seit April 2023 bereitet das Unternehmen dort unterschiedliche mineralische Abfälle auf und liefert sie als hochwertigen Rohstoff, z. B. qualitätsgesicherte Recycling-Baustoffe, an den Bausektor zurück. Ab 2024 ersetzen zusätzlich 10.000 Tonnen Recyclingrohstoffe mineralische Ressourcen in der gleichen Größenordnung im Zementwerk Retznei. Zudem halbieren sich durch die zentrale Lage die Abfalltransporte im Großraum Graz.

„Die heimische Industrie ist Vorreiter beim Klimaschutz. Diese Rolle zeigen auch die präsentierten Ergebnisse dieser wegweisenden Kooperation deutlich und betonen die internationale Vorreiterrolle der österreichischen Industrie. Die ausreichende Verfügbarkeit von hochqualitativen Sekundärrohstoffen und alternativen Energiequellen zu wettbewerbsfähigen Preisen ist der Schlüssel für das Gelingen der Kreislaufwirtschaft und wesentlicher Bestandteil der fortschreitenden Dekarbonisierung der Industrie“, fasst Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung Peter Koren zusammen.