Zwei Männer mit Bauhelmen
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Trennung von Planen und Bauen

Die Aufhebung der Trennung von Planen und Bauen ist ein hitzig diskutiertes Thema, allerdings nur in Österreich. Denn andernorts gibt es diese Trennung so gut wie nicht. Die Debatte der Für und Wider kommt aktuell durch die Digitalisierung wieder in Schwung. Zwingt der Einsatz von Building Information Modeling zur Aufhebung der Grenzen zwischen Planung und Ausführung?

Es ist eine der österreichischen Besonderheiten – eine Grundstücksteilung kann nur von einem Zivilingenieur für Vermessungswesen vorgenommen werden, eine Kollaudierung wie auch einen Einreichplan kann ein Baumeister abstempeln. Kniffliger wird es dann schon bei Gutachten, die können ebenso von Sachverständigen erstellt werden. Dennoch, Fakt ist, hierzulande planen Ziviltechniker – vom Architekten bis zum Bauingenieur – während  Baumeister und Bauindustrie bauen. Es gibt eine klare Grenze zwischen Planung und Ausführung.

Doch die Grenzen verschwimmen bereits seit Jahrzehnten. Vor allem die Bauindustrie hat mittlerweile Planungsabteilungen, örtliche Bauaufsicht und BIM-Abteilungen, planende Baumeister machen den Architekten Aufträge streitig, technische Büros erweitern systematisch ihr Betätigungsfeld. International wird der Ziviltechniker oft mit Verwunderung wahrgenommen, die nordischen Länder kennen den Beruf des Architekten, des Bauingenieurs oder des Baumeisters – aber wer plant, oder wer baut, oder auch wer mit wem, ist jedem seine Sache.

Die im Ziviltechnikergesetz verankerte Rechtsstellung (so genannte öffentliche Urkundsperson) macht den Ziviltechniker zu einem österreichischen Spezifikum. Ziviltechniker sind mit öffentlichem Glauben versehene Personen gemäß Paragraph 292 der Zivilprozessordnung. Sie haben das Recht, das Staatswappen zu führen, besitzen ein Siegel und sie haben eine Verschwiegenheitspflicht, also in ihrer Stellung gleich einem Notar. Tätigkeiten, die mit der Würde des Standes und der Vertrauenswürdigkeit unvereinbar sind, sind einem Ziviltechniker untersagt. In Österreich gibt es rund 9.000 Ziviltechniker, die den Berufseid nach Studium, dreijähriger Praxis und der Ziviltechnikerprüfung abgelegt haben und somit ihren Beruf ausüben dürfen. Es gilt der Grundsatz der Trennung zwischen Planung und Ausführung. Sie garantieren durch ihre Expertise und Unabhängigkeit die Qualität von Planungen. Sie sind von Gesetzes wegen Sachverständige.

Unabhängige Planung

Was ist der Hintergrund der aufkommenden Diskussionen und warum sperrt sich das Gros der heimischen Bauwirtschaft gegen die Aufhebung der Trennung von Ausführung und Planung? Warum gibt es aber ebenso Planer und Ausführende, die sich für die Aufhebung der Trennung und somit gegen die Sonderstellung der Ziviltechniker aussprechen? Gerade im Zusammenhang mit BIM werden nun wieder Stimmen laut, dass die Trennung von Planen und Bauen aufgehoben werden muss. Für Rudolf Kolbe, Präsident Bundeskammer der Ziviltechnikerinnen, ist die strikte Trennung von Planung und Ausführung ein grundlegendes Anliegen, dem sich der gesamte Berufstand seit 1993 verschrieben hat: „Auch der Gesetzgeber hat erkannt, wie wichtig es ist, unabhängige Planung garantieren zu können und dies nicht umsonst im Berufsgesetz der ZiviltechnikerInnen so festgeschrieben. Seit Jahrzehnten ist es erfolgreich angewandte Praxis in Österreich – insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern – dass Planung und Ausführung meist getrennt vergeben werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Damit sollen Interessenkonflikte ausgeschlossen und wechselseitige Kontrolle ermöglicht werden. Im Gegensatz zu ZiviltechnikerInnen, die sich einer Gestaltungsgarantie und einem Innovationsgebot verpflichtet sehen, können Totalunternehmer keine Sicherheit betreffend die unabhängige Kontrolle bieten.“

Kommentar von Rudolf Kolbe "Von starken Bauherren" lesen

Die Unabhängigkeit sieht Andreas Gobiet, Präsident des Verbandes der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe und Geschäftsführer der Ingob.ZT, längst nicht mehr, ebenso wie die garantierte Qualität, die Standesregel hält er für zahnlos und monarchistisch: „Es gibt keine Qualitätssicherung, Trennung von Planung und Ausführung heißt, die Planer machen etwas anderes als die Ausführenden. Die Planung liefert einen Plan, den die Ausführung nicht verwenden kann. Das bedeutet, die Standesregeln behindern die Entwicklung von Unternehmen und die Digitalisierung. Im Ausland gibt es dieses Problem nicht. Die Entwicklung geht in die Richtung Design und Architekt auf der einen Seite und in Ausführung auf der anderen Seite, aber alle kommunizieren miteinander. Wir müssen für unseren Beruf eine Zukunft schaffen. Wir haben uns als Verband an der Gesellschaft ,Digital findet Stadt´ beteiligt, da versuchen wir ein neues Berufskonzept zu erarbeiten, denn in zehn Jahren drucken wir Gebäude. Um diese Entwicklung sicherstellen zu können, müssen wir aufhören, uns von den Ausführenden zu trennen. Dafür haben wir ja bereits Gesetze wie z. B. für das kooperative Planen und Bauen etc. Der Kunde braucht ein Gebäude zu einem fixen Preis und einem Termin, der hält und einer Qualität, die abgesichert ist – das ist die Aufgabe der Ziviltechniker.“ Gobiet hat mit der TU Wien und der TU Graz einen Beirat gegründet, in dem die Leistungsbilder für das digitalisierte Planen und Bauen skizziert werden sollen und damit eine Grundlage für die Ausbildung geschaffen werden soll.

Trennung der Aufgaben

Für Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf Baugesellschaft m.b.H., sind Planen und Bauen aus systemischer Sicht per definitionem untrennbar miteinander verbunden: „Planen ohne Bauen verkommt zur Sinnlosigkeit. Bauen ohne Planen führt ins Chaos. Wenn, dann geht es um die Trennung der Aufgaben im Bereich der Planung und der Bauausführung auf verschiedene Einheiten – wie zum Beispiel: Ziviltechniker versus Bauunternehmen. Diese Aufgabenverteilung führt unter anderem zu unterschiedlichen partikulären Interessenslagen und damit zu Interessenskonflikten.“ Graf, selbst Bauingenieur und Baumeister, sieht in der Trennung, wie sie besonders in der österreichischen Baukultur ausgeprägt ist, eine sehr strikte und diese, so seine Beobachtung, führt in der Folge konsequenterweise zu starken Konflikten. „In Verbindung mit der Vertretungsfunktion der Auftraggeber-Interessen durch die Planungsseite (ebenfalls eine starke Tradition in der österreichischen Baukultur), verstärkt sich das Konfliktpotenzial zusätzlich. Es hat sich im Bauprozess inzwischen durch die jahrelange Tradition eine Art ,Chinese Wall´ zw. der Planungs- und Ausführungsphase aufgebaut, was sehr bedauerlich ist, weil dadurch das gemeinsame Wirken der Stärken beider Seiten behindert wird“, so Graf.

Die Kernkompetenz der Bauunternehmen ist die wirtschaftliche Optimierung eines Bauobjektes, diese erfolgt laut Graf jedoch nicht ausschließlich durch die Bildung eines niedrigen Preises, sondern durch die bestmögliche Steuerung der funktionalen und technischen Qualität des Bauobjektes sowie der Gestaltung des Bauablaufes. „Alle drei Faktoren werden maßgebend in der Planung festgelegt bzw. beeinflusst. Durch die oben angeführte Trennung wurde es somit den Bauunternehmen nahezu unmöglich gemacht, ihre Kernkompetenz rechtzeitig und im Sinne des Bauherrn einzubringen – ein weiterer Verstärker für Konflikte, weil die Bauunternehmen auf die reine Preisschiene reduziert werden. Aus diesen Gründen ist eine Aufhebung bzw. Aufweichung dieser starren Trennung sehr zu begrüßen, weil dadurch der partnerschaftliche Ansatz zw. Bauherrn, Planer und ausführendem Unternehmen deutlich gefördert wird und die oben angeführten Synergien besser gehoben werden können“, so Graf.

Kosten sind das Stichwort für Gobiet: „Die Baukosten waren immer schon falsch – die meisten sind abgesprochen. Diese Entwicklung ist gewachsen, die Generalunternehmer haben die Firmen ausgepresst – und so drehte sich die Spirale weiter. Die Baunebenkosten betragen 20 Prozent. Wieviel davon gibt der Bauträger weiter? Maximal sieben Prozent. Im angloamerikanischen Raum wird alles gemeinsam geplant und gebaut, da halten die Kosten und die Termine. In Österreich kontrolliert jeder jeden – dann wird gestritten und die Projektkosten steigen.“

Auflösung des Interessenskonfliktes

Thomas Wetzstein, Geschäftsführer Vasko+Partner, sieht die Vorteile der Trennung von Planung und Ausführung in der Auflösung des Interessenskonfliktes, da Ziviltechniker unabhängig der Bauform und der Materialität agieren können, während der Ausführende selbst immer seine eigenen Produkte präferieren wird: „Zudem lässt sich durch die Spezialisierung des Planers auf die Planung naturgemäß ein höherer Verständnisfaktor für den Bauherrn erreichen, da Planer ausschließlich planen und keine weiteren Agenden auf der Liste haben. Eine Spezialisierung von Planungen, z. B. Büros mit einer hohen Krankenhauskompetenz, ist dann als weiterer Pluspunkt hervorzuheben.“

Kolbe führt den Gedanken weiter, für ihn hilft die Trennung von Planung und Bauen Fehler zu vermeiden, dient der Qualitätssicherung und vor allem dem Schutz des Bauherrn: „Bei öffentlichen Auftraggebern verhindert sie schlichtweg die Verschwendung von Steuergeld. ZiviltechnikerInnen sind unabhängige VertreterInnen des Bauherrn, die die ordnungsgemäße Bauausführung der jeweiligen Planung kontrollieren. Sie haben den Gesamtüberblick und verfügen über die beste Kompetenz für die Koordinierung der verschiedenen Gewerke im Bauablauf. Wenn künftig Planer nur noch Subunternehmer des Totalunternehmers wären, dann gäbe es keine qualitätssichernde Kontrollinstanz mehr. Erst die Trennung von Planung und Ausführung sichert die Bauqualität und somit den Verbraucherschutz.“

Wetzstein unterstreicht die Unabhängigkeit als klaren Vorteil für Auftraggeber: „Den Wunsch des Auftraggebers zu verfolgen, ist das einzige Ziel des Planers. Der guten Ordnung halber sei vielleicht noch darauf hingewiesen, dass irreale Wünsche des Auftraggebers naturgemäß zu realistischen Wunschvorstellungen weiterzuentwickeln sind. Tatsächlich gibt es aber bei ZT-Büros keinen weiteren einflussgebenden Faktor wie beispielsweise eine bestimmte Industriesparte (z. B. Holzbau oder Stahlbau) zu favorisieren o.ä. Für jedes Projekt wird daher das Beste am Markt Verfügbare geplant und konzipiert. Im Gegensatz zum möglicherweise eingeschränkten ,Sortiment´ eines einzelnen Ausführenden.“

Rechtlich wäre die Aufhebung der Trennung von Planung und Ausführung kein Aufwand, meint Stephan Heid, Heid und Partner Rechtsanwälte: „Im Vergaberecht benötigt es keine Änderung. So lautet es im Erwägungsgrund 8 der EU-Vergaberichtlinie 2014/24: „ (...) Angesichts der für die öffentlichen Bauaufträge kennzeichnenden Vielfalt der Aufgaben sollten die öffentlichen Auftraggeber jedoch sowohl die getrennte als auch die gemeinsame Vergabe von Aufträgen für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen vorsehen können. Diese Richtlinie bezweckt nicht, eine gemeinsame oder eine getrennte Vergabe vorzuschreiben. Konsequent folgert daher auch § 28 BVergG 2018, dass die Wahl der gemeinsamen bzw. getrennten Vergabe eine ,Ermessensentscheidung´ des Auftraggebers nach sachlichen Gesichtspunkten ist.“

Die Bestellqualität der Bauherren ist ebenso eine wichtige Weichenstellung für den Erfolg eines Projekts, so Gobiet: „Die BIG hat hier wesentliche Verbesserungen in den Verträgen geschaffen, das Know-how der Projektpartner wird in den Vordergrund gestellt – die endlosen Referenzlisten kritisch gesehen.“

EU fordert Liberalisierung

Mit der ZTG-Novelle kommt die Unabhängigkeit der Ziviltechniker unter Druck. Die Europäische Kommission fordert seit Jahren eine Liberalisierung der Beteiligungsbeschränkungen an Ziviltechnikergesellschaften. Zwar soll die Kapitalbeteiligung der ZT grundsätzlich mindestens 50 Prozent betragen, jedoch bietet der vorliegende Entwurf ein Schlupfloch, sodass diese Mindest-Kapitalbeteiligung unterwandert werden kann. (a3BAU berichtet ausführlich darüber in Ausgabe 10/2020).

Neben den bisherigen „reinen ZT-Gesellschaften“ sieht der Gesetzesentwurf die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform vor: die „interdisziplinäre ZT-Gesellschaft“. Auch in dieser Gesellschaft dürfen sich Berufsfremde bis zu 50 Prozent beteiligen. Diese sollen künftig auch Gesellschafter von „klassischen ZT-Gesellschaften“ sein dürfen. Dadurch wäre es mithilfe von Verschachtelungskonstrukten zukünftig möglich, den Anteil der ZiviltechnikerInnen an den „klassischen“ ZT-Gesellschaften drastisch zu reduzieren. Die Unabhängigkeit und Objektivität der Berufsausübung wäre de facto nicht gewährleistet, entgegnet Kolbe: „Die Beteiligungsbeschränkung ist der EU-Kommission seit Jahren ein Dorn im Auge. 2019 erfolgte die Verurteilung Österreichs durch den EuGH wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsrichtlinie. Der im letzten Jahr präsentierte Gesetzesentwurf, der dieses Urteil umsetzen sollte, schießt aber über das Ziel hinaus. Ziviltechnikerinnen sind mit öffentlichem Glauben versehene Personen. Ihren maßgeblichen Einfluss in ZT-Gesellschaften nicht gesetzlich abzusichern, kann nur als ‚Gold-Plating‘ kategorisiert werden und wäre ein Bärendienst an Auftraggeber und Konsumenten.“

Wetzstein dazu: „Es liegt auf der Hand, dass diese dann eigentümergeführt Ziele verfolgen, die nicht zwangsläufig mit den Zielen des jeweiligen Auftraggebers übereinstimmen. So wäre beispielsweise ein Planungsbüro, das anteilsmäßig von einer Betonbaufirma gelenkt und bestimmt wird, wohl nur schwer zu einer Planung in Holzbauweise zu motivieren, da der Doppelnutzen (Planung und Ausführung in Beton) dann nicht mehr vorhanden wäre. Und als reine Anlageform werden die ZT-Gesellschaften wohl nicht gehandhabt, sondern sie (die Baufirmen) werden einen weiteren wirtschaftlichen Zweck mit dem Einstieg in eine ZT-Gesellschaft verfolgen.“

Kolbe präzisiert das grundlegende Problem: „Durch Verschachtelungen von Gesellschaftsbeteiligungen könnten Konsumenten getäuscht werden. Es kann aber nicht Aufgabe des jeweiligen Bauherrn sein, das Firmenbuch tagelang zu studieren, um zu überprüfen, ob auch wirklich Ziviltechniker die Firma kontrollieren, die er beauftragen will. Eine diesbezügliche Täuschung muss um jeden Preis verhindert werden. Deshalb setzen wir– sowohl die Bundeskammer als auch die Länderkammern – alle möglichen Hebel in Bewegung, um eine EU-Rechtskonforme, aber auch für den Österreichischen Konsumentenschutz praktikable Lösung zu erwirken.“

Knackpunkt Koalitionsverbot

Alle in einem Boot ermöglicht das Vergaberecht längst, nämlich durch die Totalunternehmervergabe, erläutert Heid: „Das Berufsrecht für Ziviltechniker hinkt der Entwicklung hinterher. Mit der ersatzlosen Streichung des § 23 Abs 3 ZTG 2019 die Ziviltechniker-Gesellschaften betreffend, wären alle Probleme gelöst. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Befugnis der Bewerber und Bieter sieht die Sache für österreichische Planer wiederum folgendermaßen aus: Die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit Gewerbetreibenden ist nur zulässig, wenn diese zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt sind. Das bedeutet, auch eine Arbeitsgemeinschaft mit bauausführenden Unternehmen ist verboten. Dieses sogenannte ,Koalitionsverbot´ ist vor dem Hintergrund der am Markt immer stärker nachgefragten Bündelung von Leistungen (,Leistung aus einer Hand´) nur schwer nachvollziehbar und führt zu konkreten Wettbewerbsnachteilen z. B. gegenüber ausländischer Konkurrenz. Diesem Verbot widersprechende (inländische) Bietergemeinschaften sind nämlich vom Vergabeverfahren auszuschließen. Dies hat das LVwG Tirol vor kurzem sogar für einen Zusammenschluss eines Ziviltechnikers mit einem ,Zivilingenieur´ nach alter – aber befugnisrechtlich noch immer geltender Rechtslage gemäß ZTG 1957 – verfügt, da diese Befugnis den Ziviltechniker auch zur Übernahme der bauausführenden Tätigkeiten berechtigt. Gegen den Ausschluss einer solchen Bietergemeinschaft (Ziviltechniker und Zivilingenieur) wurde von der betroffenen Arge Beschwerden beim VwGH und VfGH erhoben, die noch offen sind.“

Für Ausschreibungen und Wettbewerbe wären laut Heid interdisziplinäre Partnerschaften der wesentliche Schritt, damit Ziviltechniker als gleichberechtigte Partner bei einer Totalunternehmer-Ausschreibung mitmachen dürfen: „Derzeit geht ja nur eine Beteiligung als Subunternehmer eines Bauausführenden. Anstelle dieser Liberalisierung verteidigt die Kammer allerdings das Koalitionsverbot weiterhin mit Zähnen und Klauen, weil sie fürchten, dass die österreichischen Klein-Klein-Planerbüros bei Bildung einer interdisziplinären Partnerschaft unter die Räder der Baufirmen kommen.“

BIM als Chance

Aber die Grenzen zwischen Planen und Bauen verschwimmen, BIM forciert doch diese Entwicklung, oder? „Ganz und gar nicht. Die BIM-Methodik kann gezielt eingesetzt werden, um die Tätigkeit der bestehenden Planungsstrukturen im Prozess und im Ergebnis effizienter zu gestalten. Wir sehen die neuen technischen Entwicklungen als große Chance für den Berufsstand. Die neue Planungsmethode rechtfertigt aber keinesfalls Strukturänderungen in Richtung Totalunternehmerstruktur. Die Aufgabenteilung zwischen Planenden und Bauausführenden muss auch und gerade bei der Anwendung neuer Technologien beibehalten werden, damit Planende ihre AuftraggeberInnen weiterhin unabhängig von Liefer- und Ausführungsinteressen im Sinne der bestmöglichen Lösung beraten können“, so Kolbe. Die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen arbeitet in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer und der TU Graz an einem Praxis-BIM-Handbuch für Planer, das heuer erscheinen wird.

Auch Wetzstein glaubt nicht, dass die Digitalisierung abhängig davon ist, wie ein Projekt aufgestellt ist, ob Planung oder Ausführung in kleineren Teilen oder gemeinsam vergeben werden: „Tatsächlich wird die Bauausführung immer mithilfe verschiedenster Gewerke erfolgen. Es muss daher das Ziel sein, die Diskussion auf leichte Handhabbarkeit der BIM-Systeme und gute Schnittstellenkonfigurationen zwischen den einzelnen Zeichenprogrammen zu lenken, damit jede Firma an einem geschaffenen BIM-Modell mitwirken und einarbeiten kann.“

Aus Stephan Heids Sicht macht es die rasante Entwicklung rund um BIM aus technischen und organisatorischen Gründen de facto immer schwerer, das Koalitionsverbot aufrecht zu erhalten, ohne die Ziviltechniker ins digitale Abseits zu stellen. Für die Porr steht die Zusammenarbeit zwischen Bauherrn, Projektbeteiligten sowie den Gewerken im Mittelpunkt, und das von Beginn an und nicht erst, wenn bereits gebaut wird, wie Clemens Neubauer, Abteilungsleitung BIM, Porr Design & Engineering, betont: „Die gesamtheitliche Betrachtung eines Bauvorhabens ist essenziell, um zum einen die Transparenz über alle Projektphasen hinweg zu erhöhen und zum anderen etwaige Risiken und Kosten zu minimieren. Durch die frühe Zusammenarbeit wird sichergestellt, dass bereits in der ersten Projektphase maßgeschneiderte Werkzeuge und Standards gewählt werden, die für das Projekt und auch für den nachfolgenden Erhalt des Bauwerks optimal geeignet sind. Darüber hinaus bringt die verstärkte Zusammenarbeit im Sinne von Bauabwicklungen mittels Lean-Management Methoden die größten Vorteile. Das wird in der Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Der Grund: Alle sitzen schon ganz zu Beginn an einem Tisch, setzen das Projekt strukturiert auf und können es im nächsten Schritt reibungslos umsetzen. Aus meiner Sicht sollten rechtliche Rahmenbedingungen diese Art von Zusammenarbeit fördern und untermauern.“

Kooperativ und gemeinsam

Kooperativ und gemeinsam steht ebenso für die Strabag im Zentrum wie Peter Krammer, Vorstandsmitglied Strabag SE, ausführt – die herkömmliche Trennung von Planung und Bau ist aus seiner Sicht oft der ursächliche Grund, warum Großprojekte katastrophal scheitern: „Kooperative Vertragsmodelle haben sich in der Praxis bewährt: der Auftraggeber benennt bereits zu einem frühen Zeitpunkt die ausführende Baufirma und den Planer, eventuell dazu noch je nach Projekt notwendige Spezialisten. Das Projekt wird gemeinsam bis zur Baureife entwickelt und an diesem Punkt hat der Auftraggeber wiederum die Möglichkeit zu entscheiden, ob der das Projekt wirklich in dieser Konstellation fortführen möchte. Das macht vor allem Sinn, wo die Komplexität aufgrund der finanziellen, terminlichen oder technischen Dimension hoch ist. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Weg die Planung wesentlich verbessert und im Grunde genommen auch nur so die Potenziale einer digitalen Planung wirklich optimal gehoben werden können, weil die Schnittstellen und Plattformen zu Beginn definiert werden.“

Die Bauindustrie hat längst ihre eigenen Planungsabteilungen, viele behaupten hinter vorgehaltener Hand, sie brauchen eigentliche keine externen Planer – für Rudolf Kolbe absurd: „Das wäre so, als würden Pharmaunternehmen eigene Apotheken betreiben – für uns unvorstellbar. Jeder möchte, dass Ärzte und Apotheker unabhängig von wirtschaftlichen Interessen bestmöglich für unsere Gesundheit sorgen. Genauso wichtig ist es, dass unabhängige ZiviltechnikerInnen eine Planungsaufgabe unbeeinflusst von Hersteller- oder Ausführungsinteressen lösen. ZiviltechnikerInnen haben nichts davon, wenn sie ein bestimmtes Bauprodukt empfehlen oder ablehnen und das soll auch so bleiben. Gerade bei Bauprojekten gilt der alte Grundsatz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Genau dieses kontrollierende Augenpaar wird aber bei der Leistung aus einer Hand eingespart.“

„Die Digitalisierung bricht die Grenzen technisch auf und forciert so das Thema in jedem Fall. Nicht zu vergessen sind die bedeutsamen Initiativen zu neuen Vertragsmodellen – Stichwort ECI, Allianzverträge usw., die diesen Trend zusätzlich verstärken“, ist Graf überzeugt. Heid wagt einen Blick in die Zukunft – wird die Bundeskammer der Ziviltechniker obsolet? „Nein, weil die Pflichtmitgliedschaft auch zur standesrechtlichen Vertretung in vielen anderen Bereichen führt. Das Koalitionsverbot ist nur ein standesrechtliches Thema, wenn auch ein wichtiges und seit Langem heftig umkämpftes. Ob sich die ZT-Kammer vom Koalitionsverbot löst oder nicht, ist letztlich eine Frage, wo sich die Ziviltechniker in Zukunft sehen: Weiterhin als ,Hüter der Bauherreninteressen im Vier-Augen-Prinzip´ oder als moderne Dienstleister, die in der BIM-Welt und der daraus resultierenden kooperativen Projektabwicklung ein neues Rollenbild und Leistungsbild – siehe z. B. BIM-Koordinator, finden.“ Das gelingt gemeinsam – und vielleicht im Zeichen der Qualität.