Wohnhaus mit Lamellen
© Bundesverband Sonnenschutztechnik/Griesser

Natürliches Tageslicht

Der Gebäudeentwurf spielt die wichtigste Rolle, wenn es darum geht, die Qualität des Tageslichts bei gleichzeitigem Schutz vor Überwärmung im Neubau und bei der Sanierung zu sichern

Tageslicht ist verantwortlich für die gute visuelle, biologisch wirksame und energieeffiziente Beleuchtung von Innenräumen. Deren ausreichende Versorgung mit dieser wertvollen Ressource hängt stark von architektonischen Parametern wie Grundrissen und Fassadenlayout ab. Diese Parameter werden in sehr frühen Planungsphasen festgelegt und sind wesentliche strukturelle Vorgaben – Versäumnisse sind also später schwer zu kompensieren.

Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik: „Im Gegensatz zum Wärmeschutz im Hochbau wird ein Nachweis einer ausreichenden effektiven Belichtungsfläche unter Berücksichtigung von negativen und positiven Einflussfaktoren derzeit nicht gefordert. Eine gute und energieeffiziente Tageslichtplanung ist eine integrative Aufgabe, für die es auch entsprechende Berechnungsverfahren gibt“ Vielen Architekten ist die Herausforderung Tageslicht bewusst und sie arbeiten daher bereits mit deutlich mehr Belichtungsflächen.

Kein Widerspruch: Schutz vor Überwärmung und Tageslichtversorgung

In der österreichischen OIB-RL3 „Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz“ ist die ausreichende Belichtung eines Raumes als das Verhältnis von Belichtungsfläche (Rohbaulichte!) zu Bodenfläche mit 12 % Architekturlichte festgeschrieben, wobei die Fläche von Vorbauten wie Balkone und Loggien – im Gegensatz zu Deutschland – nicht mitgerechnet werden muss. Dieser Minderungsfaktor müsste laut dem Experten des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik aber berücksichtigt werden, genauso wie geänderte Raumgeometrien, komplexe Verglasungen mit deutlich geringerer Lichttransmission, stärkere Fensterrahmen für Mehrscheibenverglasungen und vor allem auch vertikale und horizontale Auskragungen. Gerstmann: „Es geht im modernen Wohnbau vor allem darum, Loggien und Balkone tageslichtwirksam zu planen, und beispielsweise den Verlust an Tageslicht durch größere oder auch zusätzliche Glasflächen zu kompensieren.“

Zudem reicht es für den Nachweis der Sommertauglichkeit nicht aus, Überstände für den Sonnenhöchststand (21. Jun. 12:00) auszulegen, weil auch die intensive Sonne aus Süd-Ost und Süd-West mitberücksichtigt werden muss. Da sich bei Gebäuden mit guter thermischer Hülle die Überwärmungsperiode von Ende April bis Anfang Oktober erstreckt, wären auf Südfassaden Auskragungen von mindestens 2,5 m notwendig. Dies reduziert jedoch den Lichteintrag permanent um 60 % und mehr und sperrt die Sonne auch an Nicht-Hitzetagen zur Gänze aus – ein Sommer ohne Sonne! Um einen art- bzw. bedarfsgerechten Eintrag von Sonne und Licht zu gewährleisten, bedarf es daher immer einer variablen Beschattung in Form von Fenstermarkisen, Raffstore, Roll- und Schiebeläden.

Schutz vor zu intensiver Sonneneinwirkung ist eine temporäre Herausforderung, die sich auf ca. 30 % der Tagesstunden in der warmen Jahreszeit beschränkt, während eine gute Tageslichtversorgung das ganze Jahr sichergestellt sein sollte und insbesondere für die dunklere Jahreshälfte von ganz besonderer Bedeutung ist. Gerstmann: „Kunstlicht am Tag sollte weder aus biologischer noch aus energetischer Sicht die Konsequenz dafür sein, Gebäude vor Überwärmung zu schützen. Weltweit verursacht elektrische Beleuchtung etwa 15 % des gesamten Stromverbrauchs und 5 % der Treibhausgase!“

Gerstmann führt weiter aus: „Diese Bestandsaufnahme veranschaulicht, dass sich in den letzten 100 Jahren nicht nur die Mindestanforderung für eine ausreichende Belichtung real um 30 bis 85 % verschlechtert hat, sondern man kann sich generell nicht des Eindrucks erwehren, dass Tages- und direktes Sonnenlicht wissentlich oder unwissentlich anderen bautechnischen Anforderungen geopfert wurden.“ Denn im Gegensatz zu anderen Grundbedürfnissen wie gute Raumluft oder ausreichender Schallschutz stellt eine effektive Tageslichtversorgung derzeit keine Disziplin in der Gebäudeplanung dar. Im Hinblick darauf, dass Gebäude energieeffizient sein bzw. werden müssen, dies aber nicht zu Lasten des Komforts gehen darf (nachzulesen in der EU- Gebäuderichtlinie), muss zukünftig der Schutz vor Überwärmung die Tageslichtversorgung mitberücksichtigen. Als Experte des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik fordert Gerstmann daher, dass Tageslicht eine Planungsdisziplin werden sollte und sich die OIB hinsichtlich der erforderlichen Mindestbelichtung an die modernen Bauweisen und Bauelemente anpassen muss.

Wie sehr die Belichtung von baulichen Maßnahmen beeinflusst werden kann, wird an einem typischen Wohnraum eines Mehrfamilienhauses gezeigt. Raumgeometrie 4,5 x 6,0 x 2,5 m (BTH), Belichtungsfläche (Architekturlichte) 12% der Bodenfläche.

Tageslichtausbeute schematisch dargestellt
© Bundesverband Sonnenschutztechnik/Bremetall

Beim Vergleich der Varianten „Freier Lichteinfall“, „Überhang 1, 5 Meter“ und „Loggia 1,5 Meter“ wird sichtbar auf, dass bauliche Maßnahmen zu deutlichen Einbußen bei der Belichtung führen. Die in der OIB-RL3 und in der deutschen Musterbauordnung (MBO) salopp formulierte Mindestbelichtungsfläche kann daher nur für Wohnungen ohne horizontale oder vertikale Überstände Gültigkeit haben und zudem muss die Lichttransmission der Verglasungen mitberücksichtig werden!

Um Lichteinbußen so gut wie möglich zu kompensieren, muss die Lichteintrittsfläche entsprechend vergrößert oder ein zusätzliches Lichtelement gesetzt werden. Im Fall einer Loggia mit 1,5 m Tiefe wurde die Netto-Belichtungsfläche von 10 % der Wohnraumfläche auf 30 % erhöht, um eine Tageslichtversorgung zu erreichen, die dem ursprünglichen Sinne einer Mindestbelichtung entspricht. Fazit: Eine ausreichende Belichtung lässt sich auch bei Vorbauten gewährleisten, wenn bei der Belichtung, analog zu den solaren Gewinnen, Abschattungsfaktoren mitberücksichtigt werden.

Gerstmann abschließend: „Tageslicht ist unverzichtbar für Komfort, Leistungsfähigkeit und Gesundheit und wesentlich für die Energievermeidung. In diesem Sinne gilt es, Wohngebäude ganzheitlich und vor allem mit entsprechender Tageslichtqualität zu planen, zu errichten und auch zu sanieren. Die Systeme der heimischen Sonnenschutzindustrie können hier – richtig geplant und eingesetzt – einen wertvollen Beitrag leisten!“