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PV-Branche zündet den Turbo

Rund 260 Besucher verfolgten die Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung heuer vor Ort im Wiener Allianz-Stadion. Auch online war die Hybrid-Veranstaltung gut besucht mit weiteren 150 Personen. Die Technologieplattform Photovoltaik Österreich (TPPV) und der Bundesverband Photovoltaic Austria (PVA) hatten dafür eine illustre Riege aus 35 Vortragenden aus Österreich, Deutschland, Italien (heuer das Gastland) und Skandinavien aufgeboten.

Nur per Videobotschaft zugeschaltet wurde Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler. Die Absage war kurzfristig erfolgt, Österreich hatte gerade einen neuen Bundeskanzler bekommen. In ihrem Statement wies die Ministerin nicht nur aufs Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hin, das ein Fördersystem etablieren und durch Energiegemeinschaften breite Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung schaffen sollte. Sie betonte auch die Bedeutung einer europäischen Produktion im Bereich des Sonnenstroms, um das Ziel von 11 TWh Sonnenstrom bis 2030 zu stemmen. „Moderne Technologien sichern so eine lebenswerte Zukunft, erfolgreiche Unternehmen und nachhaltige Jobs.“

Warum nicht gleich 35 TWh?

TPPV-Obmann Hubert Fechner ist schon mehrere Schritte weiter: „Ich denke darüber hinaus, an 25, 30, ja vielleicht sogar 35 zusätzliche Terawattstunden für Österreich. Da wird es um Fragen der Meinungsbildung gehen, um die systemische Integration der Photovoltaik, um die Verbindung zur E-Mobilität und zum Wärmesektor wie auch um Fragen der Speicherung von chemischen Speichern bis zu grünem Wasserstoff. Photovoltaik steht vor einer neuen Dimension.“

Auch Klima- und Energiefonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel sieht im PV-Bereich das größte Klimaschutzpotenzial für die Zukunft. Erst am Vortag zur Tagung Mitte Oktober wurde ihr Budget um 20 Mio. Euro aufgestockt. Das Geld dient als Investitionsförderung für Anlagen bis 50 kW. Der Fonds springt damit ein, solange die nötigen Verordnungen zum EAG noch nicht beschlossen sind.

Darüber hinaus gäbe es noch genügend zu forschen, etwa beim Recycling der PV-Module und der Schaffung einer Kreislaufwirtschaft. Oder bei der Speicherung der Energie und bei grünem Wasserstoff. Wie schnell Forschungsprojekte in der Realität ankommen können, zeige das Beispiel der Energiegemeinschaften. „Über Jahre wurde an Smart-Grid-Projekten geforscht, mit den Energiegemeinschaften werden sie jetzt Wirklichkeit.“

Ansprechpartner für Energiegemeinschaften

Beim Klima- und Energiefonds ist auch die neu gegründete Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften angesiedelt, die Referent Stephan Heidler bei der Tagung vorstellte. Als unabhängige Anlaufplattform bündelt sie Aktivitäten und Informationen zur Förderung von Energiegemeinschaften und arbeitet dabei mit den Energieagenturen und -instituten in den Bundesländern zusammen.

Die von der Spezialistin für erneuerbare Energien, Eva Dvorak, geleitete Koordinationsstelle steht in engem Austausch mit dem Klimaschutzministerium und mit der Regulierungsstelle E-Control. Heidler: „Wir verstehen uns als Schnittstelle zu allen wesentlichen Stakeholdern, wie beispielsweise bundesweiten Interessenvertretungen, Dienstleistern und der angewandten Forschung sowie zu lokalen und regionalen Akteuren.“ In den Bundesländern wird das Angebot von jeweils eigenen Beratungsstellen ergänzt.

Um das Instrument der Energiegemeinschaften rasch in die Gänge zu bringen, wurden in einem ersten Schritt vier Millionen Euro Förderbudget zur Verfügung gestellt. Nicht alle wollten so lange warten, engagierte Bürger und Kommunen legten zum Teil bereits vor der Setzung staatlicher Anreize einen Blitzstart mit ihren Energiegemeinschaften hin.

Die „WGE – Grätzl Energiegemeinschaft“ ist so die erste Initiative in Wien, die auf der neuen Gesetzeslage aufbaut. Initiator Roland Kuras gründete die WGE als Genossenschaft. Sein Ziel: „Wir wollen so viele Menschen wie möglich mobilisieren, Teil der Grätzl-Energie in ihrem Bezirk zu werden. Unsere Vision ist dabei eine flächendeckende, nachhaltige Energieversorgung und die Bereitstellung zukunftsfähiger Mobilitätslösungen in der Region.“ Bis 2030 soll der Stromverbrauch von zehn Prozent der Haushalte ausschließlich lokal erzeugt werden. Die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich sollen im selben Zeitraum um 20 Prozent reduziert werden.

Importprodukt PV

Klimafonds-Chefin Vogel wies auch darauf hin, dass sich die heimische Industrie international vielfach noch unter Wert schlage. „Wir haben gute und exportfähige Unternehmen im PV-Bereich. Die Voraussetzungen für Erfolg sind also gegeben, die Dynamik und die Budgets werden hoffentlich noch größer.“

Woran es in Europa hapert, führte Johan Lindahl im Detail aus. Der Generalsekretär des vor zwei Jahren gegründeten European Solar Manufacturing Council (ESMC) unterlegte die Abhängigkeit von chinesischer Produktion mit Zahlen. Die gegenwärtige PV-Produktion von 23 Gigawatt entspricht nicht mehr als 15 Prozent der weltweit installierten Photovoltaik. Trotz Produktionszuwächsen verschlechterte sich die Import-Export-Bilanz sogar in den vergangenen Jahren. 2019 machten die Export wertmäßig daher kaum die Hälfte der Importe aus. Noch erschreckender scheint die Situation, geht man ins Detail: Nur ein Prozent der Wafer und 0,4 Prozent der Solarzellen, die weltweit produziert werden, kommen aus Europa.

An Produktionsbetrieben fehlt es nicht: „Europaweit sind zurzeit 200 Unternehmen in diesem Bereich tätig, aber die Produktion erfolgt auf verhältnismäßig niedrigem Niveau.“ Die Abhängigkeit von Fernost bekam die Branche zuletzt durch steigende Modulpreise zu spüren, die nebst höheren Produktionskosten auch den Werksschließungen in der Frühphase der Pandemie geschuldet waren.

Die gute Nachricht: „Es ist etwas in Bewegung. In Frankreich, Spanien, Rumänien, Russland, Deutschland und anderen Ländern entstehen große Fertigungskapazitäten.“ Nun sei die EU gefordert, die Industrie zu unterstützen. Der geeignete rechtliche Rahmen dafür müsse nicht erst gefunden werden: Möglichkeiten der Handhabe bieten etwa die Ökodesign-Richtlinie, der sogenannte Recovery-and-Resilience-Plan, aber auch der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), der über eine vollständige Einpreisung der CO2-Emissionen nach mehr Fairness im Wettbewerb strebt (Beispiel: Wo und unter welchen Bedingungen wurde das Glas für die Module produziert?).

Prophet im eigenen Land

Die höheren Produktionskapazitäten wird Europa dringend brauchen. Sektorkoppelung sorgt dafür, dass erneuerbarer Strom in weiteren (Gebäude-)Bereichen zum Einsatz kommt. Eine entsprechende „solarelektrische Vision“ treibt my-PV-Gründer Gerhard Rimpler an. Der Optimismus ist wohl begründet: 1995 baute Rimpler den Photovoltaik-Bereich bei Fronius mit drei Mitarbeitern auf. „Damals wurden wir noch als Exoten verlacht“, erinnert er sich. „PV gab’s zu der Zeit fast nur bei Almhütten und in der Dritten Welt.“ Rimpler entwarf – aus damaliger Sicht – hochoptimistische Sonnenstrom-Szenarien mit Blick auf 2050. Die Entwicklung, wie sie sich nun aus den gesetzten politischen Rahmenbedingungen ergibt, habe er damit jedoch „um den Faktor Zehn unterschätzt“, bekennt er.

2011 machte sich Rimpler mit my-PV selbständig. 2014 begann mit der Markteinführung des Warmwasserbereitungsgerätes Elwa die Story als Hersteller. „Obwohl sich das Produkt seitdem kaum verändert hat, ist es bis heute unser Flaggschiff“, erzählt Produktmanager Reinhard Hofstätter. 2018 kam der AC-Thor zum Sortiment hinzu, ein stufenlos geregelter Photovoltaik-Power-Manager für Warmwasser, elektrische Wärmequellen und optionale Heizung.

Das Unternehmen verwendet diese Produkte selbstverständlich auch im eigenen Firmengebäude im oberösterreichischen Neuzeug. Das Grundprinzip lautete dabei: „so viel PV, wie geht“. Das Gebäude in Holzriegelbauweise wurde quasi unter dem zuvor entworfenen Raster aus PV-Modulen errichtet. 300 Solarmodule mit insgesamt 100 kWp wurden am Dach und an den Fassaden angebracht. Die elektrische Fußbodenheizung ist in eine monolithische Fundamentplatte integriert.

Auf Wachstum ausgelegt

Mit einer Bruttofläche von 858 Quadratmetern verfünffacht my-PV die Produktionskapazität und spart dabei zugleich 67 Prozent der Betriebskosten. Das Gebäude ist auf 60 Mitarbeiter und damit auf das geplante Wachstum der Zukunft ausgerichtet. Derzeit beschäftigt my-PV 35 Mitarbeiter, sieben wurden zuletzt in Entwicklung, Reparatur und Service neu eingestellt.

Der 2019er-Umsatz von zwei Millionen Euro konnte bereits im darauffolgenden Jahr verdoppelt werden. Heuer wäre sich abermals eine Verdoppelung ausgegangen, wäre da nicht die allgemeine Materialknappheit, bedauert Gesellschafter und Vertriebsleiter Markus Gundendorfer: „Es fehlt an Platinen, Heizstäben, zum Teil sogar an banalen Dingen wie Gummitüllen. So, wie’s derzeit aussieht, werden manche dieser Engpässe bis ins nächste Jahr hinein andauern.“

Das Geschäft macht my-PV vorerst primär in Deutschland. Die Exportquote beträgt 91 Prozent. Der Grund: Deutschland hat ein gutes Jahrzehnt „Vorsprung“ gegenüber Österreich im PV-Bereich, hier laufen Förderungen aus. Aufgrund einer Null-Einspeise-Regelung müssen Wechselrichter per Vorschrift abregeln, was einem Einspeiseverbot gleichkommt. In Australien, das sich für my-PV ebenfalls positiv entwickelt, gelten regional negative Einspeisetarife. Haushalte streben daher nach Eigenverbrauchsoptimierung und so auch Sektorkoppelung zu Warmwasser und Heizung.

Die Politik ist gefordert

Gerade im Hinblick auf letzteres Thema liegt bei den politischen Rahmenbedingungen hierzulande noch einiges im Argen. Beispiel Oberösterreich, wo elektrische Heizungsanlagen als Hauptheizsysteme für Wohnbauförderung und Energieausweis ein No-Go sind. Gundendorfer hatte die politischen Entscheidungsträger anlässlich der Eröffnung des neuen Firmengebäudes zu einer Diskussionsrunde eingeladen und sprach das Thema öffentlich an. Zumindest an Absichtserklärungen fehlte es nicht: „Da muss sich etwas ändern im Land Oberösterreich!“, hielt Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner fest. „Warum Elektromobilität positiv, Heizen mit Strom aber negativ besetzt ist, habe ich nie verstanden.“ Diesbezüglich war er sich einig mit dem oberösterreichischen ÖVP-Klubobmann Christian Dörfel, der auf Technologieoffenheit setzt: „Wir kennen die Problematik. Nun müssen wir eine gesetzliche Fassung finden, die auch bei rechtlichen Anfechtungen hält.“

Erneuerbar und regional

Die Verbindung von Strom und Wärme sowie die Deckung des regionalen Strombedarfs aus erneuerbarer Energie – das Beste aus beiden Welten verbindet das solar.one-Kompetenzzentrum, das nunmehr in Stegersbach eröffnet wurde. Zehn Gemeinden im Südburgenland testen hier im Rahmen der Initiative „act4.energy“ im Realbetrieb, wie zeitgemäße Energie- und Mobilitätssysteme diese Ansprüche erfüllen können.

Das Gebäude fällt durch futuristische Architektur und innovative Bauweise auf. Drei schräg versetzte Bauteile lassen mit „Solar-Fassade“, PV-Anlage und Vaillant-Luftwärmepumpen am Dach bereits von außen auf das nachhaltige Energiekonzept schließen. Im Inneren setzt sich das mit einer bauteilaktivierten Betondecke zur Temperaturregulierung über die Gebäudemasse fort. Das Besondere daran: Die effiziente und umweltfreundliche Kombination aus Photovoltaik und Wärmepumpen-Technologie erlaubt ein smartes Energiemanagement, bei dem Kühlen und Heizen gleichzeitig möglich sind.

Eine Gerätekaskade aus vier aroTherm-Split-Wärmepumpen von Vaillant bildet gemeinsam mit Wärme- und Kältespeicher das Herzstück des integrierten Klimasystems. KNX-Einbindung in die Gebäudeleittechnik und Fernzugriff via Multimatic-App sorgen für größtmögliche Flexibilität und Funktionsvielfalt. Insgesamt ergeben sich daraus hohe Ausfallssicherheit sowie optimale Wärme- und Kälteregulierung, angepasst an die Gebäudeanforderungen. Rund 47 kW Heiz- und 51 kW Kühlleistung stehen dem 1.600 Quadratmeter großen Kompetenzzentrum zur Verfügung.

Das Energiekonzept von solar.one basiert in allen Bereichen auf intelligenter Gebäudetechnik – mit elektrischen und thermischen Speichertechnologien, einem innovativen Wärmebereitstellungs-, Lüftungs- und Kühlsystem sowie E-Ladeinfrastruktur. Damit das Gesamtsystem reibungslos funktioniert, mussten Architektur, Bauphysik und Technik gut geplant und aufeinander abgestimmt werden. Das Zusammenführen der Systeme mit Schnittstellen machte das Energieprojekt zum Kraftakt.

„Mit solar.one wollen wir zeigen, was im Sektor erneuerbarer Energien bereits möglich ist und wohin die nachhaltige Reise gehen kann“, erklärt Initiator Andreas Schneemann. „Das Gebäude ist eine Art Schauraum für alle Interessierten, die sich zu den neuen Technologien informieren und austauschen wollen.“ Das Kompetenzzentrum soll so ein Ort des Forschens, Co-Workens, Netzwerkens und Präsentieren werden, dafür werden Seminarräumlichkeiten, Ausstellungs- und Eventzonen sowie ein Gastrobereich geboten.